Ferien Lesefutter Juni 2019 - 5 Arztromane großer Autoren. A. F. Morland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. F. Morland
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Короткие любовные романы
Год издания: 0
isbn: 9783745209266
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Kellner vom Schmalztopf sagte mir, dass du mich suchst.“

      „Ja.“

      „Wie wohnt es sich in Philomenas Apartment?“

      Jo lachte. „Wesentlich besser als im Knast.“

      „Geht es dir gut?“, fragte Jeanette.

      „Ich bin wieder frei“, gab Jo zur Antwort. „Bist du noch im Schmalztopf?“

      „Nein“, sagte Jeanette. Im Hintergrund war das Pfeifen eines Zuges zu hören.

      „Von wo rufst du an?, wollte Jo wissen. „Komm her! Ich möchte dich sehen.“

      „Das geht nicht.“

      „Warum nicht?“

      „Es geht eben nicht“, wiederholte Jeanette in einem Tonfall, der ihm missfiel. So hatte sie früher nicht zu ihm gesprochen. Sie schien sich verändert zu haben. Nun, jeder Mensch verändert sich im Laufe der Zeit. Das ganze Leben ist Veränderung.

      „Bongo hat mir von einem Saxophonisten erzählt.“

      „Aldo war nur eine ganz kurze Episode“, erklärte Jeanette.

      „Er lebt nicht mehr.“

      „Ich weiß“, gab Jeanette zurück. Aldo Radaccis Tod schien sie nicht zu berühren.

      „Ich muss dich sehen“, sagte Jo unvermittelt. „Wir müssen reden.“

      „Das tun wir.“

      „Ich meine nicht am Telefon. Es ist wichtig. Es geht um einen Job.“

      „Ich erledige keine Jobs mehr.“

      Er hatte irgendwie befürchtet, dass sie das sagen würde. Er hatte es seltsamerweise gleich im Gefühl gehabt, als er ihre Stimme gehört hatte.

      „Jeanette“, sagte er mit sehr viel Nachdruck, „ich brauche deine Hilfe.“

      „Tut mir leid, Jo, ich kann nichts mehr für dich tun.“ Sie klang kalt und abweisend.

      „Warum nicht?“ Er war nahe daran, einen Tobsuchtsanfall zu bekommen, konnte sich nur mit großer Mühe beherrschen. „Was ist passiert?“, fragte er heiser. Wenn sie hier gewesen wäre, wenn er sie vor sich gehabt hätte, hätte sie nicht so mit ihm reden dürfen. Er hätte ihr links und rechts ...

      „Nichts ist passiert“, antwortete Jeanette.

      Er lachte. „Machst du neuerdings etwa auf seriös?“

      „Vielleicht.“

      „Du?“ Er lachte noch einmal. Laut und spöttisch. „Das glaub’ ich nicht.“

      „Dein Bier“, konterte sie gleichgültig. „War nett, mit dir zu plaudern, Jo.“

      „Warte, Jeanette.“ Er schrie erschrocken auf, befürchtete, dass sie zu früh auflegte. Er hatte keine Adresse von ihr, wusste nicht, wo er sie finden konnte. Nach diesem Telefonat würde sie den Schmalztopf meiden. Wo sollte er sie dann suchen?

      „Was ist denn noch?“ In ihrer Stimme schwang deutlich Verdrossenheit mit.

      „Du schuldest mir einen Gefallen.“

      „Ach, komm, Jo.“ Sie klang noch verdrossener. Aber er glaubte auch eine Spur von Nervosität und Unsicherheit zu hören, und das gefiel ihm. Der Lack ihrer überheblichen Selbstsicherheit hatte einen ersten hässlichen Kratzer abgekriegt.

      Seine Augen verengten sich, und seine Lippen wurden schmal, als er sagte: „Ich hatte gehofft, dich nicht daran erinnern zu müssen, aber wenn du es nicht anders willst: Ich habe dich in der Hand, Jeanette. Ich weiß etwas von dir, das die Polizei brennend interessiert.“

      „Mistkerl!“, fauchte sie.

      Er grinste zufrieden. „Können wir jetzt vernünftig miteinander reden?“

      22

      „Wer war das, Liebling?“, fragte Martin Kant, einer der größten Automobilimporteure Deutschlands. Mitglied des internationalen Geldadels. Reich geboren und durch eigene Cleverness noch reicher geworden. Er trug einen mitternachtsblauen Maßanzug. Sein Oberlippenbärtchen war sorgfältig gestutzt, das Haar frisch gewaschen. Er sah aus, als wäre er soeben einem Herrenjournal entstiegen - einem Journal für Senioren.

      Und deshalb passte er eigentlich nicht zu Jeanette, denn während er mit sechzig Lenzen sein Leben bereits zu einem großen Teil hinter sich hatte, hatte sie ihres - mit herzerfrischenden einundzwanzig Jahren - noch vor sich. Sie drehte sich erschrocken um, fühlte sich ertappt. Sie trug ein Kleid aus weißer Seide, das die Schultern freiließ und ihre attraktiven Rundungen sensationell zur Geltung brachte. An ihren Ohren baumelten große Zigeunerclips aus Platin, und ein Kollier aus demselben Material zierte ihr schönes Dekolleté. Sie hatte sich das alles redlich verdient - auf die einzige Art, die sie perfekt beherrschte. Martin Kant, seit fünf Jahren verwitwet, hatte sie in einem bekannten Nachtklub an der Binnenalster kennengelernt, und sie hatte ihm die Nacht so sehr verschönt, dass er sie unbedingt wiedersehen wollte. Seit kurzem wohnte sie bei ihm und gehörte ihm mit Haut und Haaren. Sie war gewissermaßen seine Leibeigene geworden - ganz freiwillig natürlich. Er hatte sie gekauft, kaufte sie jeden Tag aufs Neue, indem er ihr ständig etwas schenkte. Dafür durfte sie aber auch nur ihm allein gehören. Mit anderen Männern wollte er sie auf keinen Fall teilen. Solange sie sich an die Spielregeln hielt, würde es ihr bei ihm sehr gutgehen.

      Wenn sie die Regeln aber verletzte, würde er sie bitten zu gehen. Dann war sie wieder da, wo sie schon lange nicht mehr sein wollte.

      Es waren Gäste im Haus. Freunde von Martin, die genauso reich waren wie er, mit ihren schmuckbeladenen, eleganten Ehefrauen, die sich in Jeanettes Gegenwart unbehaglich fühlten, weil diese so unverschämt jung war. Wenn man täglich mit Cremes, Packungen und Lotionen einen ebenso zwecklosen wie deprimierenden Kampf gegen das erbarmungslose Verwelken auszutragen hat, kann man nicht mit einer Schönheit konkurrieren, die eben erst erblüht ist.

      „Wie?“, fragte Jeanette nervös, den Telefonhörer noch in der Hand.

      „Wer das war?“

      Wie aufgescheuchte Ratten huschten die Gedanken durch ihren Kopf. Sie brauchte schnellstens eine glaubhafte Antwort.

      „Eine Freundin.“ Sie legte auf. „Ich habe mit einer Freundin telefoniert. Sie möchte sich mit mir treffen. Ich habe zugesagt. Es macht dir doch nichts aus, nein?“

      Martin Kant sagte: „Ich wäre dir dankbar, wenn du die Brücken zu deinem bisherigen Leben abbrechen würdest.“

      „Das habe ich vor.“ Sie nickte eifrig. „Aber Jo muss ich noch einmal treffen. Sie - sie ist in Schwierigkeiten. Ich kann sie nicht im Stich lassen. Nicht, nach allem, was wir zusammen erlebt haben.“ Sie ging zu ihm und streichelte seine glattrasierte Wange. „Nicht wahr, das verstehst du doch?“ Sie musste seinen Argwohn zerstreuen. Er sah sie so seltsam an. Sie verfluchte sich selbst. Wenn sie Jo Dengelmann doch nur nicht angerufen hätte!

      „Welche Art von Schwierigkeiten sind das?“, wollte Martin wissen.

      „Ich darf nicht darüber sprechen.“

      „Braucht sie Geld?“

      „Nein.“ Jeanette schüttelte den Kopf.

      „Kannst du auch Probleme kriegen?“

      „Nein“, antwortete sie schnell. „Nein, ganz bestimmt nicht. Mir droht keine Gefahr.“

      Er nickte nachdenklich. Ob er es schon bereute, eine wie sie in sein Haus geholt zu haben? „Komm“, sagte er und nahm ihre Hand. „Lass uns zu den anderen gehen!“

      Sie folgte ihm, gehorsam wie ein gut dressiertes Hündchen.

      23

      Peter