Allerdings war das "Heipfeln" zu dieser Zeit ziemlich weit verbreitet, und etliche der Jungs machten reichlich Kohle damit, fuhren dicke Autos und waren allgegenwärtig in der Schwabinger Kneipen-Szene.
Den Maximilian habe ich etliche Jahre danach rein zufällig auf einer Geburtstagsparty wiedergetroffen. Es war bei einer alten Freundin von mir, die es in die "höheren Etagen" des Bertelsmann Verlages geschafft hatte. Wir unterhielten uns über Max, und sie erzählte, dass er zwar der beste Verkäufer im Hause war, aber auch die meisten Stornos zu verzeichnen hatte.
Somit war klar, dass er seine Verkaufstaktik nie geändert hatte.
Dabei fällt mir noch so ein Versuch ein, seriöse Arbeit zu verrichten. Aber wie ich nach nicht allzu langer Zeit kapierte, war auch das nur ein linker "Drücker" Job.
Aber anfangs klang es doch recht seriös.
Ich bewarb mich auf eine Zeitungsannonce und wurde erst mal auf eine Schulung nach Lenggries geschickt und zwar ins Hotel zur Post. Das hört sich doch gut an, oder?
Als ich dort einlief, war noch kein "Verantwortlicher" anwesend, lediglich ein paar andere Aspiranten. Es wurden uns Zimmer zugewiesen, und das war's erst mal.
Was jetzt? Na was schon – einen trinken, natürlich!
OK, es wurde ein ausuferndes Saufgelage, und ab einem gewissen Zeitpunkt hatte ich Filmriss!
Am nächsten Morgen sollte das "Seminar" um acht Uhr losgehen.
Etwa um zehn wachte ich auf – nicht in meinem Zimmer! Ich bemühte mich nicht zu rekapitulieren, wie ich da hin kam – ich hatte eh keine Erinnerung mehr, ich war ohnehin noch halbwegs besoffen.
Allerdings war keine Frau im Spiel gewesen.
Nachdem ich Toilette gemacht hatte, begab ich mich endlich nach unten in den Speisesaal, der für das Seminar vorgesehen war.
Lautes Gelächter empfing mich, offenbar hatte ich am Abend zuvor für reichlich Belustigung gesorgt, woran ich nicht die geringste Erinnerung hatte!
Die ganze Gruppe mitsamt Schulungsleiter hatte tatsächlich zwei Stunden gewartet, bis ich geruhte, aufzutauchen.
Jetzt ging's los!
Zunächst sollte jeder einen kurzen Lebenslauf erzählen, vermutlich um die Rhetorik der einzelnen Teilnehmer zu testen. Und logischerweise war ich als erster dran.
Wie gesagt – ich war immer noch ziemlich besoffen.
Um es vorweg zu nehmen – die anderen sprachen im Schnitt etwa drei Minuten – ich aber (!) – ich erzählte so ungefähr über jede einzelne Schandtat meines Lebens ausführlich, und das dauerte rund 45 Minuten.
Es war ein voller Erfolg – die Jungs bogen sich vor Lachen, und meine Ausführungen wurden auch noch auf Tonband aufgenommen.
Es wurde mir später vorgespielt, und ich wollte nur noch im Erdboden versinken, als ich das hörte!
Na ja, wie gesagt, nach einigen Tagen wurde mir klar, dass auch dieser Job unseriös war.
Die Tätigkeit wäre gewesen, einen Sch reib maschinenkurs zu verkaufen, was ja noch absolut seriös klingt, aber der Haken dabei war, man musste zum Kurs auch noch eine Schreibmaschine verkaufen! Und das war ja nun wirklich Abzocke!
Ich habe es tatsächlich geschafft, bei einem einzigen möglichen Kunden vorstellig zu werden, aber der hatte bereits eine Schreibmaschine. Wie also soll man so jemandem eine zweite andrehen?!
Die Leute waren aber sehr nett und luden mich auf einen Drink ein, gefolgt von einer Menge weiterer, und so verbrachte ich einen ganzen Nachmittag bei meinem einzigen "Kunden", bevor ich total betrunken deren Haus verließ – natürlich ohne Auftrag!
Und das war's dann auch schon mit diesem Job, und ich verabschiedete mich von dem Initiator.
Das war gar nicht so einfach. Zu meinem großen Missfallen verfolgte mich dieser noch monatelang telefonisch. Er dachte wohl, ich müsste ein Verkaufsgenie sein aufgrund der ausführlichen Schilderungen meines "Lebenslaufs" bei dieser Schulung.
Sicher war er der Meinung, wenn jemand so reden kann wie ich, der muss ein geborener Verkäufer sein.
Dabei bin ich doch SCHÜCHTERN…!!!
Dies war aber dann wirklich mein letzter Versuch, in diesem Metier Fuss zu fassen.
- VIII. –
Eine der bedeutendsten Anlaufstellen der 60er Jahre war der "Hahnhof" in der Leopoldstrasse, dort, wo heute das Steak-Restaurant "Blockhouse" residiert, nahe beim Siegestor.
"Hahnhof" war eigentlich ein Pfälzer Weingut, das auch Weinstuben betrieb, wovon mehrere in der Stadt verteilt waren, die alle gut liefen, aber dem Laden in Schwabing konnte kein anderer das Wasser reichen.
Im "Hahnhof" kostete der billigste Wein, der "la", 90 Pfennige! Es stand immer ein volles Brotkörbchen auf den Tischen, und das Brot kostete NICHTS! Dadurch wurden zahllose Studenten vor dem "Hungertod" bewahrt. Das "Studentenfrühstück" wurde zur Legende und Kult: Ein Schoppen la und ein Korb Brot - mit Senf! Dementsprechend jung und jugendlich war das Publikum und somit auch immer ein hoher Flirt- und Aufreißfaktor geboten.
Der "Hahnhof" war lange Jahre Kult.
Es kam die Zeit, als die Kneipenszene von "Altschwabing" anfing, richtig zu boomen. Es entstanden mehr und mehr Kneipen, fast in jedem Haus in der Occamstrasse eine und auch in den angrenzenden Strassen.
Schwabing hat gebrodelt, da hat der Bär gesteppt! Eigentlich konnte man keinen Fehler machen, wenn man eine Kneipe aufmachte – alle liefen wie von selbst.
Natürlich gab es vereinzelt dann doch hier und dort eine Kneipe, die nicht lief, aber daran waren die Betreiber wirklich selber Schuld.
Also hat auch Walter Novak zunächst seine zweite Kneipe eröffnet, das "Occam-Pils", und bald kam die dritte dazu, das "New Haimhouse", wie bereits erwähnt. Alle drei Kneipen waren im selben Haus.
Walter hatte mir vor dem "Haimhouse" bereits das "Occam" zur Pacht angeboten, was ich auch schon ablehnte, es sollte schließlich "nur" ein Stehausschank werden! Dass es eine absolute Goldgrube werden sollte, konnte ja niemand ahnen. Also wollte ich es nicht!
Ein weiterer grober Fehler war auch, als mich Christian Bruhn ansprach in Sachen Musik, das war noch in den 60ern. Der Christian war zum einen ein alter Freund von Walter Nowak und des weiteren ein Hitproduzent dieser Ära. Er hat Hits geschrieben, die bis heute bekannt sind, wie zum Beispiel, "Marmorstein und Eisen bricht", oder "Zwei kleine Italiener" – Schlager halt. Er hat sich dann im Lauf der Jahre auch als Aufsichtsratvorsitzender der GEMA etabliert.
Christian kam unregelmäßig, aber ziemlich oft ins "Schwabinchen" auf Talentsuche. Und eines Abends fragte er mich, wie es denn bei mir mit deutschen Texten aussehen würde (ich sang nur englisch).
Ohne zu ahnen, dass ich später tatsächlich als Musiker meine Brötchen verdienen würde, aber zu dieser Zeit immer noch in Vaters Firma verankert, entgegnete ich mit ignoranter Arroganz: "Christian, den Scheiß, den Du produzierst, singe ich nicht"! Wenn ich es nur geahnt hätte – es wäre noch mal ein Sprungbrett gewesen… ! Aber mei…!
Aus dem "Schwabinchen" habe ich mich dann irgendwann zurückgezogen, weil ich Ärger mit Walter bekam. Er löste mir mal einen Scheck von meinem Vater ein, den dieser aber hatte sperren lassen, was ich nicht ahnen konnte. Als ich es bemerkte, hielt ich mich aus purer Feigheit vom "Schwabinchen" fern, anstatt es mit Anstand zu regeln.
Erst circa zehn Jahre später sollte ich zurückkehren und dann auch diese lästige, schon lange überfällige Angelegenheit klären.
Ins "Occam Pils" wagte ich mich rein, denn Walter Nowak hatte es ja verpachtet und war nie anwesend.
Das "Occam Pils" sollte zwar nur ein Stehausschank sein, aber