„Wie hast du dir das bloß vorgestellt, Kelly? Dachtest du, du könntest einfach herkommen, mir ‘ne Kugel durch den Kopf schießen und dann nach ‘nem freundschaftlichen Händedruck mit El Moreno wieder mir nichts, dir nichts verschwinden? Nach allem, was Bancrofts Söhne über dich erzählt haben, hätte ich dich für gerissener gehalten. Wie ein Greenhorn hast du dich angestellt. Jetzt brauche ich nur noch den Finger zu krümmen, und es ist aus mit deinen verrückten Plänen. Deinen Freund werde ich den Mexikanern überlassen, damit sie auch ihren Spaß haben.“
Chad wusste, dass sein Leben nur noch an einem hauchdünnen Faden hing. Er ließ sich nicht anmerken, wie aufgewühlt er war. Er hatte gehofft, erst mit El Moreno zu sprechen, ehe er auf Ringo Jefford stoßen würde. Jetzt sah alles ganz danach aus, als würde er dazu keine Gelegenheit mehr bekommen. Jefford war kein Mann, der lange fackelte. Wer ihm irgendwie gefährlich werden konnte, den schickte er nach Möglichkeit auf dem schnellsten Weg in die Hölle, ohne dass er sich das geringste Kopfzerbrechen darüber machte.
Chad rief laut: „Bist du hier der Boss, Jefford? Ich dachte, El Moreno hätte hier die Entscheidungen zu treffen. Ich will zu ihm.“
„Ach nein!“ Jeffords höhnisches Auflachen hallte von den kahlen Felsmauern zurück. „Und ich dachte tatsächlich, du wärst meinetwegen hier.“ Plötzlich wurde seine Stimme scharf und zornig. „Gib dir keine Mühe, Kelly. Egal, welchen Bluff du dir ausgedacht hast, er zieht ja doch nicht. El Moreno weiß, dass du hinter mir her bist. Er hat mir freie Hand gegeben. Das bedeutet für dich, dass du schleunigst dein letztes Gebet sprechen solltest.“
„Warte, Muchacho! Ich hätte gerne gehört, was er mir zu sagen hat.“ Eine schlanke braune Hand legte sich auf Jeffords Arm und drückte sachte, aber entschieden das Gewehr herab. Es war bezeichnend für El Morenos Macht, dass der berüchtigte Verbrecher, vor dem New Mexico jahrelang gezittert hatte, mit keiner Silbe widersprach.
El Moreno, der Dunkle – das war ein treffender Name für den hochgewachsenen, katzenhaft geschmeidigen Mexikaner. Ein sorgfältig gestutzter schwarzer Bart umrahmte sein schmales, dunkelbraunes Gesicht, das von einem pechschwarzen, mit Silberschnüren verzierten Filzsombrero beschattet wurde. Auch seine Kleidung war schwarz: Hemd, Halstuch, Hose, Stiefel. Die mit Elfenbeinschalen ausgelegten Kolben seiner beiden schweren Revolver, die an überkreuzten Patronengurten hingen, boten einen auffälligen Kontrast dazu. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, schwang sich der Bandolerohäuptling auf eine der Strickleitern und kletterte rasch herab. Seine Bewegungen erinnerten Chad an einen schwarzen Panther.
Sofort klaffte eine Gasse im Kreis der Mexikaner auf. Jeder Zoll an El Moreno verriet seine haushohe Überlegenheit über die wilden, zerlumpten Kerle. Dabei brachte er das Kunststück fertig, nicht die Spur arrogant zu wirken. Gelassen, mit einem teils drohenden, teils amüsierten Lächeln kam er auf die Reiter zu.
„Nun?“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. Chad fühlte instinktiv, dass es eine Beleidigung für El Moreno gewesen wäre, wenn er vom Sattel aus mit ihm gesprochen hätte. Dieser Mann machte nicht den Eindruck eines gewöhnlichen beutegierigen und blutrünstigen mexikanischen Banditenführers. Vielleicht war er einer von den vielen Gescheiterten, ein durch die ständigen Revolutionswirren in diesem Land aus der Bahn geworfener, der nun auf eigene Faust versuchte, sich ein Reich aufzubauen, um vielleicht eines Tages mit einer Armee von gleichfalls Entwurzelten gegen die Hauptstadt zu ziehen.
Mexiko, das bedeutete von jeher ein Umdenken für jeden Mann, der aus dem Norden kam. Hier galten andere Maßstäbe. Hier flossen die Grenzen von Banditen und Rebellentum ineinander über. Chad Kelly hatte weder Zeit noch Lust, sich darüber ausgerechnet jetzt den Kopf zu zerbrechen. Er wollte Jefford, das war alles, was für ihn zählte. Er schwang sich vom Pferd.
„Natürlich bin ich wegen Jefford hier. Das sollte kein Grund zur Feindschaft zwischen uns sein.“
El Moreno zog die dünnen schwarzen Braunen hoch. „Jeder Gringo ist mein Feind.“
„Und Jefford?“
„Er ist die Ausnahme. Wir haben früher Geschäfte miteinander gemacht. Wir werden es wieder tun. Er hat dafür bezahlt, dass ich ihn unter meinen Schutz stelle.“
„Wie viel?“
„Was geht das dich an?“
„Ich werde auch bezahlen, wenn du dich in die Auseinandersetzung zwischen mir und Jefford nicht einmischt. Du weißt, dass ich kein Sheriff, Marshal oder Spion der mexikanischen Regierung bin. Ich bin nur hinter Jefford her.“
„Geh zur Seite, El Moreno!“, gellte Jeffords wütender Ruf von der Felsleiste. „Es ist höchste Zeit, dass ich diesem verfluchten Hund eine Unze heißes Blei zwischen die Rippen jage!“
Der schwarzgekleidete große Mexikaner schickte nur einen brennenden Blick zur Höhe hinauf, und Jefford schwieg. Ruhig sagte El Moreno zu Chad: „Du bluffst. Du siehst nicht so aus, als könntest du mehr bieten als Jefford.“
„Wie viel hast du von ihm bekommen.“
„Fünftausend Dollar. Dafür werde ich eine Menge nagelneuer Waffen und Munition kaufen. Gib dir keine Mühe, Kelly, da kommst du ja doch nicht mit.“
„Fünftausend? Ein Pappenstiel! Und du nennst Jefford, diesen knauserigen Kerl, deinen Freund? Du willst Geschäfte mit ihm machen? Und ob ich dir mehr bieten werde! Ich lege zu Jeffords lächerlichen fünftausend Dollar noch fünfunddreißigtausend weitere Bucks hinzu. Klingt das nicht viel besser?“
Old Simp atmete scharf ein. Ein heiseres Geraune durchlief die Reihen der umstehenden Bandoleros. Jefford schrie: „Er ist verrückt! Durchsucht ihn, El Moreno, und du wirst feststellen, dass er höchstens ein paar lumpige Dollar mit sich rumschleppt!“
Der Bandenführer starrte Kelly mit glühenden Augen an. Seine Wangenmuskeln traten schärfer hervor. „Ich denke, er hat recht. Ich denke, du lügst, Gringo.“
„So dürftest du nicht reden, wenn wir uns alleine gegenüberständen.“
„Du schlägst einen gefährlichen Ton an, Gringo – gefährlich für dich. Vergiss nur ja nicht, wo du dich befindest.“
„Eben!“ Chad lächelte grimmig. „Hältst du mich wirklich für so dumm, dass ich mich mit einem leicht durchschaubaren Bluff hierher gewagt hätte?“
El Morenos Blick bohrte sich in Chads stahlblaue Augen. „Woher willst du das viele Geld nehmen, wenn ich dir freie Hand gegen Jefford gebe?“
Mit einer knappen Kopfbewegung wies Kelly auf den Mann auf der Felsleiste. „Von ihm!“
Bleierne Stille folgte. Dann wandte der Mexikaner ebenfalls wieder den Kopf und starrte zu Jefford hinauf. „Leg das Gewehr weg! Komm herab!“ Das war keine kameradschaftliche Aufforderung, sondern ein scharfer Befehl.
Jefford, sonst selber ein Mann, der zu befehlen gewohnt war, zögerte, legte schließlich die Waffe nieder und kletterte an der Strickleiter herab. Er näherte sich mit schnellen Schritten. Sein kantiges Gesicht war eine fahle Maske, in der die Augen wild glitzerten. Sein Holster mit dem 38er Remington war am Oberschenkel festgebunden.
„Hör nicht auf ihn, El Moreno. Er will dich reinlegen. Fünfunddreißigtausend Dollar für meinen Skalp? Das ist ja lächerlich. Damit entlarvt er sich ja selber als Lügner.“
Chad blickte den Verbrecher kalt an. „Ich will nicht deinen Skalp, Jefford. Ich will dich lebend, damit du meinem alten Freund Tom Bancroft die Wahrheit erzählen kannst. Dafür überlasse ich El Moreno gerne deine Beute. Ich bin nicht an dem Geld, sondern einzig und allein an dir interessiert.“
„Zum Teufel, du …“
„Ich denke, ich habe dich richtig eingeschätzt, Jefford. Ich bin sicher, du hast El Moreno die Höhe der Summe, die du mit dir ‘rumschleppst, verschwiegen, sonst hätte er sich bestimmt nicht mit lumpigen fünftausend Bucks abspeisen lassen. Dein Pech, Jefford. Denn ich fürchte, El Moreno mag es nicht, wenn man ihn übers