Arnulf. Kampf um Bayern. Robert Focken. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Focken
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783862827176
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mehrere hundert Panzerreiter das Reisequartier des Königs. Unfortha, die Furchtlosen: so nannten sie sich selbst. Auf Ruhm und Beute waren sie aus und auf Land, das oft das Land der im Krieg Besiegten war.

      Die Kriege fraßen Menschen, aber mehr noch Pferde: Rösser, die in der Schlacht umkamen, die auf dem Weg dorthin zugrunde gingen, Pferde, die an Seuchen starben. Ein trüber Himmel wölbte sich über den Wiesen südlich der Pfalz, als der König ein oder zwei Stunden vor Mittag zur Musterung der Dreijährigen in einer großen Rundkoppel stieß. Sein Marschalk, ein untersetzter, quadratisch wirkender Burgunder mit O-Beinen, begutachtete jedes Tier und ließ sie einmal im Kreis laufen: Rösser von Königshöfen, die im Frühjahr ihrer Abgabenpflicht für Kriegsgerät aller Art nachkamen. Etwa hundert schuppengepanzerte Zuschauer saßen auf den Balken der umliegenden Gatter, scherzten und höhnten und brüllten ihre Meinung zum jeweiligen Pferd über den Platz. Sie wussten: Die Besten würde der Marschalk für das königliche Gefolge abzweigen und die übrigen den Hundertschaftsführern zur weiteren Ausbildung geben. Kleine oder anfällig wirkende Tiere hingegen wurden auf den Märkten verkauft.

      »Das sind Rindviecher, verdammt! Rindviecher mit Mähnen, sage ich Euch! Die Gäule kann man doch nicht fürs Gefecht drillen!« Mit verschränkten Armen musterte der Marschalk die vorbeiziehenden Pferde, die am Ende einen unfreiwilligen Galopp hinlegten. Ein Jüngling mit weißem Kopfverband klatschte ihnen dazu mit dem Riemen auf die Kruppe. Der König schmunzelte. Ein Blick auf ein kleineres Gatter mit zwei Dutzend jungen, rassig aussehenden Pferden zeigte Karl, dass der Marschalk wie üblich übertrieb. Dann kam eine kastanienbraune Stute mit leuchtend weißer Blesse, deren seidige Mähne leicht im Wind wippte. Unter dem glatten Fell zeichnete sich das Muskelspiel ab, ein Rhythmus der Kraft, der Karl berührte wie eine gute Flötenmelodie.

      »Die ist zugeritten, kommt vom Hof meines Schwagers«, sagte der Marschalk wie zur Erklärung und schob sich die schwere, braune Filzmütze in den Nacken, die angeblich sogar Pfeilen standhielt.

      Karl hörte nur halb hin, denn in diesem Moment erkannte er den Burschen mit dem Kopfverband. Und während der Mar­schalk mit zwei Fingern zwischen den Zähnen pfiff und seinen Leuten zurief, wo die Braune einzuordnen war, gab der König einer seltenen Anwandlung nach – Könige scherzen nicht! Aber wenn sie gutgelaunt sind, tun sie es doch … Er trat ein Stück zurück, sodass er dank seiner Körpergröße über den stämmigen Marschalk hinwegblickte. Ein königlicher Arm begann zu winken, wie ein Windmühlenflügel.

      »Was denn? Wer hat was von Herkommen gesagt?«, schnarrte der Marschalk, als der Bursche nun im schnellen Schritt auf den obersten Pferdeprüfer und den König zueilte und dabei das pendelnde Schwertgehänge an die linke Hüfte presste. »Eure Zeichen, Herr, ich sollte …«

      »Zeichen? Lasst die Braune weiterlaufen und putzt Euch die Pupille, Bursche!«

      »Ich spreche nicht mit Euch, Marschalk, sondern mit unserem Herrn!«

      »Mit Gott willst du sprechen? Rabendreck, verfluchter!«

      Eine Röte zog über die Wangen des Burschen. »Hinter Euch.«

      Gelächter brandete unter den schadenfrohen Zuschauern auf. »Lasst gut sein, Marschalk …« Lächelnd baute der Herrscher sich neben seinem etwas verunsicherten Hofmann auf. »Ihr seid Arnulfs Sohn, nicht wahr?« Der Junge bejahte das und schien zwei Zoll größer zu werden. »Ihr habt Euch eine Wunde geholt, als die Meuchelmörder davonliefen?«

      Arthur nickte, das Rot seiner Wangen wurde kräftiger. »Herr, wenn ich gewusst hätte, wer da kommt …«

      »Die Kerle haben uns alle überrascht«, sagte der König ernst und tätschelte der Kastanienbraunen den Hals, was das Pferd mit leisem Schnauben über sich ergehen ließ. »Das Mädchen hier ist ein echtes Prachtstück. Wie gemacht für unsere besten Kämpfer. Wollt Ihr sie haben?«

      Arthur schluckte, seine Augen begannen zu leuchten. »Ja, Herr!« Die Grimasse des Marschalks nahm er nicht wahr, als er dem Ross auf den Hals klopfte und nach einem Sattel fragte. Der oberste Pferdeprüfer zeigte mit starrer Miene auf einen Stapel rotbrauner Sättel, die nach Lederbeize rochen und aus Klosterwerkstätten kamen. Das Pferd aufzuzäumen, den Sattelgurt festzuschnallen – es ging so schnell wie das Anziehen von Hose und Tunika.

      * * *

      Arnulfs Sohn drehte eine große Runde um Koppeln und Weiden. Die Stute lief wie von selbst, mit sanftestem Fersendruck steuerte er sie durch Gruppen von herumlungernden Kriegern und Knechten mit Musterungspferden, sprang über ein paar Baumstämme, die irgendwelche Zimmerleute dort liegengelassen hatten, und hielt endlich wieder auf den König und den Marschalk zu.

      Da sah er seine Mutter. Sie kam aus Richtung der Pfalzgebäude über den von vielen Hufen aufgewühlten Weg auf die Koppeln zu, mit kräftigen Schritten, gerade, das Haupt erhoben. Müsste er sich nicht freuen? Er wusste, sie kehrte von der Reichenau im Bodensee zurück, mit einigen Tagen Verspätung. Sie hatte ihren Halbbruder aufgesucht, den großen Herzog Widukind, ein Gefangener des Königs, ein Geschlagener. In diesem Augenblick wurde ihm klar, dass er seinen Posten beim Pferdetreiben verlassen hatte wie ein Kind! Er zauderte, blickte nach der kleinen Gruppe um den Marschalk und den König, dann wendete er die Braune und galoppierte die letzten hundert Schritt auf seine Mutter zu.

      »Arthur! Gott schütze dich!« Sie schien erleichtert, als er aus dem Sattel rutschte und ihre Hand küsste. »Was ist deinem Kopf passiert?« Er ärgerte sich, dass sie nicht nach dem Pferd fragte, und erzählte in wenigen Worten, was sich auf der Lichtung ereignet hatte. »Almahtigan!«, rief sie. »Warum stellst du dich solchen Leuten in den Weg?« Sie nahm seinen Kopf in die Hände und betrachtete mit gerunzelter Stirn Arthurs Leinenverband. »Mutter!« Er trat einen Schritt zurück. Alle können uns sehen.

      Dann kam die Frage, die nur eine Frau fragen konnte. »Wieso trägst du ein Langschwert? Und wo war dein Vater, als das passierte?«

      »Sprecht mich nicht an wie ein Kind, ich bitte Euch!«

      »Ihr könnt stolz sein auf den Burschen«, rief der König von seinem Schimmel herab. Arthur hatte ihn nicht herankommen hören. Erika neigte würdig den Kopf. Der König lächelte. »Er ist tapfer eingeschritten, Edelfrau, wo andere hilflos zusahen. Habt Ihr Euren Bruder trösten können?« Seine Stimme war härter geworden bei den letzten Worten und mit einer eigentümlichen Befriedigung bemerkte er den Hauch von Röte auf ihren hellen Wangen. Sie zögerte, sein Sarkasmus lag ihr nicht. Verlegen strich sie dicke, braune Zöpfe über die Schultern zurück und plötzlich empfand der König die Anwesenheit des Jungen als störend. »Der Marschalk kann Euch sicher noch brauchen«, ließ er leichthin fallen. Arthur grinste, bedankte sich noch einmal, stieg auf sein Pferd und zog fröhlich davon.

      Sie sah ihm einen Augenblick nach. »Verzeiht mein Säumen, Herr.« Rasch erzählte sie von den schweren Regenfällen auf dem Rückweg von der Reichenau, die ganze Straßen und Wege weggespült hatten. »Wundert mich nicht«, bemerkte Karl trocken. »Widukind steht heimlich noch im Bunde mit dem alten Sturmgott Donar, was?« Ein hartes Lachen folgte. »Also, willigt er ein? Zu meinen Bedingungen?«

      »Ich fürchte nicht, mein König.« Sie sah ihn kurz an, und er schien diesen Blick festzuhalten. »Widukind wird die sächsischen Gaufürsten nicht auffordern, das Kreuz zu nehmen. Er sagt, er kann niemanden von seinen Göttern trennen.«

      »Dann schmort er weiter unter den Mönchen!«, schnaubte der König und machte den Leuten hinter ihm Zeichen. Schon hielt einer seiner Diener Erika den Steigbügel eines gesattelten Pferdes. Sie zögerte, dann schwang sie sich in den Sattel. Unter ihrem Kleid schauten die Beine der Hosen hervor, die sie während der Reise getragen hatte. Sie streifte Karl mit einem Seitenblick. »Ist mein Mann … ist er am Hof, Herr?«

      »Er steht vor der Würzburg und belagert Herzog Hardrad«, sagte der König. »Der Kerl wollte mich ermorden.« Der Ausdruck der Sorge in ihrem Gesicht mit den leicht geöffneten Lippen gefiel Karl, auch wenn er wohl mehr Arnulf als dem König galt. »Allmächtiger«, stieß sie aus. »Ich hörte unterwegs davon. Jeder, der vom Mittelrhein kam, brachte die Geschichte mit …«

      »Gott wird uns die Schuldigen in die Hand geben«, erklärte Karl ruhig. »Und ich spüre, dass Arnulf bald wieder