Inzwischen hatte sich wohl Marlene an mich gewöhnt und wich nicht mehr von meiner Seite – einfach herzig, das Mädel!
Nach etwa einer Stunde war ich auf einen Schlag wieder fit! Es war, als ob ich aus einem Traum aufgewacht wäre. Und los ging's! Ab sofort wurde wieder gesoffen, und alles war paletti.
Zu dieser Zeit jobbte ich in der "Occam Beerhall" als Zapfer und war auch an diesem kommenden Abend zur Arbeit eingeteilt. Alle machten Witze darüber, und keiner wollte glauben, ich würde abends fit genug sein, um zu arbeiten. Also forderte ich die Lästermäuler auf, eine Wette einzugehen – um ein Fass Bier! Ein 50 Liter Fass! Die Wette wurde besiegelt, und gespannt harrten sie der Dinge, die da kommen würden, und natürlich auf den vermeintlichen Gewinn und mein Scheitern. Ich überstand die Floßfahrt, und da wir bereits um ca. 16 Uhr in Thalkirchen an der Floßlände ankamen, war noch Zeit für eine Maß im Augustiner Biergarten.
OK, ich trat meinen Dienst an, ich glaube mich zu erinnern, dass wir um 19 Uhr öffneten, und es kam noch eine Erschwernis zu meinem Superrausch dazu – meine Badelatschen gaben den Geist auf, und aufgrund meines Zustands zerdepperte ich mehrere Gläser, sodass ich mit nackten Füssen in den Scherben hinter der Theke herum lief. Aber ich spürte es kaum noch. Erst am nächsten Tag holte ich mit der Pinzette die kleinen Glasfragmente aus meinen Fußsohlen – ach ja, mit Hilfe von Marlene, bei der ich dann erstaunlicherweise aufgewacht bin. Ob da noch was gelaufen war, konnte ich nicht mehr eruieren!
Jedenfalls hatte ich völlig unversehens eine neue Freundin. Sie war zwar total in Ordnung, aber wie sich ganz schnell herausstellte, war sie zu anhänglich. Sie klammerte! Also habe ich dieses Intermezzo nach wenigen Tagen wieder beendet.
Meine Wette hatte ich übrigens mit Bravour gewonnen!
Ich weiß nicht mehr, wer so verrückt war, in Schäftlarn am Isarkanal dieses ominöse Open Air Besäufnis zu organisieren?
Vor allem der auserwählte Platz, an dem das Ganze stattfand, war höchst sonderbar! Er war ungefähr schräg gegenüber dem Gasthaus "Zum Bruckenfischer", das direkt am Isarkanal liegt. Der Platz war winzig klein und auf drei Seiten von Bäumen umgeben, die vierte Seite war der Kanal.
Es gab Bier, einen Grill, und für die Musik sorgten die damals ziemlich gefragten "New Orleans Hot Dogs". Die spielten Dixieland Jazz, größtenteils mit bayrischen Texten. Das kam zu der Zeit sehr gut an.
Sie spielten in dieser Zeit jeden Freitag und Samstag in der "Waldwirtschaft" in Großhesselohe, und der Saal, in dem sie spielten, war regelmäßig bis zum letzten Platz ausgebucht. Sie waren also wirkliche Platzhirsche.
Der Zulauf zu diesem "Isarfest" war enorm! Und es wurde eng! Es war einfach nicht zu verstehen, wieso gerade dieser Platz ausgewählt wurde? An der Isar gibt es hunderte von Möglichkeiten, ein Fest zu feiern, wo uneingeschränkt viele Leute Platz finden. Aber diese Location war durch den Baumbestand so begrenzt, dass die Gäste so dicht gedrängt stehen mussten wie im "Occam Pils" zur Stoßzeit! Man konnte kaum sein Bierglas zum Mund führen! Und – wie nicht anders zu erwarten, fielen mit zunehmendem Alkoholkonsum immer mehr Leute in die kalte Isar! Das war wenigstens lustig!
Ich weiß noch – der Kanal ist ja nicht sehr breit, und so konnte ich hören, wie auf der gegenüberliegenden Seite, ein etwa vierjähriger Junge beim Spazierengehen mit seinen Eltern den Papa fragte: "Was machen die da"?
Gute Frage, dachte ich bei mir – das frage ich mich auch?
- VIX.-
Der "Jackl" Lösch, genannt "Giacomo", war auch ein lustiger Typ. Er war Architektensohn aus Grünwald. Ob er was gelernt hat, also einen ordentlichen Beruf hatte, habe ich nie erfahren. Er war eben da – in Schwabing!
Aus einem skurrilen Grund konnte er nicht mehr zurück in sein Elternhaus, und das kam so:
Er war verlobt mir einer Türkin aus gutem Haus, was damals um 1970 rum noch ziemlich exotisch war. Ihr Vater war beim türkischen Zoll, und zwar in höchsten Diensten.
Jedenfalls schwängerte der Jackl sie, war aber nicht bereit, sie auch zu heiraten! Das war natürlich höchst ehrenrührig – damals, sowie auch heute noch – für eine türkische Frau.
Womit Giacomo allerdings nicht gerechnet hatte, war, dass ihre gesamten männlichen Verwandten, Brüder und Cousins, in Grünwald auftauchten und ihn zur Ehe zwingen wollten.
Der Jackl bemerkte noch rechtzeitig, was ihn erwarten würde, als die Sippe vor der Tür seines Elternhauses stand, und verschwand schnurstracks durch ein Hinterfenster. Das war's - er wagte sich nie wieder nach Hause! Und so wurde er zum eingefleischten Schwabinger!
Er soff nicht schlecht – Unmengen von Bacardi-Cola, und er hatte eine sehr wunderliche Angewohntheit, wenn er prall war, wie wir eines Abends feststellen konnten.
Wir bereiteten uns auf ein Rock Konzert vor – Fleetwood Mac war angesagt, und um uns einzustimmen, wollten wir vorher noch einen Joint rauchen. Jackl wohnte gegenüber vom "Occam", und so gingen wir rüber in seine Bude.
Ich war zu der Zeit der Einzige in unserem Dunstkreis, der einen Joint drehen konnte, einmal zugeschaut, und schon konnte ich es. Also drehte ich den ersten Joint, und wir rauchten. Offenbar wirkte das Zeug bei den anderen nicht so schnell wie bei mir, und so wurde ein zweiter Joint verlangt.
Da ich bereits stoned war, schien es mir wie Schwerstarbeit, den zweiten zu drehen, aber ich schaffte es.
OK – von wegen, er wirkte nicht!!! Plötzlich stand der Jackl auf und wollte zum Bieseln. Allerdings verwechselte er die Türen und öffnete die von seinem Kleiderschrank, anstatt aufs "Häusl" zu gehen! Wir konnten ihn gerade noch rechtzeitig davon abhalten, rein zu pinkeln.
Diese Angewohnheit sollte er noch öfter wiederholen, auch mit Erfolg – es war eben eine seiner skurrilen Macken! Dieser Abend wurde noch recht wunderlich! Außer dem Jackl schienen die anderen Beteiligten tatsächlich nicht viel Wirkung der Joints zu fühlen, ich aber war total hinüber. Ich war von Haus aus sehr sensibel für dieses Zeug, ich brauchte nicht viel davon.
Wir fuhren also zum Zirkus Krone Bau, wo das Konzert stattfand. Der Andy Schlapa war auch dabei, und ich war so stoned, dass ich mich an seinen "Rockzipfel" klammerte wie ein kleines Kind. Ich fühlte mich so verloren – ich wusste überhaupt nicht, was passierte, und wo ich war.
Andys Rockzipfel ließ ich nicht mehr los, und so schleppte er mich rein in die Halle. Ich sah einen freien Platz, auf dem ich mich unverzüglich niederließ. Die anderen – ich glaube, wir waren zu viert – suchten nach einem ordentlichen Platz, weiter oben, mit guter Sicht auf die Band, aber das war mir wurscht – ich saß, Gott sei Dank! Leider konnte ich von der Band praktisch nichts sehen, weil mir die Lautsprechertürme die Sicht total versperrten, aber ich war zu stoned, um einen besseren Platz zu suchen, und so verlor ich meine Begleiter aus den Augen.
Als das Konzert vorbei war, war auch die Wirkung der Joints verflogen, und ich verließ die Halle, wieder ausgenüchtert. Ich suchte meine Kumpane, beziehungsweise wartete ich vor dem Krone Bau auf sie – vergeblich. Also schnappte ich mir ein Taxi und fuhr gen Schwabing. Die Jungs tauchten nirgends mehr auf, was ich äußerst verwunderlich fand – aber egal.
Am nächsten Tag waren sie wieder da und berichteten mir: Sie hatten also einen besseren Platz weiter oben gefunden, und die Wirkung der Joints setzte dann auch ziemlich verspätet bei ihnen ein – und zwar sehr heftig. Offenbar war dort oben genügend Freiraum, sodass sie sich lang legten und prompt einschliefen.
Bei den Aufräumungsarbeiten wurden sie dann nachts um 2 Uhr von Ordnern entdeckt, die sie weckten und rausschmissen.
Das war also deren Konzerterlebnis.
Legendär waren auch Jackls "Garagen Partys", die er alljährlich veranstaltete, als er noch in seinem Elternhaus wohnte.
Auch er war Stammgast wie ich im "Trader Vic's", einer Cocktail Bar im Keller des Hotels "Bayrischer Hof, und sein Lieblings-Cocktail war der "Tiki Puka Puka". Ein hervorragender Mix mit drei Rumsorten als Basis, den auch ich bevorzugte.
Jackl