Einer dieser neuen Straßburger Brauer war Daniel Fischer. Fischer war noch jung, erst Ende 20, aber im Jahre 1468 bereits auf dem besten Wege, ein reicher Mann zu werden.
Hatte er zuerst nur für seine eigene Schenke Bier gebraut, rannten ihm mittlerweile Schenkenwirte aus der ganzen Umgebung die Türe ein.
Der Grund lag nicht nur darin, dass Fischer sich aus dem Familienzwist der Müllenheims und Zorns heraushielt – die meisten Geschäftsleute ergriffen immer Partei für eine der beiden Familien –, sondern auch darin, dass Fischer einfach das beste Bier weit und breit herstellte. Er hatte einige Reisen unternommen, um so viel wie möglich übers Bierbrauen zu lernen, war in Nürnberg, Hamburg und Köln gewesen, sogar in Einbeck hatte er in die Töpfe geschaut.
Und so hatte er sich entschlossen, sein Bier nur mit Hopfen zu würzen und auch sonst bei der Rezeptur nur das Beste an Rohstoffen einzusetzen.
In seinem Sudhaus in der Brüderstraße in der Nähe des Münsters hing ein Schild, auf das er mit ungelenker Schrift geschrieben hatte:
»Mit dem zahmen Hopfen tut man großen Fleiß.
Ohne diese Blumen wird man nicht viel gutes Bier mögen machen.«
Der Erfolg gab ihm bald recht, und das Geld floss nur so herein.
Er hatte sein Haus aus Stein erbauen lassen, sodass er neben den öffentlichen, sogenannten ›Ofenhäusern‹ einer der wenigen Brauer war, die immer brauen durften. Es hatte durch die dichte Bauweise einige verheerende Brände in Vierteln mit Holzhäusern gegeben, bis das Brauen in Privathäusern verboten worden war.
Leider teilte er seine Erfolge nicht mit seinen Mitarbeitern. Er war für seinen Jähzorn bekannt, seine plötzlichen Gewaltausbrüche, und mehr als einmal hatte er einen Knecht wegen eines kleinen Fehlers aus dem Haus geprügelt. In dem Moment, wo er sich zornig mit beiden Händen in seinen gewaltigen Backenbart griff, war es das Beste, schnell Reißaus zu nehmen. Dann wurde es gefährlich.
Keiner seiner Brauknechte kannte auch nur eine der Rezepturen, und so manche derjenigen, die in sieben Jahren für ihn geschuftet hatten, hatten ihre Neugier mit Schlägen bezahlen müssen. Am liebsten prügelte er mit den Latten der Holzfässer, die in seiner Werkstatt herumlagen. Wie die meisten Brauer, die alle nur im Winter Bier herstellen konnten, arbeitete Fischer im Sommer als Küfer, soweit er nicht das Brauhaus auf den Herbst und die Brausaison vorbereitete.
Ein Stück Holz lag daher immer griffbereit, wenn ihm die Hand locker saß.
Sein Ruf hatte mittlerweile die Runde gemacht, sodass ihm nicht nur die Suche nach neuen Mitarbeitern schwerfiel, auch die Frauen, die ihn interessierten, wandten sich schnell ab und suchten das Weite.
In schöner Regelmäßigkeit saß er daher als Letzter noch in seiner Schenke und trank, bis er wie leblos von der Bank fiel.
Dennoch war der Fischerbräu regelmäßig voll.
Daniel hatte nicht nur gutes Bier anzubieten, sondern auch sein Essen ragte aus der breiten Masse heraus. Er kochte mit Bier, salzte und pfefferte viele Gerichte trotz der immer weiter steigenden Gewürzpreise so heftig, dass man glaubte, sich am Hofe eines Herzogs zu befinden. Seine Biersuppe wurde weithin gerühmt.
An diesem Morgen war Fischer auf der Suche nach einem neuen Brauburschen. Er musste klein und dünn sein, um in alle Töpfe reinklettern zu können, gleichzeitig aber kräftig, drahtig und zäh. Denn Daniel Fischer verlangte seinen Brauburschen körperlich alles ab. Wer da schlappmachte, wurde mit Schimpf und Schande davongejagt. Und wer richtig Pech hatte, so wie am gestrigen Morgen der Braubursche Bertram, der erhielt zum Abschied noch Prügel mit der Fasslatte.
Währenddessen hielten Michel, Georg und Fafnir mit ihrem schaukelnden und lärmenden Wagen Einzug in die Stadt. Da Michel lange nicht mehr hier gewesen war, hatten sie nichts zu befürchten von unzufriedenen Kunden. Sie machten Quartier in einer preiswerten Schenke, dem ›Schwarzen Schwan‹, die ihnen empfohlen worden war. Am nächsten Tag wollte Michel einmal Fischers Brauhaus aufsuchen und ein paar Takte mit Daniel reden.
»Damit der sich so was nicht angewöhnt, seine Burschen so durchzuprügeln!«
Dazu sollte es jedoch nicht mehr kommen.
Beim Abendessen im ›Schwan‹ langte Michel kräftig zu. Georg erhielt seine übliche Ration Suppe und Bier, aber Michel war so angetan vom Straßburger Bier, dass er einen Krug nach dem anderen in sich hineinschüttete.
Georg ging derweil in die Kammer und legte sich auf den Boden, nahm etwas Stroh und schlief sofort ein.
Kurze Zeit später, so kam es ihm vor, rüttelte ihn jemand sehr unsanft wach.
Der Schwanenwirt stand vor ihm und rief: »Schnell, steh auf. Dein Vater ist schwer verletzt.«
Georg stolperte schlaftrunken die Stiege hinunter, undeutlich hallte in seinen Ohren nach, dass Michel und er anscheinend für Vater und Sohn angesehen wurden, und sah gleich hinter der Tür Michel blutend auf einer Bank liegen. Auf der gleichen Bank, auf der dieser noch kurze Zeit vorher mit anderen Zechern, schäumend vor Bierseligkeit, sich den Hintern platt gedrückt hatte.
»Der alte Trottel hat sich in einen Raufhandel verwickeln lassen. Dabei ging es nur um einen Streit, wo das beste Bier herkäme«, erzählte der hochgradig erregte Wirt. »Deinem Vater hat unser Bier zwar sehr zugesagt, aber er behauptete, es sei nur das zweitbeste, das er jemals getrunken habe.«
Ein ebenfalls aufgeregter Gast mischte sich ein.
»Und das war unserem stadtbekannten Raufbold Anselm nicht gut genug. Anselm hat zwar schon einiges auf dem Kerbholz, aber so wie heute ist er noch niemals in Zorn geraten.
Erst haben die beiden einander mit Krügen auf die Schädel geschlagen, dann hat Anselm kurzerhand sein Messer gezückt und Michel abgestochen wie eine Sau.«
Michel stöhnte vernehmlich, das Blut lief trotz einer Bandage aus der großen Wunde in seinem Bauch.
Fafnir saß vor Michels Bank und bellte, fast so, als erfasse er den Ernst der Situation.
»Wir haben nach dem Medikus gerufen, aber der ist gerade woanders. Wenn es noch lange dauert, werden wir ihn nicht mehr brauchen.« Der Wirt war der Verzweiflung nahe.
»Noch niemals ist im ›Schwan‹ jemand erstochen worden. Mein guter Ruf ist ruiniert!«
Er dachte bereits wieder pragmatisch, ohne Emotionen.
Dass den Straßburgern dieser Pragmatismus zu Recht nachgesagt wurde, belegte die nächste Äußerung eines weiteren Gastes, dessen hervorstechendes Attribut sein fauliger Atem war.
»Sollte der Bader sterben, würde ich seinen Wagen und seine Gerätschaften kaufen.«
Georg sah ihn entsetzt an.
Und als hätte Michel nur auf das Stichwort gewartet, bäumte er sich noch einmal auf, tat einen letzten Schrei und sank zurück auf die Bank. Seine Augen verloren innerhalb einer Sekunde ihren Glanz, alles Leben war aus seinem Körper entwichen.
Die Frau des Wirts, eine kugelrunde Person mit dicken Pausbacken, die bis dahin versucht hatte, mit der Bandage den Blutfluss an Michels Wunde zu stoppen, fing zu weinen an. Der Wirt verdrehte die Augen und murmelte etwas, das wie ein Gebet klang, es könnte aber auch ein gotteslästerlicher Fluch gewesen sein.
Georg verstand die Welt nicht mehr, war er jetzt etwa schon wieder allein und auf sich selbst gestellt?
Irgendwann erschien der Büttel, Georg hatte kein Zeitgefühl mehr. Alles war wie verschwommen in seiner Wahrnehmung.
Der Büttel stellte sachlich Michels Tod fest, konstatierte, dass Anselm zur Verhaftung ausgeschrieben und ein Prozess feststellen werde, ob dieser in Notwehr oder nicht gehandelt habe.
Dann fragte er nach Michels Besitz, erklärte Georg zum nächsten Angehörigen und somit Alleinerben von Michels Nachlass. Er ließ sich von Georg Michels Geldkatze zeigen, nahm