Schwabinger G'schichten. RAMSES III. (Wolfgang Kramer). Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: RAMSES III. (Wolfgang Kramer)
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783748211976
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er, und er war Spross aus einer Dortmunder Altbierbrauerei gleichen Namens.

      Altbier war zu dieser Zeit Ende der 60er in ganz Bayern kaum oder gar nicht bekannt.

      Der Peter bot an, vom nächsten Besuch in seiner Heimat ein kleines Fass Altbier zur Probe mit zu bringen. Und so geschah es.

      Es wurde verkostet, und erstaunlicherweise fand es großen Zuspruch, zunächst mal bei der "Zirbel" Klientel.

      Axel, der Wirt, war aufgeschlossen genug, um Altbier sofort in sein Getränkeangebot aufzunehmen, und es dauerte nicht lange, da wurde es fast in jeder Pilskneipe alternativ angeboten.

      Das "Alt" fand seinen Weg auch über die Grenzen Schwabings hinaus und war bald in der ganzen Stadt verbreitet. Dieser Trend hielt sicherlich um die zwanzig Jahre an, hat sich dann aber schleichend und unauffällig wieder verabschiedet.

      Heutzutage gibt es nur noch wenige Kneipen, in denen "Alt" ausgeschenkt wird.

      Die "Zirbel" war über längere Zeit so was wie die "Zentrale" für uns eingefleischte Schwabinger. Es war wie Party jeden Tag, und der Flirtfaktor war sehr hoch.

      Da hatte ich auch mal eine Favoritin, eine gewisse Uschi, bei der ich allerdings nicht landen konnte. Sie hatte etwas Feines, Elitäres an sich, ohne aber arrogant zu wirken, und ich nannte sie "mein Augenstern". Sie war auch immer sehr lieb und nett zu mir, aber das war's schon.

      Erst Jahre später sollte ich aus der Klatsch presse erfahren, dass sie die Prinzessin Uschi zu Dohna, spätere Hohenlohe war.

      Als ich sie circa 30 Jahre später auf einer Party wieder traf, sprach ich sie an, und obwohl sie mich nicht gleich erkannte, konnte sie sich erinnern, dass ich sie früher "Augenstern" genannt hatte, und wir amüsierten uns köstlich darüber.

      Sie war auch jetzt noch nicht überheblich oder arrogant. Eine sehr angenehme Lady, und sie sieht auch heute noch sehr attraktiv aus.

      Aber die größte Favoritin der Zirbelgäste war wohl die Inge!

      Inge war die Bedienung der "Zirbel". Irgendwann wusste ich auch mal ihren Nachnamen, aber sie war einfach nur die "Zirbel Inge".

      Später hat sie in den "Bierkeller" gewechselt, wodurch sie dann zur "Kellerassel" mutierte.

      Die Inge war eine sehr süße, sehr hübsche Blondine, sehr verbindlich und scheinbar immer gut drauf. Sie lächelte immer und war zu jedem Gast sehr freundlich.

      Mir drängte sich der Eindruck auf, dass sämtliche Jungs, die in Schwabing unterwegs waren, auf sie standen, was wohl ein zusätzlicher Faktor war, weshalb die "Zirbel" so beliebt und stark frequentiert war.

      Eines Tages lud Inge ein zu einer Party anlässlich ihres Geburtstages. Sie lud nicht nur die Männer ein, sondern ausdrücklich "mit Begleitung"!

      Natürlich war auch ich von Inge angetan, und so lief ich mit einem enormen Blumenstrauß auf der Party ein.

      Es stapelten sich so um die 40 Leute in ihrer kleinen Wohnung, aber "Leute" ist die falsche Bezeichnung, denn es waren NUR Männer da! Keiner hatte eine weibliche Begleitung mitgebracht, da jeder bei Inge landen wollte, und so war Inge die einzige Frau auf der Party.

      Alle hatten Blumen mitgebracht, und mir blieb nur der schwache Trost, dass mein Blumenstrauß der größte war.

      Da mein Wirkungskreis hauptsächlich Schwabing war, ergab es sich zwangsläufig, dass ich Inge auch tagsüber begegnete, so auch im "Occam".

      Eines Tages sprach sie mich darauf an, ob ich denn am Abend mit ihr tanzen gehen würde.

      Wir hatten schon öfter zusammen getanzt, wenn wir uns im "Piper Club" getroffen hatten, aber immer sehr unverbindlich.

      Aber das hier war ja ein richtiges Date, und ich sagte natürlich hocherfreut zu.

      Ich werde es nie vergessen – wir gingen in Stonys "Club 28", der am Pündter Platz gelegen war. Das war zu der Zeit ein sehr angesagter Club.

      OK, wir waren platziert und hatten Getränke vor uns, aber es wollte keine Unterhaltung zustande kommen. Es wurde immer zäher, und es war nur erträglich, wenn wir tanzten, denn da mussten wir nicht reden, die Musik war ohnehin zu laut dafür.

      Jedenfalls stellte ich fest, dass wir nicht den Anflug eines "Drahtes" zueinander hatten!

      Und dieses Date sollte auch das einzige bleiben, das wir hatten. Ich hatte nicht mal im Anflug den Wunsch, mit ihr zu schnaxeln. Sie erschien mir plötzlich absolut "sexless" zu sein.

      Aber sie schien das nicht weiter zu tangieren, wir blieben trotzdem "Spezln", und später wurden wir auch Kollegen, als ich im "Popcorn" arbeitete.

       -X.-

      Eines Morgens, es war Fasching, und alle "Überständigen" trafen sich nach durchzechter Nacht im "Drugstore" am Wedekind platz. Der öffnete damals bereits um 7 Uhr zum Frühstücken. Maskiert waren wir zwar nicht – das hatten wir auch nicht nötig – für uns war das ganze Jahr über Fasching, denn es war die Zeit, in der man alles anzog, wonach einem war. Wollte man aussehen wie ein Cowboy – kein Problem, man zog sich eben so an. Oder wollte ein Mädel aussehen wie eine Haremsdame, auch kein Problem – zog sie eben ein Schleiergewand an. Das war in Schwabing "normal", kein Mensch drehte sich nach einem um.

      Wir verbrachten also den Vormittag zechend im "Drugstore" und warteten ungeduldig auf "High Noon", denn da machte das "Occam" auf. Endlich war es so weit, und wir pilgerten die hundert Meter vor in der Occamstraße. Wir standen vor verschlossener Tür! Der "Michi" hatte wohl verschlafen. Lange währte unsere Geduld nicht, und weil wir alle ohne Ausnahme angesoffen und durstig waren, überlegten wir, was als Alternative in Betracht kam. Da war noch das Café "Schwabinger Nest" in der Leopold Straße, nahe Ecke Franz-Josef-Straße. Der "Berliner Friedl" hielt ein Taxi auf, um dorthin zu fahren, obwohl es nur ein Fußweg von ca. 5 Minuten war. Als noch einige zusteigen wollten, winkte er ab: Nö-nö, das is meins! Sofort war die Idee geboren, dass sich jeder sein eigenes Taxi einfing. Zum Leidwesen der armen Taxifahrer! Die waren natürlich stocksauer über den "Mini-Stich".

      Wir waren so viele, dass das "Nest" praktisch voll war ausschließlich mit unseren Leuten, außer ein paar "Fremdkörpern". Unserem Zustand entsprechend waren wir sehr laut, möglicherweise auch unflätig, und was so alles zu einem g'scheiten Rausch gehört, wodurch wir die paar seriösen Gäste in die Flucht trieben. Sehr zum Ärgernis des Betreibers. Also wollte man uns der Lokalität verweisen, aber weit gefehlt! Nachdem ein kollektives Lokalverbot ausgesprochen wurde, ging ein unglaubliches Gelächter los. Wie wollte man uns denn rausschmeißen??? Wir gehörten schließlich alle zusammen? Also biss der Wirt in den sauren Apfel und akzeptierte zähneknirschend wenigstens den Umsatz, den wir machten.

      Hauptpächter der "Zirbelstube" war der Dieter Hartmann. Er war ein "Dachauer Moosbummerl", eigentlich Schreiner von Beruf, aber seine Berufung war es, "Mr. Schwabing" zu werden.

      Nachdem sein Erstling, die "Zirbel", von Erfolg gekrönt war, machte er eine Kneipe nach der anderen auf. Sein Konzept war denkbar einfach, aber genial. Er pachtete alte Kneipen oder Wirtschaften an und umging die mit hohen Kosten verbundene Neukonzessionierung dadurch, dass er die Läden nach und nach umbaute bzw. umgestaltete, ohne sie jemals wegen Umbaus länger zu schließen. Sein Stil war bayrisch-urig und kam damals sehr gut an. Er wollte möglichst alles aufkaufen, was in Schwabing zu haben war, wurde aber dann doch gottlob ausgebremst, sonst hätten wir nur noch bayrische Kneipen bekommen.

      Aber er wurde ja eh als "Großgastronom" quasi abgelöst, vom Schwägerl und von den Samy Brüdern.

      In Schwabing konnten alle "Halbirren" ihre Spleens ausleben. Nicht von ungefähr hat bereits Fanny Gräfin zu Reventlow für den Wedekind Platz den Begriff "Platz der sanften Irren" geschaffen, und für Gesamtschwabing den Namen "Wahnmoching". Das war bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts, sie starb schon 1918. Auch sie war keine "gebürtige" Schwabingerin, sondern eine Preußin. Trotzdem wurde sie zur "Schwabinger Gräfin" oder auch "Skandal Gräfin" der Münchner Boheme. Sie war Schriftstellerin, Malerin und Übersetzerin.

      Solche "sanften