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Sie hatten Hunger, der wie ein Messer in ihren Eingeweiden stach. Knurrend und fiepend sahen sie auf ihre Mutter, die groß und gewaltig am Höhleneingang stand und hinaus in die Nacht starrte.
Die sechs Welpen winselten und drängten sich aneinander. Vier Schwestern hatte der junge Wolf, die alle ungefähr so groß waren wie er selbst. Kleiner und ganz am Schluss geboren worden. Er trollte auch jetzt wieder zur Mutter und versuchte zu saugen, aber es passte ihr nicht und sie verscheuchte ihn knurrend.
Die anderen hatten kein Verlangen mehr nach Muttermilch. Sie wollten Fleisch. Bisher hatte der Vater immer welches gebracht. Vater, dieser riesige Bursche, der etwas anders aussah als Mutter. Größer, stärker und mit einem wuchtigeren Kopf. Auch war sein Fell nicht so grau am Bauch wie bei Mutter. Dinge jedoch, die keiner der sechs Welpen beschäftigten. Sie hatten Hunger. Vater war nicht mit Fleisch gekommen. Und die Mutter wich nicht von den Jungen, als fürchtete sie, jemand werde sie in der Zeit finden und töten, während sie die Höhle verließ.
Sie spähte nach draußen, den Kopf weit vorgereckt, die Nase spürend gebläht. Ihre Augen funkelten im matten Mondschein wie Irrlichter.
Wieder scheuchte sie unwillig ihren Kleinsten von sich, machte einen Schritt nach vorn, witterte, noch ein Schritt, und plötzlich trabte sie den schmalen Pfad ins Tal hinab.
Immer wieder blieb sie stehen, witterte, schien zu lauschen, doch dann trabte sie weiter, hinab ins Tal mit seinen saftigen Weiden, wo irgendwo in weiter Ferne die Holzgebäude der Farm standen, wo Rinder weideten und wo man aufpassen musste, wollte man nicht von einem dieser Menschen gesehen und erschossen werden, die dort lebten.
Die Wölfin, schwarz wie die Nacht, in der sie lief, kam hinab ins Tal, ins hohe Gras, das oft höher war als sie selbst, und sie streifte durch Büsche, deren Blätter kaum raschelten, so geschickt bewegte sie sich.
Sie war ein starkes Tier, eine Königin ihres Rudels gewesen. Und sie hatte es geführt, dieses Rudel. Dann aber, vor zwei Wintern, war er gekommen, der Große mit den steil stehenden Ohren. Er kam, und sofort fielen die jüngeren Wölfe des Rudels über ihn her. Es dauerte wenige Minuten, da hatte der Riese sie zu winselnden Bündeln gemacht und war an die Leitwölfin herangekommen. Und sie war nicht auf ihn losgegangen. Sie musste wohl gespürt haben, wer er war, dieser große König.
Noch einmal versuchten die Wölfe im Rudel, den Fremdling zu vertreiben, besonders ein junger, sehr starker Wolf, der die Wölfin gerne für sich allein haben wollte, kämpfte verzweifelt, doch dann, als der Kampf vorbei war, trollte sich der junge Wolf blutend, während der Fremde das Rudel anführte, von da an den ganzen Winter lang.
Und von dieser Stunde ging es dem Rudel gut. Sie wurden an Farmen herangeführt, wo sie sichere Beute machen konnten. Sie erwischten nicht nur Wild, sie überfielen Gehöfte, drangen in Ställe ein, schlugen Kälber und Schweine. Sie jagten, wo das Risiko klein und die Beute gross war. Der neue Leitwolf führte sie, und erst, als der Frühling kam, als sich das Rudel auflöste und zu Paaren davontrollte, verschwand er mit der schwarzen Wölfin in den Bergen. Und wieder wurde er zum Schrecken der Farmer.
Im ersten Sommer gebar ihm die Wölfin sieben prachtvolle Junge, die größer wurden als andere Wolfswelpen. Und die im Winter dann den Ton bei den Jungtieren im Rudel bestimmten. Es wurde ein langer, ein harter Winter. Viele Wölfe in anderen Rudeln verhungerten. Bei dem großen Leitwolf aber kriegten sie mehr als sonst. Er strich mit dem Rudel weit nach Süden hinunter, wagte sich geschickt bis in eine Eisenbahnstadt, wo das Rudel unverfroren eines Nachts in einen Mietstall eindrang, eine Panik unter den entsetzten Pferden anrichtete, wobei sich zwei Pferde losrissen.
Das Rudel jagte den Pferden in die Nacht hinein nach und riss beide gut zwei Meilen von der Stadt entfernt. Als die Bewohner der Stadt die Wölfe stellen wollten, fanden sie erst gegen Morgen die Kadaver der beiden Pferde und das, was davon noch übrig war.
Die schwarze Wölfin mochte vielleicht an diesen Husarenstreich gedacht haben, möglich, dass sie sich nur um ihren Mann sorgte, um den Riesenwolf, der so stark und so schön war, dass sie sich ihm einfach untergeordnet hatte.
Sie trabte weiter, und um sie raschelte das Gras. Oben am Himmel stand der Mond bleich und wie die Laterne einer geisterhaften Grotte. Schwarz und drohend ragten die Äste der Bäume in den nächtlichen Himmel.
Irgendwo weit weg brüllte ein Stier. Danach war nur noch das Zirpen der Grillen zu hören. Später, als die Wölfin den Bach erreicht hatte, hörte sie eine Eule rufen, die Wölfin verhielt, reckte den Kopf witternd, und fast zehn Minuten blieb sie nahezu reglos.
Der Wind wehte von den Bergen. Die Wölfin spürte, dass sie vom Tal her keine Witterung bekam und änderte ihre Laufrichtung. Sie wollte jetzt am Rande des Baches entlang zum Rand der großen Weide traben. Auf diese Weise konnte sie wieder Witterung bekommen, denn der Wind trieb ihr etwas von dem zu, was sich auf der Weide befand.
Immer noch trabte sie am Bach, dessen Plätschern alle anderen Geräusche übertönte. Endlich kam eine Stelle im Gebüsch, durch das sie schlüpfte, um auf die Weide zu gelangen.
Hohes Gras schlug ihr gegen die Nase. Sie blieb stehen, reckte den Kopf und schnupperte. Der Wind kam nun ein wenig von der Seite. Er trug ihr keine ungewöhnlichen Gerüche zu.
Sie trabte weiter, aber irgend etwas warnte sie. Abermals blieb sie stehen, witterte, lauschte, aber nichts verriet einen Feind. Und doch sagte ihr der Instinkt große Gefahr voraus.
Sie zögerte, wartete, Dabei war sie von ungewöhnlicher Wachsamkeit. Nichts schien ihr zu entgehen. Aber da verriet sich nichts. Alles schien wie sonst. Und doch spürte die Wölfin eine tiefe Unruhe.
Geduckt machte sie einen Schritt nach vorn durchs hohe Gras.
Nichts geschah, In der weiteren Umgebung zirpten die Grillen, und wieder schrie in der Ferne eine Eule.
Die Wölfin duckte sich noch tiefer, kroch fast, als sie sich voranschob. Einen Schritt, zwei...
Plötzlich zuckte der Blitz von einem der Bäume halbrechts. Der Blitz, der Schlag in den Rücken der Wölfin. Dann der Knall.
Die schwarze Wölfin machte einen Satz in die Luft, fegte herum, als sie auf allen Vieren landete, jagte ins Gebüsch zurück.
Noch einmal blitzte und krachte es, aber die Wölfin war weit weg von der Stelle, wo das Projektil die Erde auffetzte.
Sie hechelte in einem dichten Gebüsch, lag am Boden, den Kopf auf die kühle Erde gepresst, während auf ihrem Rücken eine große Wunde klaffte, während dort der Saft des Lebens davonrann.
Plötzlich hörte sie Stimmen. Eine tiefe Stimme sagte etwas, dann antwortete eine jüngere Stimme.
Schritte, Stimmen und die anderen Menschengeräusche entfernten sich. Verstummten schließlich.
Die Wölfin war allein mit sich und ihrem wahnsinnigen Schmerz, der immer stärker wurde.
Sie versuchte die Wunde zu lecken, aber sie konnte den Kopf nicht drehen. Alles war wie steif, und diese Lähmung nahm offenbar zu. Als sie versuchte aufzustehen, versagten ihr die Hinterbeine den Dienst.
Sie schleppte sich kriechend durch die Büsche. Und aus der Rückenwunde floss das Blut, während in ihrem Unterleib die Schmerzen wüteten.
Weit kam sie nicht, bis zum Bach gerade. Und dort sackte sie zusammen, als das kühlende Nass vorübergehende Linderung brachte.
Sie lag mit jämmerlichen Schmerzen halb im Wasser, fast eine Stunde lang. Und da hörte sie plötzlich die Hunde.
Das Kläffen schallte weit durch die Nacht. Zwei waren es, und sie schienen kaum noch zu halten sein.
Die Wölfin versuchte sich aufzurichten, aber auch dazu hatte sie keine Kraft mehr. Ihr Unterleib schmerzte jetzt nicht mehr. Da war alles wie tot. Dort empfand sie nichts, dort bewegte sich nichts mehr.