Chads Herz zog sich schmerzhaft zusammen, wenn er daran dachte, wie oft er zu einem kameradschaftlichen Besuch hier aufgetaucht war. Jetzt kam er als Opfer, als Todgeweihter. „Galgenfutter“, wie es Emmett Rawlins grinsend nannte. Am schlimmsten war: Von hier, wo er sterben sollte, waren es nur mehr zehn oder zwölf Meilen zu seiner eigenen kleinen Ranch zu Conchita.
Beklemmende Stille herrschte. Die große, früher von emsigem Leben erfüllte Ranch machte einen heruntergekommenen, verödeten Eindruck. Das diffuse Licht vertiefte noch die düstere Atmosphäre. Die Banditen schienen jedoch dafür kein Gefühl zu haben. Dave feuerte gleichmütig einen Schuss in die Luft, schob die Waffe wieder ins Holster und stützte abwartend die Ellenbogen aufs Sattelhorn.
Knarrend schwang die Ranchhaustür auf. Tom Bancroft trat über die Schwelle. In einer anderen Umgebung hätte Chad ihn auf den ersten Blick vielleicht gar nicht erkannt. Bancroft ging gebeugt, zusammengezogen, so als leide er unter ständigen Magenschmerzen. Sein zerfurchtes Gesicht war noch magerer geworden. Bartstoppeln bedeckten seine ledrigen Wangen. Den Augen fehlte jeder Glanz. Sie belebten sich auch jetzt nicht, als sich Bancrofts Blick auf die staubgepuderten Reiter heftete.
„Na also! Dachte schon, es sei niemand daheim!“, grinste Dave Rawlins. „Da ist der Vogel, den wir fangen sollten. Gute Arbeit, wie?“
„Dafür haben wir euch ja aus dem Jail geholt“, lachte Will, der gemeinsam mit Jess ebenfalls aus der Tür trat. „Hallo, Kelly! Lange nicht gesehen. Wie geht‘s denn so?“
„Er sehnt sich nach der Hanfkrawatte“, lachte Emmett. „Das ist alles, was ihm fehlt.“
„Hinterm Haus steht ein Baum mit dicken Ästen. Der wird dir sicher prächtig gefallen, Kelly“, höhnte nun auch Jess. In den Augen der Bancroft-Brüder war ein wildes, triumphierendes Gefunkel. Keiner fragte nach Old Simp oder Jefford. Nur Chads Tod war jetzt für sie wichtig.
Chad beugte sich auf dem Pferd vor und starrte den hageren Rancher beschwörend an. „Tom, um Himmels willen, lass es nicht zu! Noch kannst du diesen Wahnsinn verhindern!“
Bancroft schüttelte den Kopf. Seine Stimme war tonlos. „Du wirst hängen, Chad. Das bin ich Larry schuldig.“
„Tom, du hast dich in eine falsche Idee verrannt! Ich musste auf Larry schießen, sonst hätte er mich erwischt! Wenn du mir nicht glaubst, dann bring mich wenigstens vor ein Gericht. Bring mich nach Silver City zu Sheriff Slaughter!“
Bancroft zuckte zusammen und wurde noch fahler, als er ohnehin schon war. Seine Söhne grinsten verkniffen.
Die Rawlins brachen in schallendes Gelächter aus.
„Slaughter wartet in der Hölle auf dich, du Narr!“, japste Ted, als hätte er einen umwerfenden Witz gehört. „Der hat unsere Befreiung aus dem Jail nicht überlebt, der arme Kerl. Na, irgendwann wird es sicher ‘nen neuen Sheriff in Silver City geben. Aber dann bist du garantiert längst tot.“
„Tom!“, murmelte Kelly erschüttert. „Mein Gott! Worauf hast du dich da eingelassen?“
Ein Frösteln durchlief Bancrofts hagere Gestalt. Dann versuchte er seiner Stimme den alten harten Klang zu geben, was ihm allerdings nicht recht gelang.
„Sei still, Chad! Für mich gibt es kein Zurück mehr. Slaughters Tod ist erst recht ein Grund mehr für mich, meine Rache zu vollstrecken. Jess, Will, worauf wartet ihr? Holt ihn vom Pferd! Bringt ihn zur Sykomore hinterm Haus, und vergesst den Strick nicht!“
Seine Söhne wollten sofort los, da hob Dave Rawlins herrisch eine Hand. Es war die Linke. Seine Rechte lag wie zufällig dicht hinterm Coltkolben. „Alles hübsch der Reihe nach, Amigos! Erst das Geschäft. Wir haben unseren Teil der Abmachung erfüllt, jetzt seid ihr dran. Ihr bekommt euren Freund Kelly erst, wenn wir das Geld haben. Ich hoffe doch sehr, Bancroft, dass die versprochenen dreitausend Piepen für uns bereitliegen.“
Auch Emmett und Ted hatten ihre Hände an die Waffen gelegt. So bullig und ungeschlacht diese Halunken auch aussahen, jeder wusste, wie höllisch flink sie mit den Schießeisen sein konnten. Absichtlich hatten sie ihre Pferde mehr als ein Dutzend Yards von der Ranchhausfront entfernt gezügelt.
Jess Bancroft grinste schief. „Keine Sorge, ihr bekommt das Geld.“
Sein Vater wandte sich schweigend ab und verschwand wieder im Haus. Er ging schlurfend wie ein alter Mann.
Jess dämpfte seine Stimme. „Was ist mit Jefford?“
„Tot“, grinste Dave. „Wenn wir hier verschwinden, dann vergiss nicht, uns die Extraprämie nachzubringen. Wir warten in dem Wäldchen zehn Meilen südlich von hier. Wenn du nicht kommst …“
„Schon gut, schon gut, ihr bekommt den Zaster“, winkte Jess hastig ab. „Habt ihr bei Jefford nichts gefunden, was …“ Er verstummte, denn sein Vater kam zurück. Er hielt drei Packen Geldscheine in den Händen, wahrscheinlich das letzte Geld, das er nach dem Verlust der vierzigtausend Dollar hatte auftreiben können.
„Tu‘s nicht, Tom! Gib ihnen keinen Cent!“, versuchte es Chad verzweifelt wieder. Dave zog den Colt und drückte ihm die kalte Mündung an die Schläfe.
„Wenn du nicht sofort den Rand hältst, nehme ich den Bancrofts die Arbeit ab, dich aufzuknüpfen.“
„Dreitausend, wie versprochen“, sagte Bancroft dumpf.
Dave nickte seinem Bruder Emmett zu. „Hol es! Zähl es nach, bevor du‘s einsteckst.“
Der zweitälteste Rawlins wollte seinen grobknochigen Wallach zum Ranchhaus lenken. Da meldete sich hinter ihnen bei den verwitterten Schuppen und Brennholzstapeln eine rostige Stimme.
„Nicht so hastig, Jungs! Wenn ihr schon so verdammt geschäftstüchtig seid, dann wendet euch lieber an mich. Dreitausend Bucks sind ja ein Jammerpreis für Kelly. Ich biete mehr.“
Chad wagte nicht den Kopf zu drehen. Denn Dave brauchte nur der Daumen über dem gespannten Hammer wegzurutschen, um Chads jäh erwachte neue Hoffnung im Keim zu ersticken. Chad hatte die Stimme auch so erkannt. Sein Herz pochte heftig. Old Simp war da! Old Simp, von dem er gedacht hatte, dass er mit seiner Beute schon viele, viele Meilen weit weg auf dem Weg nach Kalifornien oder sonst wohin reiten würde!
Fluchend griffen Bancrofts Söhne zu den Revolvern. Aber an ihren wütend verkniffenen Gesichtern erkannte Chad, dass der Oldtimer schlau genug war, sich in sicherer Deckung zu halten. Außerdem befanden sich die Reiter zwischen ihm und den Männern beim Ranchhaus. Das Schnauben von Simps Pferd drang aus dem Schatten. Dave Rawlins wandte vorsichtig den Kopf. Vielleicht erwartete er, dass eine Waffe auf ihn zielen würde. Dann wäre Chads Leben wahrscheinlich keinen Dollar mehr wert gewesen. Old Simp wusste das auch, und deshalb versuchte er es lieber gar nicht erst, den berüchtigten Rawlins-Brothers auf die raue Tour zu kommen.
„Beim Henker!“, grinste Dave rissig. „Du bist ja ein gefragter Mann, Kelly. Durch dich werden wir noch richtig reich. He du, Mister, wer immer du bist, versuch ja nicht, uns aufs Kreuz zu legen. Das hat noch keiner geschafft.“
Jess machte einen Schritt vorwärts. „Zum Teufel, das ist ein Freund von Kelly! Ein alter verrückter Kuhtreiber, der …“
„Geschäft ist Geschäft“, grinste Dave. „Wenn er genug Zaster hat, um uns Kelly abzukaufen, kann er von mir aus der Teufel höchstpersönlich sein. He, Hombre, wie steht‘s damit? Wie viel bietest du?“
Jess fluchte. Seine Faust schloss sich um den Revolverkolben. „So haben wir nicht gewettet! Wir haben euer Wort, dass Kelly uns …“
„Lass deinen Knaller stecken, Junge!“, warnte Dave heiser. „Allmählich solltest du doch wissen, dass mit uns nicht zu spaßen ist. Ich mache meine Geschäfte, mit wem es mir passt. He, Hombre, ich weiß noch immer nicht, wie viel du zahlen willst.“
„Das Doppelte von dem, was euch