Für New Yorker Verhältnisse war das eine Größenordnung die im absoluten Luxusbereich anzusiedeln war.
„Wir wissen ja, wie er zu seinem Reichtum gekommen ist!“, meinte Clive, während Orry sich noch einmal zu dem Mann im Mercedes umdrehte und gar nicht richtig zuhörte. „Sollen wir jetzt bei allen neugierigen Passanten die Personalien überprüfen oder was schwebt dir vor, Orry?“
„Ist schon gut, Clive! Es ist nur…“
„Was?“
Orry zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Irgendwas stimmt mit dem Kerl nicht. Ich kann nicht sagen, was es ist. Wahrscheinlich sehe ich schon Gespenster! Aber das Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor!“
„Du meinst, den Teil des Gesichts, den du sehen kannst, bei der riesigen Brille mit dem Charme der Siebziger!“
„Irgendwann wird alles wieder modern, Clive!“
Wenig später klingelten sie an der Tür des Hauses, in dem Zarranoga sich eingemietet hatte.
Der Sicherheitsstandard war erstklassig. Angehörige eines privaten Wachdienstes patrouillierten in der Eingangshalle. Videokameras überwachten den Eingangsbereich und alle Korridore. Wir zeigten einem der Wachmänner unsere Dienstausweise und wurden von diesem dann bis zur Wohnung gebracht.
„Schrecklich, was da draußen geschehen ist!“, meinte der Wachmann, auf dessen Uniformhemd der Name J. Sawyer aufgestickt war.
„Haben Sie oder jemand von Ihren Leuten etwas gesehen?“, fragte ich.
„Ich hatte in der Einganshalle Dienst und habe die Explosion mitbekommen. Wir haben sofort Alarm beim zuständigen Polizeirevier gegeben und dann ist ja auch sehr schnell jemand gekommen. Ich war während des Kuwait-Krieges in der Army und wurde jetzt stark an die Zeit damals erinnert…“
„Sie haben im Eingangsbereich eine Videoüberwachungsanlage“, stellte Clive fest.
„Ja, das ist richtig.“
„Wie weit reicht der Sichtbereich der Kameras?“
„Die Explosion ist nicht drauf, wenn Sie das meinen. Ihre Kollegen vom NYPD waren bereits hier und haben sich danach erkundigt.“
„Aber der Täter müsste doch die Straße entlanggefahren sein. Könnte es sein, dass das von Ihren Kameras aufgezeichnet wurde?“
„Durchaus. Allerdings nur für ein paar Sekunden.“
„Wir brauchen die entsprechenden Ausschnitte aus den Aufzeichnungen.“
„Ich kümmere mich darum!“, versprach Sawyer.
Mit dem Aufzug ging es hinauf zur Wohnung Zarranogas.
Wir klingelten.
Ein Mann im schwarzen Jackett und dunklem Rollkragenpullover öffnete uns. Das Haar glänzte und war nach hinten gekämmt.
„FBI! Ich bin Special Agent in Charge Clive Caravaggio und dies ist mein Kollege Special Agent Medina. Wir untersuchen den Mord an Murray Zarranoga!“
„Ich bin Allan Zarranoga“, erklärte der Mann im Rollkragenpullover. „Ein Cousin des Ermordeten. Ich bin hier, um meiner Tante beizustehen… Schließlich haben Ihre uniformierten Kollegen ihr vor kurzem mitteilen müssen, dass ihr Mann ein paar Meter von den eigenen vier Wänden entfernt einem Mordanschlag zum Opfer gefallen ist!“
„Das tut uns aufrichtig leid.“
„Mistress Zarranoga steht noch unter Schock, wie Sie sicher verstehen werden.“
„Dennoch würden wir auch mit ihr sprechen müssen.“
Allan hob die Augenbrauen. „Ich würde davon abraten. Außerdem wüsste ich nicht, welchen Beitrag sie im Moment zu Ihrer Arbeit leisten könnte.“
„Abgesehen davon wird gleich ein Team eintreffen, das eine Durchsuchung aller von Mister Zarranoga genutzten Räumlichkeiten dieser Wohnung vornehmen wird. Vielleicht ist es besser, wenn Mistress Zarranoga sich in dieser Zeit woanders aufhält.“
„Haben Sie den überhaupt keine Achtung vor der Würde von Hinterbliebenen?“, ereiferte sich Allan.
„Dieses Vorgehen ist Routine bei Mordermittlungen“, erklärte Clive ruhig. „Schließlich suchen wir nach Hinweisen, die uns vielleicht auf die Spur des Mörders bringen!“
Allan verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Er richtete den Zeigefinger auf Clive und schüttelte energisch den Kopf. „Oh nein, Agent Caravaggio! Ihnen und Ihresgleichen ist der Mörder meines Onkels doch völlig gleichgültig! Zu Lebzeiten hat ihn die Justiz nach Strich und Faden schikaniert und jetzt hoffen Sie wohl, endlich doch noch Erfolg zu haben! Posthum wollen Sie seine angeblich illegalen Geschäfte durchkreuzen! Darum geht es Ihnen!“
„Ihrem Onkel wurden von der Justiz schwerwiegende Vorwürfe gemacht, das ist richtig“ erwiderte Clive sachlich. „Aber das heißt nicht, dass wir in seinem Fall weniger intensiv nach dem Mörder suchen als in anderen Fällen!“
„Wer das glaubt wird selig, Agent Caravaggio!“ Allan Zarranoga machte eine wegwerfende Geste, die seiner Verachtung Ausdruck verlieh.
„Was ist los, Allan?“, meldete sich jetzt eine Frauenstimme zu Wort.
Fast lautlos war eine dunkelhaarige Frau in den Raum getreten. Sie hatte das Haar zu einer strengen Knotenfrisur gebunden. Sie war schätzungsweise dreißig Jahre alt und damit erheblich jünger als Murray Zarranoga. Das Gesicht war feingeschnitten, ihr eigentlich dezentes Make-up war etwas verwischt.
„Mistress Zarranoga?“, fragte Clive.
„Die bin ich. Kommen Sie ins Wohnzimmer. Es ist eine Schande, dass Allan Ihnen noch nichts zu trinken angeboten hat.“
„Wir sind im Dienst“, erwiderte Clive. „Aber trotzdem vielen Dank.“
Sie folgten Mrs Zarranoga ins Wohnzimmer. Von der Fensterfront aus hatte man einen hervorragenden Überblick über den Tatort.
„Ich habe die Explosion gehört!“, berichtete die Frau des Ermordeten. „Natürlich hatte ich da noch keine Ahnung, dass mein Mann…“ Sie stockte und bedeckte mit der rechten Hand für kurze Zeit die Augen. Nur mit Mühe gelang es ihr sich wieder zu fassen.
„Fühlte Ihr Mann sich in letzter Zeit bedroht?“, fragte Clive.
„Nicht, dass ich wüsste.“
„Hat er mal den Namen ‚Road Killer’ in Ihrer Gegenwart verwendet?“
„Nein. Was soll das bitte sein?“
Clive wandte sich an Allan Zarranoga. „Vielleicht können Sie uns Auskunft auf diese Frage geben und es Ihrer Tante erklären.“
Allan Zarranogas Gesicht zeigte jetzt ein eisiges Lächeln.
„Es gibt viele Gerüchte, Agent Caravaggio.“
„Eines davon besagt, dass ein Hitman mit der Bezeichnung Road Killer in New York unterwegs ist, um einen Auftrag zu erfüllen.“
„Ich habe keine Kontakte zu Leuten, die Killer engagieren“, behauptete Allan Zarranoga. „Also verschwenden Sie Ihre Zeit damit, mir Fragen zu stellen, die ich nicht beantworten kann.“
Jetzt mische sich Orry ein. „Eine Frage, Mister Zarranoga. Wer übernimmt eigentlich jetzt die Geschäfte Ihres Onkels?“
„Meine Tante bat mich, alles in Onkel Murrays Sinne weiterzuführen.“
Clive lächelte dünn. „Selbstverständlich nur den legalen Teil dieser Geschäfte!“
„Es existiert nur dieser Teil, Agent Caravaggio – auch wenn die Justiz sich vergeblich bemüht hat, das Gegenteil zu beweisen.“