Schwabinger G'schichten. RAMSES III. (Wolfgang Kramer). Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: RAMSES III. (Wolfgang Kramer)
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783748211976
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entweder mit Damenfrisur, lang, oder Herrenfrisur, kurz, auch in unterschiedlichsten Farben. Ich glaube, kein Mensch weiß, oder hat je gesehen, was da drunter war??? Wir waren immer der Annahme, dass er selbst nicht genau wusste, ob er Manderl oder Weiberl war. Er empfand sich als Künstler, vor allem als Sänger. Zeitweise verkaufte er die "Abendzeitung" nachts, vorrangig in Kneipen, und wenn er unter anderem auch im "Schwabinchen" auftauchte, wurde er ans Mikrofon gebeten, was als Gag gedacht war, nur mit dem Effekt, dass er nicht mehr auf hören wollte zu singen. Und sein Gesang war schrecklich, obwohl sein Stimm-Material eigentlich gut war! Er sang Arien, oder besser, er versuchte es, aber tatsächlich und leider war das sehr schrill, und er traf keinen einzigen Ton richtig.

      Es gab noch einen "Abendzeitung" Verkäufer, den Hamberger Franzi. Der aber war ein echtes Original. Er war Geräuschimitator und konnte die unterschiedlichsten und skurrilsten Stimmungen und Stimmen imitieren. Wenn er ans Mikrofon gebeten wurde, machte er jeweils ein gutes Geschäft, denn es wurden ihm sofort alle seine Zeitungen abgekauft. Er zierte sich zwar immer, aber ich denke, das war nur Show. Er hatte Themen wie etwa "Stimmung auf dem Bauernhof" oder die unterschiedlichsten Flugzeuggeräusche, vom Hubschrauber bis zum Jet, aber das genialste war sein "Reichsparteitag". Er betonte immer, dass er das nicht dürfe, und uns ging es dabei nicht um Politisches, oder dass wir etwa braune Sympathien gehabt hätten – nein, es war einfach unglaublich, wie er mit einer zum Trichter gerollten Zeitung am Mikrofon Hitlers Stimme imitieren konnte und auch das Geschrei von Tausenden Menschen dazu.

      Eine sehr witzige Figur war eine ältere Frau von der Heilsarmee. Sie lief oft durch alle Schwabinger Kneipen, in Heilsarmee-Uniform natürlich, und bat um Spenden, wobei sie auch die Vereinszeitung "Kriegsruf" feilbot. Sie war immer besoffen, zumindest, wenn sie im "Schwabinchen" auftauchte. Wer weiß, wo sie vorher schon war. Offensichtlich wurde sie in jeder Kneipe abgefüllt, und wir machten uns einen Spaß daraus, auch sie ans Mikrofon zu zerren. Sie gab dann jeweils ein Lied der Heilsarmee zum Besten, immer dasselbe, das war irgend so was wie "Lass' den Sonnenschein herein". Sie hatte eine Zahnprothese, die offensichtlich zu locker saß, denn sie fiel ihr beim Singen immer herunter, worauf sie mit der Unterlippe wieder nach oben geschoben wurde.

      Das sah umwerfend komisch aus. Der Gesang war sehr schräg, und wegen ihrer Prothese kam der Text nur als Lispeln und Nuscheln hervor.

      Eigentlich gemein, was wir da machten, aber wir kringelten uns vor Lachen.

      Eine konstante Größe im Schwabing dieser Zeit war die – zu dieser Zeit möglicherweise einzige – Rosenverkäuferin der ganzen Stadt. Lange bevor dieses Geschäft von der sogenannten "Rosenmafia" übernommen wurde.

      Das war die Johanna.

      Sie war eine seriöse, stattliche und gutaussehende Frau, man konnte sie ruhig als Dame bezeichnen. Sie war wirklich imposant, denn sie war sicher an die einachtzig groß! Stets hatte sie ein elegantes graues Trachtenkostüm an, und sie wurde immer in einem Mercedes 220 vorgefahren. Der Chauffeur war vermutlich ihr Freund. Sie hatte immer wunderschöne Rosen, nicht so a "G'lump", wie es später von den Pakistani verkauft wurde. Und aus diesem Grund hatte sie auch in den besten Kreisen Zutritt und jede Menge Kundschaft.

      Also, selbst dieses Gewerbe hatte damals noch keinen schalen Beigeschmack!

      Der Luber Sigi war zwar nicht gerade ein Original, aber ein gutes Beispiel dafür, wie positiv sich der Genuss von "Pot" auswirken kann.

      Der Sigi war in den 60ern bis Anfang der 70er berüchtigt und gefürchtet als einer der bösesten Schläger der Stadt. Er war von Haus aus aggressiv und ging keinem Ärger aus dem Weg, im Gegenteil, er zettelte auch gerne an.

      Hier ein Beispiel, das ich noch in Erinnerung habe:

      Es passierte bei einem Frühschoppen im "Doktor Flotte". Der Sigi sollte enfernt werden, weil er ständig grundlos Leute anstänkerte, und so fanden sich ein paar Jungs, die sich seiner an nehmen wollten. Der Michi Kahn und sein Onkel und bester Freund Werner Schüler waren auch darunter.

      Sie waren zu fünft, und der Sigi war solo. Aber wer nun dachte, dass diese Aktion einfach gewesen wäre, liegt falsch! Der Sigi ließ sich nicht so einfach entsorgen. Er war ein echtes Tier! Obwohl man ihn leicht unterschätzen konnte, denn er war höchstens 1,60m groß, allerdings recht kompakt.

      Also entbrannte eine heftige Schlägerei, und alle fünf Jungs bekamen von Sigi die Hucke voll! Nach einiger Zeit gelang es dann, ihn aus dem Lokal zu bugsieren, aber Sigi war noch lange nicht fertig, und so ging die Prügelei vor dem "Flotte" weiter.

      Endlich, nachdem man Sigis Kopf heftigst an geparkte Autos geschmettert hatte, schien er aufzugeben.

      Die Jungs waren ziemlich heftig zugerichtet und gingen wieder ins Lokal.

      Aber kurz drauf konnten sie durchs Fenster sehen, wie sich Sigi wieder erholt hatte und erneut ins Lokal stürmte. Er war wie ein Steh-auf-Männchen!

      Und so ging das Ganze von vorne los, bis endlich jemand die glorreiche Idee hatte, die Bullen zu rufen.

      Die kamen dann auch gleich mit vier Einsatzwagen und versuchten Sigi zu stoppen. Aber sogar vor den Polizisten machte Sigi nicht halt! Er ging auf sie los und verprügelte sogar die noch, bis schließlich eine Übermacht von insgesamt elf ausgewachsenen Männern es schaffte, ihn nieder zu zwingen.

      Das hat sich dann schlagartig geändert, als er die ersten Joints probierte. Der Sigi wurde umgänglich! Plötzlich schlug seine Aggressivität um in Gutmütigkeit, er entdeckte die Musik, war auf einmal "Headbanger" und mutierte schließlich sogar zum DJ! Also sag' mir ja keiner, Haschisch wäre etwas Negatives. Leider hat ihn zu früh der Krebs dahin gerafft.

      Er war auch eine Zeit lang Türsteher im "Tiffany's" an der Münchner Freiheit. Das war zwar bereits in seiner "geläuterten" Zeit, aber dort musste er sich dann des Öfteren nur noch aus "beruflichen" Gründen prügeln. Da hat er auch mal mühelos fünf Zuhälter fertig gemacht.

      Aber privat war er nur noch friedlich.

      Man hat ja immer gesagt, Schwabing sei die Heimat der "sanften Irren".

      Da kam mir mal der Gedanke, dass doch eigentlich die Irren die Normalen sind!

      Wenn man es genau betrachtet!

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