Old Simp, der sich in sicherer Entfernung hielt, blinzelte ihm zu. „Du hattest recht, Kelly. Das schlechte Gewissen ließ mir keine Ruhe. Bin doch schon zu alt, um in eine neue Rolle zu schlüpfen. Als ich dann umkehrte und merkte, was aus dir geworden ist, ahnte ich gleich, zu was dieses verflixte Geld noch gut sein würde.“
„Dafür ist dir ein Platz auf meiner Ranch sicher, Simp, und wenn du hundertfünfzig Jahre alt wirst!“
„Das ist ein Wort, Kelly! Na, Rawlins, gilt das Geschäft? Sechstausend Dollar für Kelly.“
„Es ist unser Geld“, schrie Jess Bancroft. „Dieser verdammte Kerl hat kein Recht …“
„Ich verhindere einen Mord“, grinste Old Simp achselzuckend. „Wenn ich dazu kein Recht habe, wozu dann?“
„Die Hölle soll dich verschlingen, du alter Gauner! Rawlins, der Mistkerl will dich reinlegen. Der schleppt vierzigtausend Dollar mit sich herum, die eigentlich uns ge …“
„Irrtum! Sind nur noch dreißigtausend. Aber die reichen garantiert, um euch endgültig aus dem Rennen zu werfen.“
„Hm!“, brummte Dave mit gierig glitzernden Augen. „Bevor ich ja sage, will ich sehen, ob du den Zaster auch wirklich hast, Oldtimer.“
„Von mir aus!“, blinzelte Old Simp listig. „Aber wenn du denkst, du kannst die Moneten und Kelly kassieren, irrst du dich, Muchacho. Schick einen von deinen Brüdern her, aber unbewaffnet.“
„Tu ihm den Gefallen“, sagte Dave brummig zu Emmett. Der schnallte grinsend seinen Revolvergurt ab, reichte ihn Ted und ritt zu Old Simp hinüber. Gemächlich, mit einer Hand am Kolben des Navycolts, öffnete der Oldtimer eine der beiden Ledertaschen.
Der Bandit bekam Stielaugen und einen wässrigen Mund. „Dave!“, krächzte er. „Diese alte Vogelscheuche hat tatsächlich mehr Moneten, als wir je auf einem Haufen gesehen haben!“
„Das mit der Vogelscheuche will ich überhört haben“, knurrte Old Simp beleidigt. „Bist du jetzt beruhigt, Rawlins? Well, dann gib Kelly raus. Schick ihn zu mir herüber.“
„Okay!“, antwortete der grobschlächtige Verbrecher schleppend. „Aber dafür will ich alles Geld, das du hast.“
Simp zog eine von seinem scheinbar unerschöpflichen Vorrat an Kautabakstangen aus der Jackentasche und biss ein großes Stück davon ab. Er kaute missmutig. „Bescheiden bist du ja nicht gerade, Rawlins …“
Dave grinste gierig. „Jeder hat so seine Schwäche. Meine ist Geld, viel Geld. Dafür tu ich alles. Dafür lasse ich es sogar auf einen Kampf ankommen. Und den willst du doch nicht, oder?“
„Nicht unbedingt“, gab Old Simp sauer zu. „Du bist wirklich ein verflucht geldgieriger Hundesohn. Aber keine Bange, Kelly, ich kaufe dich frei.“
„Wie klug von dir!“, lobte Rawlins. „Gib Emmett die Taschen mit den Bucks. Dann lasse ich Kelly reiten.“
„Das wirst du nicht!“, schrie Jess Bancroft mit überkippender Stimme und zog den Revolver.
Rawlins brauchte seinen Colt nur herumzuschwingen. Ein Feuerstrahl peitschte aus der Waffe. Jess krümmte sich nach vorne und sank auf die Knie. Will stieß seinen Revolver hoch. Eine Pulverdampfwolke hüllte ihn ein. Dave brüllte wie ein Stier, stürzte aus dem Sattel und geriet unter die stampfenden Hufe seines erschreckten Pferdes.
Dann wurde Will von Teds Kugel getroffen. Er schwankte, hielt sich jedoch mit zusammengebissenen Zähnen auf den Beinen und feuerte zurück. Die Kugel fällte Teds Gaul. Der junge Rawlins bekam gerade noch die Füße aus den Steigbügeln.
„Dave!“, kreischte er, während er durch den aufwallenden Staub rollte. „Dave!“
Emmett hatte Old Simp die geldgefüllten Ledertaschen entrissen, spornte nun seinen Hengst mit wutverzerrter Miene auf den Hof zurück und schoss auf Will. Ein weiteres Loch platzte im Hemd des blonden Ranchersohnes auf. Blut sprudelte hervor. Aber Will stand und pumpte wie ein Irrer das heiße Blei aus seiner Waffe, bis die Revolvertrommel leer war. Rawlins und sein Pferd gingen in einer brodelnden Staubwolke zu Boden. Die Taschen mit den dreißigtausend Dollar flogen in hohem Bogen durch die Luft.
Keuchend, mit schrecklich verzerrter Miene, ließ Will seinen qualmenden Sechsschüsser sinken. Sein Oberkörper war blutüberströmt – ein grausiger Anblick.
„Bancroft, du verdammter Hund!“, heulte Ted Rawlins und schoss ihm vom Boden aus eine Kugel durch den Kopf. Will sackte nieder wie eine Marionette, deren Schnüre durchtrennt werden.
Schwer atmend richtete sich Ted auf.
Sein irrer Blick flackerte über die reglosen Gestalten seiner Brüder. Chad Kelly hatte sich gleich nach dem ersten Schuss geistesgegenwärtig aus dem Sattel fallen gelassen. Jetzt kniete er im träge schleiernden Staub und zerrte heftig an seinen Fesseln, obwohl das absolut sinnlos war. Rawlins beachtete ihn nicht. Seine Augen brannten sich an Tom Bancroft fest, der mit grauem Gesicht wie versteinert zwischen seinen niedergestreckten Söhnen stand. Der hagere Rancher war unbewaffnet. Die Geldscheinbündel lagen zu seinen Füßen.
Ein wildes Zucken tanzte über Ted Rawlins brutales Gesicht. „Jetzt bist du fällig, Rancher!“
Mit einem heiseren Schrei jagte Old Simp seinen Braunen auf ihn zu. Das Trommeln der Hufe riss Ted herum. Er schoss sofort, fehlte jedoch in der Hast. Im nächsten Moment rannte ihn Simps Pferd über den Haufen. Ted flog mehrere Schritte weit, ehe er besinnungslos liegen blieb.
Bancroft schien nichts von der Gefahr bemerkt zu haben. Er starrte nur Chad an, der noch immer am Boden kniete. Nie hatte er eine grausigeres, sinnloseres Abschlachten erlebt. Bancroft bewegte sich plötzlich wie in Trance. Er lief zu einem am Boden liegenden Revolver, hob ihn auf und ging mit der angeschlagenen Waffe langsam auf seinen ehemaligen Sattelgefährten zu. Es war unheimlich, wie leer und abwesend seine Miene dabei immer noch wirkte, so, als würde der Rancher von einem fremden Willen gelenkt.
Chad taumelte hoch. Er brachte kein Wort über die Lippen. Der Tod kam in Bancrofts hagerer, gebeugter Gestalt auf ihn zu.
„Bancroft, bleiben Sie stehen!“, schrie Old Simp.
Bancroft hörte ihn gar nicht. Er sah auch nicht, dass der Oldtimer seinen Navycolt auf ihn richtete. Doch Simp feuerte nicht. Bancrofts Revolverhahn war bereits gespannt. Jede Kugel, die den Rancher jetzt traf, würde gleichzeitig Chad Kellys Todesurteil bedeuten.
Da wehte Jess‘ matte Stimme über den in fahlem Dunst liegenden Ranchhof. „Dad …“
Bancroft zuckte zusammen. Der Sixshooter in seiner Faust zitterte auf einmal, aber nach wie vor zielte die Waffe auf Chad. Jess hatte sich mühsam auf die Ellenbogen gestemmt. Schmerzen zeichneten sein bleiches Gesicht. Aus seinem linken Mundwinkel sickerte ein dünner Blutfaden.
„Töte ihn nicht, Dad!“, rief Jess. „Es hat ja doch alles keinen Sinn mehr. Mit mir ist es aus … Sein Tod nützt niemand mehr. Er ist unschuldig. Er war immer dein Freund und …“ Jess bäumte sich auf, rang nach Atem und streckte eine Hand nach Bancroft auf. „Hilf mir, Dad! Hilf mir!“
Der Revolver glitt aus Bancrofts Hand. In dem Augenblick bevor er sich umwandte, sah Chad die furchtbare Verzweiflung, die sein altes Gesicht zerriss. Stolpernd lief Bancroft zu seinem Sohn und sank bei ihm auf die Knie. Jess starrte ihn gequält an, wollte noch etwas sagen, aber sein Atem erlosch für immer. Bancrofts hagere Gestalt bog sich wie unter einer Last, die ihn nie mehr hochkommen lassen würde.
Chad spürte keine Erleichterung, als Old Simp neben ihm vom Pferd sprang und seine Fesseln zerschnitt. Alles, was einmal zwischen ihm und Tom Bancroft gestanden war, zählte nicht mehr. Er wollte zu ihm. Doch gleichzeitig begriff er, dass Tom allein mit seinem Schicksal, seinen Fehlern fertig