5 harte Western 1/2020: Das unbarmherzige Gesetz des Revolvers: Sammelband mit 5 Wildwestromanen. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Вестерны
Год издания: 0
isbn: 9783745211658
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auf den Tod nicht ausstehen.

      Old Cliff stand, auf den Besen gestützt, und las eine uralte Zeitung, die er beim Aufräumen gefunden hatte. Als Webster auftauchte, hob er nur kurz den Kopf und wollte weiterlesen.

      „Eh, was tust du, Cliff?“, bellte Webster.

      Der Alte sah ihn aus schmalen Schalkaugen an. „Das siehst du doch. Ich lese eine Zeitung, die so alt ist, dass sie neu war, als es in dieser verfluchten Stadt nur drei Bretterhütten gab.“ Und respektvoll fügte er hinzu: „Es ist eine Zeitung aus Detroit.“

      Webster kannte den Ausgang solcher Gespräche. Um seinen Ruf nicht in Gefahr zu bringen, brach er das Thema abrupt ab und fragte: „Was tut der Junge?“

      „Er hat das Papier und den ganzen Plunder auf einen Haufen geworfen und brennt ihn ab. Was soll er?“

      „Ist er draußen?“, wollte Webster wissen.

      Der Alte nickte.

      Webster kraulte sich am Kinn, machte eine strenge Chef-Miene und fragte barsch: „Ist er fleißig?“

      „Ich bin mit ihm zufrieden. Für den Hungerlohn, den du ihm zahlst, arbeitet er viel zuviel. Du hast ihn als Expressreiter und Buggyfahrer eingestellt, und die meiste Zeit muss er im Lager herumwurschteln.“

      „Als Indianerbastard ist er überbezahlt, merk dir das!“, fauchte Webster. Sein hoher Blutdruck machte sich bemerkbar, das Gesicht färbte sich dunkel.

      Der Alte machte sich da wenig Sorgen. Es reizte ihn, Webster zu ärgern. „Ein Mensch, der sechzehn Stunden am Tage für dich schuftet, ist mit einem Dollar am Tag nicht überbezahlt. Und ein Indianerbastard ist er auch nicht, das weißt du ganz genau.“

      „Man sagt eben so“, knurrte Webster. „Ich will...“

      „Hallo, Mr. Webster?“, rief es vorn.

      „Ja! Sind Sie es, Colonel?“, antwortete Webster.

      „Colonel, pshaw!“, murmelte Old Cliff abfällig, dass nur Webster es hörte. „Den Rang hat sich dieser aufgeblasene Ochsenfrosch selber zugelegt. Wenn der jemals einem Feind gegenübergestanden hat, dann waren bei ihm bestimmt hinterher die Hosen bis zum Rand voll!“

      „Sei still! So einen Kunden haben wir nur einmal!“, zischte Webster, dann ging er nach vorn durch die Reihen seiner Regale und setzte sein freundlichstes Seehundlächeln auf.

      „Hallo, lieber Colonel, auch wieder in der Stadt? Ich wette, man wird Ihnen heute begeistert zujubeln, wenn Sie Ihre Rede halten ... Was darf es sein, Colonel?“

      Diese letzte Frage hörte auch Tom noch mit, als er von der Laderampe her das Lager betrat, in der einen Hand ein langes Schüreisen, in der anderen eine alte, total verrostete Hawkenbüchse, die er aus einer der Kisten gefischt hatte, die er verbrennen sollte.

      Er hatte sie mitgebracht, um Old Cliff zu fragen, was man damit vielleicht noch anfangen könnte. Er hielt die Büchse am Lauf und benutzte sie wie einen Krückstock.

      Aber er musste an dem Colonel und Webster vorbei. Er hasste Webster, der ihn schikanierte, wo er konnte. Aber von dem Geld, das ihm Webster zahlte, musste er seine Mutter mitenähren. Infolgedessen konnte er es sich nicht erlauben, Webster zu sagen, was er von ihm dachte.

      Webster entdeckte ihn und bellte ihn an: „Was schleppst du da herum? Hast du keine Arbeit, dass du mit diesem Gerümpel herumrennst? Was ist das für ein altes Gewehr?“

      Tom sah sie alle beide an. Den Rancher, der sich von aller Welt Colonel nennen ließ, obgleich der liebe Kuckuck wusste, ob Carpound je ein Colonel gewesen war. Ein hagerer, ziemlich großer Mann mit glattem Gesicht, buschigen Augenbrauen und spärlichem grauem Haar, das jetzt unter dem wuchtigen Breitkremper verborgen war. Sein Prince-Albert-Rock war makellos dunkelblau, kein Stäubchen auf den Revers, kein speckiges Glänzen. Ebenso tadellos waren die grauen Hosen, das Krawattentuch mit der Perlennadel, die schneeweißen Manschetten mit Brillantknöpfen. Der Colonel wusste, dass er bei Frauen Eindruck machte, und die Männer respektierten ihn als den reichsten und größten Viehzüchter weit und breit, ein Mann, der sogar mit den Indianern auszukommen wusste.

      Webster war für Tom ein Anblick, der ihm vor Augen führte, wie er selbst einmal nicht auszusehen hoffte. Dieser fette, glatzköpfige Pascha mit der sadistischen Freude am Quälen all jener, die von ihm abhängig waren, war Tom so etwas wie ein rotes Tuch.

      Er gab daher keine Antwort und wollte sich einfach vorbeizwängen. Der Colonel trat auch zur Seite, sah auf den etwas kleineren Burschen herab, blickte auf das Gewehr und sagte interessiert: „Oh, eine alte Hawken! Damit haben wir die Indianer vertrieben. Tom, zeig mal her!“ Und sofort sah er Webster an. „Ist das eine von den Waffen Ihres Vaters, Mr. Webster?“

      Webster sah nur Tom und erinnerte sich, dass der ihm noch keine Antwort gegeben hatte. Und während der Colonel schon nach dem Gewehr griff und Tom es ihm auch geben wollte, weil er nichts gegen den Colonel hatte, schrie Webster keifend:

      „Hast du verdammter Indianerbastard keine Antwort auf meine Frage nötig?“

      Tom wurde steif wie ein Stock. Sein Gesicht verlor plötzlich alle Farbe. Noch nie hatte ihn einer offen Indianerbastard zu nennen gewagt.

      „Aber mein lieber Webster!“, rief der Colonel beschwichtigend. „Er ist doch kein...“

      In diesem Augenblick schlug Webster wütend nach dem alten Gewehr, um es Tom aus der Hand zu reißen. Die Waffe bekam eine halbe Drehung, so dass die Mündung genau auf die Brust des Colonels zeigte. Und genau in dem Moment löste sich ein Schuss.

      Zunächst war der Knall, eine Stichflamme, eine Rauchwolke und unmittelbar danach der schrille Schrei des Colonels.

      Webster flog vor Schreck auf den Allerwertesten, während Tom noch immer das Gewehr hielt.

      Der Colonel stand noch eine, stand noch zwei Sekunden, ehe er zusammenbrach und das Blut aus einer riesigen Brustwunde quoll.

      Der alte Cliff kam von hinten und sah zunächst auch nur Tom mit dem Gewehr und die Rauchwolke. Von der Strasse her rannten zwei Männer herbei, und in dieser Situation schrie Webster gellend: „Der Bastard hat den Colonel erschossen! Der gottverdammte Indianerbastard hat den Colonel umgebracht!“

      Tom glaubte zu ersticken, nicht am Rauch, aber an Websters gemeiner Lüge. Völlig fassungslos, weil ihm der Vorgang des Schusses unbegreiflich war, warf er die Waffe von sich, packte Webster, der gerade aufstehen wollte, am Kragen, schüttelte ihn, würgte ihn und schrie: „Ich habe ihn nicht erschossen! Sie gemeines Schwein, ich habe ihn nicht erschossen! Sie haben ihn umgebracht! Sie!“

      „Hilfe! Hilfe, er würgt mich! Hilfe, er bringt mich um!“, kreischte Webster.

      Da wurde Tom von hinten gepackt, von Webster weggerissen, und zugleich spürte er einen knallharten Schlag am Hinterkopf. Er sah bunte Ringe vor Augen, dann meinte er in eine endlose tiefe Grube zu sinken …

      *

      Als er aufwachte, spürte er dumpfen Kopfschmerz. Dann ließ das ein wenig nach, und er öffnete die Augen. Es war dunkel um ihn her. Aber es roch so eigenartig. Woher kannte er nur diesen Geruch? Nein, das war kein Stall, obgleich es nach Urin roch. Es musste ... ja, das war es! Das Sheriff-Office war es! Ja, hinten, wo die Zellen waren, dort roch es so... Die Zellen? Bin ich in einer der beiden Zellen?, fragte er sich.

      In der Dunkelheit erkannte er den hellen Schein weiter oben. Ein Fenster. Davor Eisenstäbe. Also doch die Zelle. Und vorn? Er sah sich um, aber dort erkannte er nichts. Doch er hörte etwas. Ein leises Schnarchen, mehr ein geräuschvolles Atmen.

      Er versuchte aufzustehen. Wieder dieser jähe Kopfschmerz. Als er den Platz abtastete, auf dem er lag, spürte er, dass es sich um eine Pritsche handeln musste. Aus dem Verdacht, in der Sheriff-Zelle zu liegen, wurde Gewissheit.

      Er stand auf, tastete sich in Richtung auf das Schnarchen und prallte plötzlich gegen Eisenstäbe. Es schepperte durch den ganzen Raum, und irgendwo