© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten.
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Die Hauptpersonen des Romans:
Carringo — verfolgt eine heiße Spur, doch seine Gegner bleiben unsichtbar.
Chaco — verliert einen Gefangenen aus dem Jail in Prescott und ist darüber sehr erbost.
Carlo Janos — Der Mexikaner versucht, mit seinen Leuten zu überleben, aber darüber bestimmen längst andere.
Slinger — eine kleine Ratte, die gern zu einer großen Ratte werden möchte.
Maxwell Hook — transportiert Kisten, die wie Särge aussehen und in denen der Tod liegt.
Buz Sherlock — sieht selbst dort Feinde, wo keine sind, und erschwert dadurch seine Lage.
Ben Hillary — möchte Carringo zum Teufel schicken, zu dem er offenbar gute Beziehungen unterhält.
1
Die Hitze des Tages war vorüber. Allmählich legte sich der Staub. Man konnte wieder freier atmen. Die untergehende Sonne zeichnete um die Silhouette der Prieta Mountains einen feurigen Saum. Die vereinzelten Opuntien schienen zu glühen, Die Berge atmeten Ruhe und Frieden.
Aber es herrschte kein Frieden. Eine Gruppe von Männern hatte lediglich auf diese Stunde gewartet. Wie Krustenechsen krochen sie aus ihren Verstecken hervor und scharten sich um einen Mann, dessen glühende Augen ungeduldig auf den letzten seiner Leute warteten.
„Du lässt dir viel Zeit, Bolo“, tadelte er einen großen Mann mit struppigem Vollbart, der sich in leicht gebeugter Haltung näherte und einen mächtigen Knüppel wie etwas in der Faust hielt, das ihm zutiefst zuwider war.
Bolo Montana war vier Jahre älter, als Carlo Janos. Trotzdem nahm er den Tadel hin. Carlo war der Anführer. Er hatte sie über die Grenze nach Arizona geführt, er würde auch den weiteren Weg finden, sogar wenn sich seine Methoden immer weiter von dem entfernten, was Bolo Montana mit seinem Gewissen zu vereinbaren suchte.
,.Die Leute haben Kinder“, erklärte er. Es sollte wohl eine Entschuldigung sein. „Es ist nicht recht, Kinder zu bestehlen.“
Carlo Janos blitzte ihn wild an.
„Haben wir keine Kinder, Bolo? Ist es nicht die Schuld der Gringos, dass mein Chico fast den ganzen Tag weint, weil er Hunger hat?“
Der große Mexikaner nickte zustimmend mit dem Kopf.
„Du hast recht, Carlo. Doch es waren nicht diese Gringos, die wir überfallen wollten. Es waren Pistoleros, die uns aus unserer Heimat vertrieben haben. Es waren Männer, die unser eigener Gouverneur auf uns gehetzt hat, um uns zu bestehlen und alles, was wir zurücklassen mussten, zu verbrennen.“
„Das weiß ich selbst, Bolo. Aber willst du etwa den Gouverneur selbst zur Verantwortung ziehen? Willst du, dass wir mit unseren jämmerlichen Waffen den Kampf gegen seine Killer aufnehmen?“
„Das können wir nicht“
„Nein, das können wir nicht. Aber wir können alles tun, damit unsere Frauen und Kinder nicht verhungern. Das ist unsere Pflicht. Wir nehmen uns nur, was wir brauchen, und schon bald, so hoffe ich, wird auch das nicht mehr nötig sein.“
Bolo Montana seufzte schwer. Was hätte er dagegen sagen sollen? Wusste er denn einen anderen Weg? Keiner von ihnen war mit Begeisterung dabei, wenn sie den Gringos, die fast genauso arme Schweine waren wie sie selbst das Wenige wegnahmen, was sie besaßen. Aber die Americanos hatten etwas, was sie ihnen nicht rauben konnten und mehr wert war als die armseligen Kleidungsstücke, die Lebensmittel und Werkzeuge, die sie in Tinayas Altas und Last Deal erbeutet hatten. Sie hatten eine Heimat, aus der sie kein geldgieriger, machthungriger Gouverneur vertrieb.
Der Gedanke an das erlittene Unrecht brachte auch Bolo Montanas Blut zum Wallen. Sein Körper straffte sich. Er packte den Knüppel fester und nickte Carlo Janos entschlossen zu. Dieser lächelte. Es war kein frohes Lächeln und auch kein grausames. Es wirkte gequält und doch unerbittlich.
Es waren acht Männer, die, die langen Schatten nutzend, auf die ahnungslose Siedlung Cabeza Prieta zuschlichen und sich gegenseitig durch Blicke und Gesten verständigten. Carlo Janos ging als Erster. Er trug eine abenteuerliche Schrotflinte, die eher als Abschreckung, denn als echte Waffe geeignet war.
In Cabeza Prieta war man dabei, den Tag zu beschließen. Die knusprigen Tortillas ließen die Mühen mit dem kargen Boden vergessen. In einigen Hütten wurde der Tisch gar durch das köstliche süße Dulce aus dem Kugelkaktus bereichert.
Die Campesinos unter Carlo Janos verspürten keinen Appetit auf Dulce. Sie erreichten die erste Hütte, vor der ein hagerer Mann gerade dabei war, zwei Maultiere, die stumpf vor einem Karren ausharrten, auszuspannen. Wie ein wütender Wirbelsturm fielen sie über den Ahnungslosen her. Carlo Janos stieß ihm den Lauf der Schrotflinte in den Rücken und zischte drohend: „Wenn du schreist, bist du ein toter Mann!“
Juan Diego stand neben seinem Anführer. Selbst ohne den Knüppel in seiner Faust hätte er furchtbar ausgesehen. Seine Nase war gebrochen, das breitflächige Gesicht von Narben entstellt. In seiner Heimat in Mexiko war er nie ein Schläger gewesen. Erst die brutale Behandlung durch die Pistoleros des Provinzgouverneurs und die schreckliche Zeit im Kerker hatten auch in seiner Seele Narben zurückgelassen. Er schwang seinen Knüppel, und der hagere Mann stöhnte auf. Wenn er an Widerstand gedacht hatte, so verwarf er diesen Gedanken schleunigst.
„Nehmt mir nicht die Tiere!“, jammerte er nur. „Ich besitze sonst nichts.“
„Du besitzt immer noch mehr als wir, Gringo“, sagte Carlo Janos mitleidlos. Er stieß den Mann durch die Tür in die Hütte und griff den beiden Maultieren ins Geschirr.
Jetzt war der Bann gebrochen. Die mexikanischen Bauern schwärmten aus und drangen gleichzeitig in mehrere Häuser ein.
Bolo Montana blieb bei dem erbeuteten Karren. Er hörte vereinzelte Schreie, das Kreischen von Frauen und Kinderweinen. Jedes Mal zuckte er zusammen, und er verfluchte den Gouverneur und seine Mördergarde, die sie zu solchem Tun zwangen.
Die Campesinos schleppten herbei, was sie an Brauchbarem fanden. Sie stahlen nichts Glänzendes und auch kein Geld. Was sie brauchten, waren vor allem Lebensmittel. Aber auch Wäsche und Töpfe fanden ihr Interesse. Sie besaßen ja so gut wie nichts. Sie hatten auf ihrer Flucht alles zurücklassen müssen, um wenigstens ihr nacktes Leben zu retten. Ihre Ansprüche waren bescheiden, aber sie waren wild entschlossen, dieses erbärmliche Leben zu verteidigen.
Als Bolo Montana die Hacken und Spaten sah, die Enno Rico und Pablo Santos aus einem Schuppen trugen, glänzten