Hämmerle. Jochen Rinner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jochen Rinner
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347069022
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um die Pize anschauen, und meine Kollegen müssen mit. Das ist eine Fortbildung. Es würde sie nebenbei auch beruhigen. Sie trauen meinen Pilzkenntnissen nicht.“

      Der Wirt schien zu ahnen, dass er gebraucht wurde, nach dieser ungewöhnlich langen Rede seines alten Bekannten, ließ sich aber nichts anmerken und scherzte: „In dem Fall müssen wir zuerst über das Honorar für diesen Pilzkurs verhandeln“, und ging voraus.

      Wachtmeister Süß flüsterte Fritz Hämmerle zu: „Paul hält dicht.“

      Der nickte zustimmend, denn auch er wollte diesen Mann einbeziehen.

      Der Wirt griff im Vorbeigehen eine Edelstahlschüssel und drückte sie dem Wachtmeister in die Hand, während er schon mal einen Blick in den Pilzkorb warf. Als er die Tür zu seinem geräumigen Büro geschlossen hatte, fragte er: „Sie wollen also wirklich Pilze zu Mittag?“

      „Ja, diesmal muss es nicht auf die Schnelle irgendwo eine Pommesbude sein.“

      „Dann sollten die Pilze schleunigst in die Küche.“

      Er nahm Stück für Stück mit dem entsprechenden Kommentar heraus und als er den letzten in der Hand hatte, sagte er: „Die sind vom Steinbruch. Um diese Zeit wachsen die nur dort.“

      „Paul, wir brauchen deine Hilfe.“

      „Dachte ich mir schon. Ich bring die Pilze nur schnell unserer neuen Köchin, die macht das besser als ich. Kaffee?“

      Die drei schauten sich kurz an. „Ja gern.“

      Als er zurückkam, erzählten sie ihm, dass es offenbar wieder einen Unfall gegeben hatte, aber der Tote sei unbekannt, er habe keine Papiere bei sich gehabt und im weiteren Umkreis werde niemand vermisst, auf den die Beschreibung gepasst hätte.

      Der Wachtmeister überlegte weiter: „Vielleicht war er hier über Jahre im Urlaub, so gut, wie der sich auskannte – du weißt schon, das Loch im Zaun –, und die meisten Gäste wohnen bei dir. Kann auch ein Einzelgänger gewesen sein.“

      Woraufhin der Wirt kommentierte: „Und ihr seid euch sicher, dass ihn nicht seine Frau über die Kante geschubst hat?“

      Jetzt rührte sich Fritz Hämmerle: „Wir kommen nicht weiter, solange wir nicht wissen, wer er ist. Er ist eins achtundachtzig groß, etwa fünfundsechzig Jahre alt, plus/minus, hatte einen grünen Trachtenanzug an und war bis vor vier Wochen noch am Leben. Vielleicht sagt der Pathologe noch, was er zuletzt gegessen hat.“

      „Ich erinnere mich an viele meiner Gäste, besonders an die schrägen Vögel. Nein, vor vier Wochen war niemand da, auf den die Beschreibung passt, aber wenn ihr die Gästelisten wollt …“

      „Ja.“

      „Kein Problem, die letzten drei Jahre sind auf dem PC, die Jahre davor bei der Buchhaltung abgelegt. Die müssen wir sowieso zehn Jahre aufheben.“

      „Drei Jahre reichen uns erst mal.“

      Er schiebt sich hinter seinen Computer und griff eine leere CD aus einer Vorratsbox: „Reicht das so?“

      „Auf jeden Fall.“

      „Und er hatte überhaupt nichts dabei?“

      „Nein, rein gar nichts, außer Geld. Seine Papiere kann er auch beim Sturz verloren haben, ist aber unwahrscheinlich und dazu wären sie unter dem Laub kaum zu finden.“

      „Habt ihr einen Job! Das wär nichts für mich“, beendete der Wirt den Wortwechsel mit Fritz Hämmerle und fragte in die Runde: „Wo wollt ihr essen?“

      „Bei diesem Wetter auf der Terrasse“, sagte Süß.

      „Zu ungemütlich, die ist schon in den Winterschlaf gelegt. Wie wär’s mit dem Wintergarten, wenn ihr schon nicht in die Gaststube auf die Ofenbank wollt?“

      „Was meinen Sie?“, fragte Wachtmeister Süß seine Kollegen.

      „Sie sind hier zu Hause, wir lassen uns überraschen“, meinte Fritz Hämmerle.

      Der Wirt stand auf, steckte die Scheibe in eine Hülle und gab sie ihm. Sie verschwand in Fritz Hämmerles Jacke.

      „Ich gehe inzwischen in die Küche. Anselm bringt euch hin.“

      Wegen der Pilze im Mund und fehlender Neuigkeiten verlief das Essen ohne viele Worte.

      Der Wirt fragte, ob es geschmeckt hätte, und erhielt allseits wohlige Bestätigung.

      „Einen Kaffee? Geht aufs Haus.“

      Sie lehnten sich zurück und nickten. Er nahm elegant das Geschirr, alles auf einmal, und kam mit Kaffee zurück.

      „Anselm, wann warst du zuletzt bei uns hier oben? Ist schon lange her.“

      „Letztes Jahr, man wird halt nicht jünger. Bei dir hat sich einiges getan, wenn ich an die einsame Schaukel im letzten Jahr denke.“

      „Jetzt gibt es einen großen Spielplatz bis in den Wald hinein, hat sich schon rumgesprochen. Übers Wochenende soll’s so schön bleiben. Wir werden die Terrasse wieder auspacken müssen. Die Mountainbiker kommen bestimmt auch, etliche mit dem Bus, der oft die Gepäckfächer voll mit Rädern hat.“

      „Das gab’s doch früher nicht, oder?“

      „Der Radsportverein aus der Stadt hat eine Strecke angelegt. Es geht die Berge runter und dann rollt man bis in die Stadt.“ Der Wirt bemerkte wohl, wie die beiden anderen unruhig wurden. „Sie müssen wohl wieder?“

      „Ist nicht gerade der kürzeste Weg ins Präsidium. Die Pilze waren sehr gut. Vielen Dank, auch für die CD.“

      „Bitte, bitte, gute Fahrt. Anselm, grüß deine Frau.“ Er winkte die Kellnerin herbei und verabschiedete sich.

      Sie bezahlten und die milde Luft schlug ihnen entgegen, als sie den Adler verließen. Es war außergewöhnlich warm für diese Jahreszeit. Wachtmeister Anselm Süß – sie hatten noch nie einen Anselm kennengelernt – telefonierte.

      „Ja. --- Wir fahren jetzt. --- Ja, in Riedbach.“

      Es war Anja Wegmüller und dementsprechend war der vom Morgen aufgeschobene Kaffee schon vorbereitet und dazu gab es Original Eschenweiler Apfelstrudel, als sie eintrafen. Sie waren noch satt, wollten aber nicht unhöflich sein.

      Fritz Hämmerle berichtete vom Steinbruch und von der Gästeliste, und meinte dann, die Suche ausweiten zu wollen.

      Trotz Pilzen und Apfelstrudel war es noch recht zeitig und Fritz Hämmerle dachte, Maik würde nach der Völlerei gleich einschlafen und öffnete ihm die Cola, die im Seitenfach stand.

      „Stimmt wohl doch, dass Pilze schwer verdaulich sind“, sagte er, wollte die Cola aber nicht.

      Fritz Hämmerle trank ausgiebig, auch ihm lag das Essen richtig schwer im Magen. Man hätte fast meinen können, der Wirt hätte etwas übersehen. Es zog ihm alles zusammen, vielleicht sollte Maik vorsichtshalber auf dem nächsten Parkplatz halten. Es ging ihm wirklich gar nicht gut.

      Aber es war nichts im Vergleich zu dem, in was er sich damals, ohne es zu merken, immer tiefer hineinmanövriert hatte, bis dann schließlich alles zusammengebrochen war. Die Erinnerung daran war schwammig, wie eine beschlagene Brille, er sah nichts. Wenn er nur daran dachte, wurde ihm schon schlecht.

      Die Autobahn zog sich und als der nächste Parkplatz auftauchte, ging es ihm wieder besser. Er dachte an den Besuch bei Frau Le, diese kleine, zarte Frau, in deren vom Leben gegerbtem Gesicht so viel Güte lag.

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      Er ruft sie nicht an, fährt einfach hin.

      „Sie wollen sicher zu meiner Mutter“, meint die Frau an der Tür, der er sich eben vorgestellt hat. Sie tritt zur Seite und bittet ihn mit einer Geste herein. Kinder streiten heftig und durch die offene Zimmertür fliegt ein Pandabär in den Flur. Die Frau hebt ihn auf, geht in das Zimmer der Kinder und schließt die Tür hinter sich. Es wird still. Die Frau kommt wieder, gefolgt von