Nach einigem Zögern lag die Tasche dann auf dem Tisch. Mit einer Hand hielt die Rancherin das Gewehr in Richtung von Clayburn und seinem Komplizen, mit der anderen öffnete sie eine Schnalle.
Drinnen war alles voller knisterndem Papier.
Es waren Dollars, keine wertlosen mexikanischen Pesos.
Die Rancherin hängte sich die Tasche über die Schulter.
"Sie haben meine Herde billig verkaufen lassen, Clayburn. Ich kann nur schätzen, wie viel hier drin ist, aber allem Anschein nach ist die Herde wohl mehr Wert gewesen! Ich denke, Sie haben nichts dagegen einzuwenden, wenn ich das hier mitnehme!"
Dann krachten an irgendeiner andern Stelle im Lager ein paar Schüsse, die alle Anwesenden zusammenzucken ließen.
34
Farley wusste, dass Rogers vermutlich der Schnellere der beiden sein würde.
Also konzentrierte er sich zunächst auf den Mann mit dem halben Ohr, dessen Hand sich blitzartig um den Revolvergriff gelegt und die Waffe herausgerissen hatte.
Farley wich instinktiv zur Seite und sah das Aufblitzen des Mündungsfeuers. Die Kugel ging dicht an der Schulter vorbei.
Farley selbst feuerte annähernd im selben Augenblick, wie sein Gegenüber.
Der Schuss krachte und fuhr Rogers in den Leib. Er sank zurück auf seine Decken.
Farley wirbelte blitzschnell zu dem großen Mann mit dem Doppelkinn herum, der aufgefahren war und ebenfalls seine Waffe gezogen hatte. Aber er kam nicht mehr zu Schuss. Farley erwischte ihn am Arm, so dass der Kerl schreiend seine Waffe fallenließ.
Draußen kam Bewegung auf.
Schnelle Schritte waren zu hören.
Unterdessen wälzte Rogers sich auf den Decken herum. Farley sah, wie er noch einmal die Waffe zu heben versuchte, während er sich mit der anderen Hand den Leib hielt. Dabei rann es ihm rot zwischen den Fingern hindurch.
Die Blutung war nicht aufzuhalten.
Das Halbohr ahnte, dass diese Kugel ihn töten würde. Aber es hatte den Anschein, als wollte er nicht allein ins Jenseits gehen.
"Tun Sie das nicht, Rogers - oder wie immer Sie sich jetzt nennen", sagte Farley ruhig.
Seine Hand zitterte, als er seine Waffe erneut hob.
Er spannte noch den Hahn.
Aber dann versagten seine Finger ihm den Dienst. Seine Augen erstarrten und er sackte tot zusammen.
Am Eingang des Zeltes wurde jetzt die Plane bei Seite gerissen. Von draußen drängten jetzt Männer mit gezogenen Waffen herein.
Farley warf sich zu Boden. Er wusste, dass keine Zeit sein würde, der ersten Salve der Wölfe zuvorzukommen.
Blei flog durch das Zeltinnere und zerfetzte die Plane.
Die Lampe, die von oben herunterhing, wurde zerschossen und dann geriet das Zelt in Brand. Es ging viel zu schnell, als dass irgendjemand es hätte verhindern können.
Farley rollte sich auf dem Boden herum und feuerte dann seine Winchester ab.
Zwei der Wölfe sanken getroffen zu Boden.
Dann rollte sich der Marshal erneut herum, wobei er den großen Sombrero verlor. Als er die Zeltwand erreicht hatte, warf er die Winchester bei Seite und riss er die lose Plane hoch. Dann rollte er sich hinaus.
Sekunden später befand er sich im Freien, während drinnen noch die Schüsse krachten.
Sofort war er wieder auf den Beinen. Er sah ein Mündungsfeuer aufleuchten, konnte gerade noch ausweichen.
Er riss den Colt heraus und schoss zurück.
Ein Schrei gellte durch die Nacht. Farley wusste nicht, wie wie schwer er sein Gegenüber getroffen hatte, das plötzlich aus der Dunkelheit gekommen war.
Farley spurtete davon.
Am Lagerfeuer war die gute Laune längst verflogen. Die Wölfe starrten verwirrt in die Nacht. Die meisten von ihnen hatten noch gar nicht recht begriffen, was hier geschehen war.
Unterdessen züngelten Flammen am Zelttuch empor. Bald schon würde es auf das gesamte Lager übergreifen und die Nacht zum Tag machen.
35
"Ich denke, Sie wissen, was die Schüsse bedeuten!", meinte Clayburn mit sichtlichem Triumph im Gesicht.
Er wechselte mit dem anderen Mann einen kurzen Blick und dann grinsten sie.
Clayburn erhob sich und sein Komplize ging einen Schritt zur Seite, dorthin, wo sein Revolvergurt am Boden lag.
"Zurück!", schrie die junge Rancherin.
"Geben Sie auf, Lady!"
Draußen schien die Hölle los zu sein. Es knisterte verräterisch. Da schien ein Brand ausgebrochen zu sein.
Dann glaubte sie, dass ihr Augenblick gekommen sei. Es waren zwei Dinge, die gleichzeitig geschahen.
Clayburn schnellte hinter dem Tisch hervor nach vorn, während sich sein Komplize in einem Hechtsprung zu Boden warf, um seinen Colt zu erreichen.
Laura reagierte eine Nuance zu langsam.
Während sie den Gewehrlauf herumwirbelte, hatte Clayburn bereits seine Arme um ihren Hals gelegt und würgte sie nun mit der Kette, die die beiden Handschellen verband.
Ein Schuss löste sich aus ihre Waffe, ging aber ins Leere.
"Nicht schießen, Ed!", rief Clayburn seinem Komplizen zu, der seine Waffe aus dem am Boden liegenden Revolvergurt gezogen und hochgerissen hatte. "Wenn es ein Durchschuss wird, dann bin ich auch dran!"
Ed stand auf und nickte.
"Wie Sie wollen, Boss."
Dann trat er heran und setzte die Waffe seitlich an die Schläfe der jungen Rancherin, während Clayburn sie mit roher Gewalt festhielt.
Sein eiserner Griff ging jetzt um ihren Oberkörper und ihre Arme. Sie konnte sich nicht bewegen, obgleich sie verzweifelt versuchte, sich loszureißen
Ed spannte den Hahn und Clayburn nickte.
"Mach ein Ende mit ihr!"
36
Ein Schuss krachte, aber er kam nicht aus Eds Waffe.
Ein Ruck ging durch den Körper des Banditen, seine Augen waren starr geworden.
Farley hatte das nicht weiter am Boden befestigte Zelttuch hochgerissen und war darunter hergetaucht.
Sekundenbruchteile nur waren vergangen, bis er die Lage erkannt und gehandelt hatte.
Sein Colt rauchte noch, als er nach vorn schnellte und Clayburn die Waffe an den Kopf hielt.
"Loslassen!"
Clayburn schluckte.
Er zögerte eine Sekunde. Dann entspannte sich seine Körperhaltung und er gehorchte.
"Ich dachte schon es wäre aus!", meinte Laura sichtlich erleichtert. "Danke!"
"Vergessen Sie's, Miss!"
Farley wollte keine Zeit verlieren.
Er packte Clayburn von hinten am Kragen und schob ihn vor sich her.
"Vorwärts!", zischte er.
"Was glauben Sie wohl, was gleich passiert?", meinte Clayburn. "Einen Schritt nur vor das Zelt..."
Farleys Stimme klang eisig.
"Lassen Sie das ruhig meine Sorge sein."