„Tu das, Kelly, tu das!“, lachte der Bandoleroführer. „Und sieh zu, dass du sie immer gut behandelst, sonst komme ich eines Tages und schneide dir doch noch die Kehle durch.“ Er bückte sich nach Jeffords Satteltaschen, zählte fünf Tausend-Dollar-Bündel ab und warf sie achtlos neben sich auf die Erde. Dann verschloss er die Tasche mit den restlichen dreißigtausend Dollar und reichte sie dem breitschultrigen Rancher. „Mein nachträgliches Hochzeitsgeschenk für Conchita. Achte gut darauf.“
Chad starrte ihn ungläubig an. „Mein Gott! Das ist mehr Geld, als du jemals wieder erbeuten wirst …“
„Da kennst du El Moreno aber schlecht!“, grinste der Mexikaner wölfisch. „Nimm es nur und bring es Conchita. Die Fünftausend, die mir Jefford gab, und diese Fünftausend dazu sind genug für mich und meine Leute.“
Es wäre eine tödliche Beleidigung für El Moreno gewesen, hätte Chad jetzt auch nur mit einer Silbe angedeutet, dass es sich ja um geraubtes Geld handelte, dessen rechtmäßiger Besitzer immer noch Tom Bancroft war. Chad schwang die abgewetzten Ledertaschen auf die Schulter. „Von jetzt an werde ich jedem die Faust ans Kinn setzen, von dem ich ein falsches Wort über El Moreno höre.“
„Lieber nicht!“, winkte der Bandolero ab. „Da hättest du viel zu tun, Compadre! Außerdem, je schlimmer man von mir spricht, um so mehr Zulauf habe ich zu meiner künftigen Armee.“
Chad erwiderte sein breites Grinsen, und ihr Händedruck besiegelte eine zwar seltsame, aber unverbrüchliche Freundschaft.
15
Sie lagerten zehn Meilen südlich der Grenze. Die ganze Zeit über wartete Ringo Jefford schon mit mühsam gebändigter Ungeduld darauf, endlich einige Minuten mit Old Simp allein zu sein. Immer wieder ruhte dabei sein glühender Blick auf den geldgefüllten Satteltaschen, die neben dem niedrigen Feuer lagen. Als Kelly schließlich aufstand, um den angepflockten Pferden die umgehängten Futtersäcke abzunehmen, stellte Jefford rasch den leergetrunkenen Kaffeebecher neben sich auf die Erde und beugte sich lauernd vor. „He, Cowboy!“, raunte er leise.
Der Oldtimer, der mit einem Stock in der Glut stocherte, hob gemächlich den Kopf und schob seinen Priem von einer Backe in die andere. „Mach mir ja keinen Ärger, du Strolch! Ich bin rechtschaffen müde und möchte für heute meine Ruhe haben.“
„Menschenskind, Cowboy, ich versteh nicht, dass du diesen Quatsch von Kelly mitmachst!“
„Dann halt gefälligst die Schnauze!“
„Mann!“, zischte Jefford nach einem raschen Spähblick auf Chad, der bei den Pferden hantierte. „Überleg doch, was dabei herauskommen wird, wenn Kelly mich tatsächlich auf Bancrofts Ranch schleppt. Jess und Will werden euch mit heißem Blei empfangen, ehe Kelly dazukommt, auch nur ein Wort zu sagen. Die Jungens sind doch nicht blöd. Die lassen es doch nicht darauf ankommen, dass …“
Old Simp gähnte. „Lass mich zufrieden. Kelly weiß schon, was er tut.“
Jefford zerrte wütend an den Lederriemen, mit denen seine Hände vorne zusammengebunden waren. „Aber du weißt es nicht. Denk nur an das Geld, das Kelly Bancroft zurückbringen will. Du lieber Himmel, kommt dir denn nicht die Galle hoch bei dem Gedanken, die dreißigtausend Bucks schön brav ausgerechnet bei dem Mann abzuliefern, der wie der Teufel hinter deinem und Kellys Skalp her war? Das ist doch heller Wahnsinn!“
Old Simp brummte und stocherte heftiger im Feuer. Die Pferde prusteten, und weit entfernt heulte ein Coyote den Mond an, der wie eine Silbersichel hoch über den Felsen und Pinien hing. Leise knisterten die Flammen.
Jefford flüsterte: „Morgen sind wir schon auf der anderen Seite der Grenze, Cowboy. Solange würde ich an deiner Stelle nicht warten. Heute Nacht ist der richtige Zeitpunkt für uns beide, um mit dem Zaster abzuhauen. He, zum Teufel, Cowboy, hörst du mir überhaupt zu?“
„Aber sicher. Und wenn du nicht endlich deine Klappe hältst, helfe ich mit einer blauen Bohne nach.“ Old Simp warf den angekohlten Stock weg und richtete seinen alten Navycolt auf den gefesselten Verbrecher. Jefford zerknirschte einen Fluch zwischen den Zähnen.
Drüben bei den Pferden fragte Chad: „Gibt es Ärger, Simp?“ Seine Tritte malmten über den Lagerplatz. Der hagere Oldtimer erhob sich schwerfällig, die Waffe immer noch auf Jefford gerichtet. Er spuckte einen Strahl Tabaksaft ins Feuer, dass es zischte.
„Nichts Besonderes, Kelly. Er ist nur reichlich nervös, wenn er an den Besuch bei Bancroft denkt. Er möchte gerne, dass ich mit ihm und dem Geld türme.“
„Idiot!“, fauchte Jefford wütend.
Old Simp grinste faltig. „Selber Idiot! Wenn ich die Moneten will, dann brauche ich doch dich nicht dazu. Du würdest dich ja doch nur bei der nächsten Gelegenheit mit einer Kugel in meinen Rücken bedanken. Nein, mein Lieber, wenn ich verschwinde, dann allein.“ Blitzschnell schwang er die Waffe auf Chad herum. „Tut mir leid, Kelly, aber Jeffords Idee mit dem Geld ist wirklich nicht schlecht. Von hier aus schaffst du den Trail zur Bancroft-Ranch auch ohne mich.“
Chad war wie vor den Kopf geschlagen. Er wartete darauf, dass der ledergesichtige Oldtimer jetzt grinsend den Colt wegstecken und alles nur für einen schlechten Spaß erklären würde. Aber so gelassen Simp auch nach außen wirkte, das scharfe Funkeln in seinen kleinen hellen Augen war nicht zu übersehen. Dieselbe Entschlossenheit strahlte von ihm aus wie damals, als er Chad vor dem
Lynchstrick gerettet hatte. Kelly schüttelte benommen den Kopf.
„Simp, um Himmels willen, was ist in dich gefahren? Das ist doch Wahnsinn, wenn du …“
„Wahnsinn wäre es, Bancroft das Geld zurückzubringen, das er ja doch längst abgeschrieben hat. Glaub mir, Kelly, ich würde keinen Cent davon anrühren, wenn du die Moneten für dich und deine junge Frau behalten würdest. Aber Bancroft? Nein, Kelly, nachdem dieser Kerl dir die Freundschaft kündigte und uns wie wilde Tiere hetzen ließ, würde ich lieber das Geld ins Feuer schmeißen, als es ihm zurückbringen.“
„Ich verstehe ja deine Wut auf ihn. Es ist und bleibt aber trotzdem sein Geld, Simp. Du wirst doch nicht noch auf deine alten Tage zum …“
„Ach, hör auf damit! Das ist ja alles nur Gewäsch, leeres Gerede! Ich würde mich höchstens an den Haaren reißen, sollte ich irgendwann mal in der Gosse liegen und Bancroft hätte an meiner Stelle die dreißigtausend Dollar erwischt. Gib dir keine Mühe, Kelly! Mach es mir nicht schwerer als nötig. Mein Entschluss steht fest. Ich hab‘ mir den Kopf darüber zerbrochen, seit wir El Morenos Felsenfestung verlassen. Da musste nicht erst Jefford sein Maul aufreißen, um mich auf diese Idee zu bringen.“
Als Old Simp sich mit dem angeschlagenen Sixshooter den Geldtaschen näherte, sprang Jefford auf. „Behalte von mir aus den Zaster, Cowboy, aber sag ihm, er soll mich losbinden!“
„Den Teufel tu ich! Ich bin zwar jetzt in Kellys Augen ein Lump, aber ich denk nicht dran, ihn um die Chance zu bringen, seine Unschuld zu beweisen.“ Der hagere Weidereiter bückte sich vorsichtig nach den Satteltaschen. „Lass lieber die Finger von der Kugelspritze, Kelly. Besser, du schnallst ab, bevor du noch auf dumme Gedanken kommst, Amigo.“
„Du wirst nicht schießen, Simp!“
„Nein, aber nur, wenn du mich nicht dazu zwingst!“
„Simp, sei vernünftig! Steck das Eisen weg, und wir werden alles vergessen!“
„Für mich gibt es kein Zurück mehr! Tu, was ich dir sage, Kelly. Eine Kugel in deine Schulter genügt mir, um meine Flucht zu sichern. Aber was wird dann aus deinem Trail mit Jefford?“
Chad öffnete widerstrebend die Schnalle seines Revolvergurts. Er fühlte keinen Hass, nur bittere Niedergeschlagenheit. Simps triumphierendes Grinsen war nicht echt, als er Chads Waffe aufhob.