„Ich will dir ja keine Vorschriften machen, Compadre“, meine Chad schleppend, „aber ich halte es für gesünder für dich, wenn du meinem Beispiel folgst.“
Der Oldtimer sah aus, als hätte er einen Löffel voll Chilipfeffer verschluckt und würde gleich losplatzen. Aber dann rang sich nur ein leidender Seufzer aus seiner Kehle. Die lange, hagere Gestalt des alten Weidereiters glich einer jäh zum Leben erwachten Vogelscheuche, als er sich einen Ruck gab, aus dem Sattel rutschte und ebenfalls die Waffen ablegte. „Soll ich gleich anfangen, unser Grab zu schaufeln?“
„Dazu hättest du wohl keine Zeit mehr“, grinste Kelly. Er wies mit einer knappen Kopfbewegung zum Senkenrand hinauf.
Die Reiter hoben sich scharf umrissen vor dem sattblauen Firmament ab. Acht Mann mit riesigen, strohgeflochtenen Sombreros auf den Köpfen, alle – bis auf einen – in der einfachen weißen Leinenkleidung mexikanischer Peons. Die meisten trugen nicht mal Stiefel, sondern hatten die großen Radsporen einfach an die nackten braunen Füßen geschnallt. In ihren Schärpen steckten Messer, Dolche und alte Pistolen. Das Funkeln ihrer langläufigen Gewehre stach den Männern in der Senke in die Augen.
„Prost, Mahlzeit!“, knurrte Old Simp. „Von den Kerlen sieht jeder aus, als würde er jeden Morgen noch vor dem Frühstück einen Gringo auf nüchternen Magen verspeisen. Du, Kelly, ich glaube, die wollen was von uns.“
Ein Kommando schallte. Die Mexikaner rückten von allen Seiten vorsichtig in die Senke herab. Ihr Anführer war ein kleiner, dicker Kerl, der im Gegensatz zu seinen Leuten einen mit Silberstickereien verzierten braunen Charro-Anzug trug. Über seinen aufgeworfenen Lippen spross ein zerrupft aussehendes Bärtchen. Ein kaltes grausames Glitzern war in seinen kleinen kohlschwarzen Augen. Betont lässig hatte er den Kolben seines Gewehrs auf den rechten Oberschenkel gestützt. Die Mündung der Waffe ragte über seinen Kopf hinaus. In dieser Haltung ritt er dicht an Chad und Old Simp heran. Er musterte sie, als würde ihm schon allein ihr Anblick Magenschmerzen bereiten.
„Gringos!“ Alle Verachtung der Welt lag in diesem einen Wort. Er spuckte Chad gezielt vor die Füße. „Was wollt ihr hier? Wisst ihr Dummköpfe nicht, dass hier El Morenos Reich ist? Eine Todeszone für alle, die der große El Moreno nicht gerufen hat?“
Old Simp murmelte etwas von einer „fetten, aufgeblasenen Kröte, die sich zum Teufel scheren sollte“, aber zum Glück schien der Charro-Mann kein Englisch zu verstehen. Chad lächelte freundlich, wenn es ihn auch Mühe kostete. Wie viele Bewohner der an Mexiko angrenzenden Staaten beherrschte er genug Spanisch, um sich südlich der Grenze gut verständigen zu können.
„Natürlich wissen wir das. Wir wollen ja zu ihm.“
Die Augen des kleinen Mexikaners wurden rund. Er starrte Kelly an, als hätte er einen Verrückten vor sich. Schließlich fragte er in einem erzwungenen gönnerhaften Ton: „Weißt du auch, wer ich bin, Gringo?“
„Klar! Du bist der Hombre, der uns zu El Moreno bringen wird. Ich denke, du hast sowieso gerade nichts Besseres zu tun.“
Old Simp spuckte lieber seinen völlig zerknautschten Priem aus, um sich nicht wieder zu verschlucken. Dafür schien dem Dicken etwas in die falsche Kehle geraten zu sein. Er hustete, würgte, schnappte nach Luft. Angesichts der schussbereiten Gewehre ringsum wartete Chad geduldig. Schließlich reckte sich der Anführer der Bandoleros kriegerisch im Sattel, wobei er allerdings auch nicht imposanter wirkte. Chad machte jedoch nicht den Fehler, diesen kleinen dicken Kerl zu unterschätzen. Ein Mann, der seine Gegner nur nach dem Äußeren beurteilte, war ein Narr. Die gefährlich glitzernden Augen des Mexikaners verrieten genug …
„Die Sonne hat dir das Gehirn ausgetrocknet, Gringo!“, krächzte er. „Ich bin Ramon Gutierez, El Morenos Stellvertreter, sein Adjutant. Und ich sage dir, Gringo, es ist besser für dich, du bekommst unseren Jefe nie zu Gesicht. Er hasst alle Americanos wie die Pest. Sein Vater besaß früher große Ländereien nördlich der Grenze. Er verlor sie alle an die verfluchten Yankees. Als Bettler musste er mit seinem Sohn nach Mexiko heimkehren. Seitdem tötet El Moreno jeden Gringo, der ihm über den Weg läuft. Weißt du, was er mit dir machen würde, Gringo? Er würde dich an den Füßen aufhängen und auspeitschen lassen, und dann würde er …“
„So ausführlich will ich es gar nicht wissen. Aber El Moreno macht ja auch Ausnahmen, nicht wahr? Zum Beispiel bei unserem Freund Ringo Jefford, den wir bei ihm besuchen wollen.“
„Holla! Du weißt ja wirklich verdammt gut Bescheid, Gringo, fast zu gut.“
„Was dachtest du denn?“, lächelte Chad spöttisch. „Na, was ist? Ließ El Moreno auch Jefford an den Füßen aufhängen und auspeitschen?“
Gutierez zupfte an seinem schütteren Bärtchen. Er starrte Chad lauernd an. „Eine Ausnahme bestätigt nur die Regel. El Moreno und Jefford kennen sich von früher. Geschäftsfreunde, verstehst du, Gringo? Jefford hat nicht gesagt, dass er Besuch erwartet. Im Gegenteil, wer immer auf seiner Fährte reitet, der ist zum Abschuss freigegeben. Wie gefällt dir das, Gringo, he?“
„Genauso wenig wie es deinem Jefe gefallen würde, wenn du ihn um das Geschäft bringst, das ich ihm vorschlagen werde.“
„Du lügst, Gringo. Du bist ein ganz gerissener Hund. Du bist hinter Jefford her, um ihn zu töten.“
„Vielleicht. Bring mich trotzdem zu deinem Jefe. Er soll über mich und meinen Compañero entscheiden.“
„Schwefel, Pest und Kanonenrohr!“, ächzte Old Simp, der genug Spanisch verstand, um alles mitzubekommen. „Wo hatte ich bloß meinen Verstand, als ich auf die Idee kam, mit dir zu reiten, Kelly?“
„Das musst du nicht mich fragen. Na, was ist, Gutierez? Reiten wir endlich los?“
Die betont lässige, selbstsichere Art des Amerikaners war zu viel für den kleinen dicken Bandolero. Sein rundes Gesicht färbte sich noch dunkler, als es ohnehin schon war. „In die Hölle wirst du reiten, Gringo, sonst nirgendwohin! Ich werde El Moreno deinen Anblick ersparen und dich an Ort und Stelle zum Teufel befördern!“ Er packte sein Gewehr mit beiden Fäusten und richtete die Mündung auf den ruhig vor ihm stehenden Mann.
„Du bist ein Dummkopf“, sagte Chad frostig.
Gutierez gab seinem Pferd die Sporen, um den unverschämten Gringo über den Haufen zu reiten. Gleichzeitig schwang er seinen Karabiner wie eine Keule. Der Gaul sprang vorwärts, aber wo Kelly eben noch gestanden war, gab es nur Luft. Stattdessen fuhr die breite Gestalt des Americano wie ein Kastenteufel neben dem Reiter hoch. Seine Hände krallten sich in Gutierez‘ Charro-Jacke. Der dicke Mexikaner spürte einen heftigen Ruck, dann lag er schon im knöcheltiefen heißen Staub. Über ihm war das plötzlich steinharte, wild entschlossene Gesicht des Fremden und ein blitzendes Messer, das sich seiner Kehle näherte. Alles war so rasend schnell gegangen, dass keiner der anderen Reiter die Gelegenheit zu einem Schuss bekommen hatte.
„Ich sagte ja, du bist ein Dummkopf“, wiederholte Chad grimmig. „Aber immer noch besser, als eine Leiche, was? Und deshalb wirst du deinen Amigos jetzt sagen, dass sie ihre Schießprügel wegstecken sollen. Ich will immer noch zu El Moreno. Und du, mein Freund, wirst mich hinbringen.“
„Du bist verrückt, Gringo!“, keuchte der Kleine, der mit hervorquellenden Augen auf das Messer starrte. „Damit kommst du nicht durch. Du kannst nicht …“
„Ich kann ‘ne Menge“, unterbrach Chad ihn hart. „Ich kann dich sogar bei lebendigem Leibe skalpieren, wenn du nicht endlich das tust, was ich dir sage.“
„Heilige Jungfrau von Guadeloupe!“, krächzte Gutierez. „Amigos, das ist ein Wahnsinniger! Tut, was er verlangt! Weg mit den Gewehren!“
Die braungesichtigen Burschen gehorchten. Ein paar von ihnen hatten Mühe, ein Grinsen zu verbeißen. Sie schienen diese Lektion ihrem Anführer von Herzen zu