Das Erbe des Bierzauberers. Günther Thömmes. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günther Thömmes
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Исторические детективы
Год издания: 0
isbn: 9783839234228
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dritter Zecher. »Die neuen Methoden wie das, was die Bauern ›Drei-Felder-Wirtschaft‹ nennen, verhelfen ihnen zu besseren Ernten.«

      »Und die neuen Mühlentechniken erst. Da geraten das Brot und das Mehl viel besser«, fuhr der Erste fort.

      »Die Städte füllen sich wieder«, kam der Zweite zurück zum Thema. »Und wer was kann, der kann hier leicht Bürger werden.«

      Das lag für Bertram zwar in weiter Ferne, er war viel zu jung und hatte zu wenig Geld, aber in einer aufstrebenden Stadt gab es sicher Arbeit für ihn.

      Dieter de Foro

      Dieter war der letzte männliche Nachkomme der de-Foro-Familie und, wenn kein Wunder geschah, würde das alte Stadtadelsgeschlecht mit ihm in männlicher Linie aussterben. Er hasste Kinder nämlich, und das, was er am wenigsten vom Leben erwartete, war, mit einer Frau in Familienbanden zu leben.

      »Womöglich mit einer, die nach dem dritten Kind nur noch fett und nörgelnd hinter mir herläuft«, pflegte er mürrisch von sich zu geben.

      Gerne ließ er sich nach ein paar Bier darüber aus:

      »Ich möchte keinen schreienden, keifenden Nachwuchs. Die seit Generationen überlieferten göttlichen Strafgerichte, die mal als Hungersnot oder Missernte, mal als Seuche über uns kommen, zeigen doch überdeutlich, dass zu viele Menschen auf der Erde die vorgegebene Ordnung zerstören würden, wie schon Aristoteles gemahnt hat. Von mir aus kann das Menschengeschlecht gerne vom Angesicht der Erde verschwinden.«

      Dann betrachtete er amüsiert den Schrecken in den Gesichtern seiner Zuhörer und brach in meckerndes Gelächter aus.

      Misanthropie war jedoch nur eine seiner schlechten Seiten.

      Verschlagen, hinterhältig, schweigsam und illoyal, war Dieter nur seinen eigenen Interessen und Neigungen verpflichtet, nämlich Bier, gutem Essen und Musik.

      Dem Ersten und Zweiten in einem Maße, dass es an Völlerei grenzte, dem Letzteren in einem Ausmaß, das an Götzendienst gemahnte. Aber mit Geboten oder kirchlichen Regeln wie Todsünden gab er sich erst gar nicht ab. Seine sonst übliche Schweigsamkeit überwindend, rechtfertigte er so zum Beispiel volltönend die von ihm mit schöner Regelmäßigkeit abgehaltenen Fress- und Saufgelage, sobald er keinen Denunzianten in seinem Brauhaus glaubte:

      »Fasten ist etwas für Idioten. Wenn alle Leute lesen könnten oder die Pfaffen es euch aus der Heiligen Schrift übersetzten, dann wüsste ein jeder, dass Jesus und die Propheten viel gefastet haben. Bis zu 40 Tage. Und dass sie es zum Kotzen fanden!«

      Seine große, hagere Gestalt sprach seinem Lebenswandel Hohn.

      »Seid froh, in der Stadt zu leben«, sagte er gerne.

      »Hier dürfen wir sogar in der Fastenzeit Butter essen.«

      Diesen Ausspruch unterstrich er, indem er mit der Hand in den Butterteller langte und ein großes Stück, ohne Brot oder sonstige Beilage, in sich hineinstopfte. Manch einem wurde dabei bereits vom Zusehen übel.

      Seine Haare wurden zusehends dünner, aus Eitelkeit kämmte er sie nach vorne, was ihm ein leicht groteskes Aussehen verlieh. Sein fahles Gesicht mit den hervorspringenden Wangenknochen unterstrich dies noch.

      Obwohl sein Bier bestenfalls Mittelmaß war und er das gute Essen meist nur sich selbst gönnte, war sein Brauhaus regelmäßig zum Bersten voll. Das lag ausschließlich an seinen erlesenen musikalischen Darbietungen. Es gelang ihm immer wieder, die besten fahrenden Sänger und Musikanten zu engagieren.

      In Trier wie in Köln gab es bereits Meistersinger-Schulen, sodass deren Schüler auf der Reise häufig in Bitburg Station machten. Begleitet von Flöten, Dudelsäcken und Handtrommeln, sangen die Fortgeschrittenen unter den Sängern bereits mehrstimmig. Obwohl die Lehre der großen Pariser Magister Leoninus und Perotinus von der Mehrstimmigkeit bereits seit Längerem an den Meistersinger-Schulen gelehrt wurde, galt ein derartiger Vortrag in einer Schenke doch als etwas unerhört Neues. Die Menschen waren ganz verrückt danach und drängten in die Vorstellungen, egal was es kostete.

      An diesem Abend war es eher ruhig. Keine Musik, wenige Gäste.

      Dieter war derlei gewohnt.

      Da er am nächsten Tag Bier brauen wollte, war es ihm aber recht, da konnte er zeitig zu Bett gehen.

      Er plante, ein neues Rezept auszuprobieren. Ein Bier mit Zusatz von Queckenwurzel und Runkelrüben. Nach seiner Vorstellung sollte das Bier damit bernsteinfarben bis rötlich herauskommen.

      »Dazu ein wenig Wermut und Wacholder. Das wäre doch mal was anderes als die dunkle, bittersüße Brühe, die von den Flügels hergestellt wird«, murmelte er vor sich hin.

      Ihm graute nur vor der Arbeit, die Runkelrüben klein zu hacken.

      »Mein Brauerbursch wird dazu keine Zeit haben, muss ich es wohl selber machen.«

      Da fuhr ein Windstoß durch die fast leere Schenke: Die Tür wurde geöffnet.

      Ein Junge stand im Eingang, ging auf ihn zu und fragte:

      »Seid Ihr der Brauherr Dieter? Man ruft mich Bertram, und ich suche eine Arbeit als Brauerbursch! Der Flügel-Pierpreu vom ›Römer‹ hat mich zu Euch geschickt.«

      »Was denkst du dir, du Bauerntölpel, dass du mich einfach so anreden darfst! Meine Familie ist seit Erlangung der Stadtrechte, seit über 200 Jahren, als Stadtadel im Bitburger Schöffenkollegium vertreten. Du solltest nur mit mir reden, wenn ICH DICH anspreche.«

      Dieters Zorn war gespielt, er machte sich gerne einen Spaß daraus, vor einfachen Leuten den arroganten Edelmann herauszukehren.

      Bertram blickte eingeschüchtert zu Boden und murmelte eine Entschuldigung.

      Dieter schaute ihn an und bemerkte die Entstellung in dessen Gesicht.

      Er lächelte hintergründig, eigentlich kam der Bursche ja wie gerufen.

      »Magst du Runkelrüben klein schnitzeln? Dann kannst du gleich morgen anfangen.«

      Er hatte nicht vor, ihn länger zu behalten, aber diese Arbeit konnte der schiefnasige Trottel ihm gut abnehmen. Danach würde er ihn vom Hof jagen.

      Georg

      Georgs Anfangslohn betrug zehn Pfennige am Tag. Damit hätte er nicht viel anfangen können, aber bei Fischer gab es zu essen, und er hatte sich von seinen, oder besser: Michels Ersparnissen noch vorher neu eingekleidet.

      Eine einfache Hose für sieben Pfennige, für vier Pfennige ein Hemd, dazu 15 Pfennige für ein Paar Schuhe, die ersten seines Lebens. Fischer bestand darauf, dass bei der Arbeit mit den Biersteinen Schuhe getragen wurden. Trotzdem hatte er noch reichlich Münzen übrig, die er wieder zurück ins Versteck tat.

      Daniel und Georg kamen überraschend gut miteinander aus. Oder war es, dass es Sonja, die länger geblieben war als nur eine Nacht, gelungen war, ihn zu zähmen? Seine Wutausbrüche und ebenso seine Prügelorgien