Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Arthur Conan Doyle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Arthur Conan Doyle
Издательство: Bookwire
Серия: Reclam Taschenbuch
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783159617220
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Der König mag tun und lassen, was er will, ohne Behinderung durch jemanden, den er grausam hintergangen hat. Ich behalte es lediglich, um mich selbst zu schützen und mir eine Waffe zu erhalten, die mich für immer von irgendwelchen Schritten, die er in Zukunft unternehmen mag, verschonen wird. Ich hinterlege ein Foto, an dessen Besitz ihm gelegen sein mag, und verbleibe, lieber Mr. Sherlock Holmes, aufrichtig die Ihre,

      Irene Norton, geb. Adler.«

      »Was für eine Frau – oh, was für eine Frau!«, rief der König von Böhmen, als wir alle drei das Schreiben durchgelesen hatten. »Habe ich Ihnen nicht gesagt, wie rasch und resolut sie handelt? Hätte sie nicht eine wunderbare Königin abgegeben? Ist es nicht ein Jammer, dass sie nicht von gleichem Rang ist?«

      »Nach dem, was ich von der Dame gesehen habe, scheint sie in der Tat von ganz anderem Rang als Eure Majestät zu sein«, sagte Holmes kalt. »Es tut mir leid, dass ich nicht in der Lage war, den Auftrag Eurer Majestät zu einem erfolgreicheren Abschluss zu bringen.«

      »Im Gegenteil, mein lieber Herr«, rief der König aus. »Nichts hätte erfolgreicher sein können. Ich weiß, dass ihr Wort unverbrüchlich ist. Die Fotografie ist jetzt ebenso ungefährlich, wie wenn sie in Asche läge.«

      »Ich höre mit Vergnügen, dass Eure Majestät es sagen.«

      »Ich stehe unermesslich tief in Ihrer Schuld. Bitte, sagen Sie mir, auf welche Weise ich es Ihnen entgelten kann. Dieser Ring …« Er zog einen schlangenförmigen Smaragdring vom Finger und reichte ihn auf der Handfläche dar.

      »Eure Majestät besitzen etwas, das ich ungleich höher schätzen würde«, sagte Holmes.

      »Sie brauchen es nur zu nennen.«

      »Dieses Foto.«

      Der König starrte ihn voller Verblüffung an.

      »Irenes Foto?«, rief er aus. »Sicher, wenn Sie es wünschen.«

      »Ich danke Eurer Majestät. Dann gibt es in dieser Angelegenheit nichts weiter zu tun. Ich habe die Ehre, Ihnen einen recht guten Morgen zu wünschen.« Er verneigte sich, und indem er sich umwandte, ohne die Hand zu beachten, die der König ihm entgegenstreckte, brach er in meiner Begleitung zu seiner Kanzlei auf.

      Und so geschah es, dass ein ungeheurer Skandal das Königreich Böhmen in Mitleidenschaft zu ziehen drohte und die ausgekochtesten Pläne von Mr. Sherlock Holmes vom Witz einer Frau vereitelt wurden. Er pflegte sich über die Raffinesse der Frauen lustig zu machen, aber in letzter Zeit habe ich dergleichen nicht mehr von ihm vernommen. Und wenn er von Irene Adler spricht oder sich auf ihre Fotografie bezieht, so geschieht es stets unter dem Ehrentitel: die Frau.

      Übersetzung von Hans-Christian Oeser

      Die Liga der Rothaarigen

      An einem Herbsttag des vergangenen Jahres stattete ich meinem Freund, Mr. Sherlock Holmes, einen Besuch ab und fand ihn in lebhafter Unterhaltung mit einem sehr beleibten älteren Herrn mit frischer Gesichtsfarbe und feuerrotem Haar. Ich war im Begriff, mich mit einer Entschuldigung für mein Eindringen zurückzuziehen, als Holmes mich hastig in das Zimmer zog und die Tür hinter mir schloss.

      »Zu einem besseren Zeitpunkt hätten Sie gar nicht kommen können, mein lieber Watson«, sagte er herzlich.

      »Ich befürchtete, Sie seien beschäftigt.«

      »Das bin ich auch. Sehr sogar.«

      »Dann kann ich nebenan warten.«

      »Aber nicht doch. Dieser Herr, Mr. Wilson, war in vielen meiner erfolgreichsten Fälle mein Partner und Helfer, und zweifellos wird er mir auch in dem Ihren von größtem Nutzen sein.«

      Der beleibte Herr erhob sich halb von seinem Stuhl und deutete eine Verbeugung an, mit einem raschen, fragenden kurzen Blick aus seinen kleinen fettumrandeten Augen.

      »Versuchen Sie es mit dem Sofa«, sagte Holmes, ließ sich in seinen Lehnsessel zurückfallen und legte die Fingerspitzen aneinander, wie es in kritischer Stimmung seine Gewohnheit war. »Ich weiß, mein lieber Watson, dass Sie meine Liebe teilen für alles, was bizarr ist und außerhalb der Konventionen und der faden Alltagsroutine liegt. Die Begeisterung, die Sie veranlasste, so viele meiner eigenen kleinen Abenteuer aufzuzeichnen und, wenn Sie mir diese Worte gestatten, ein wenig auszuschmücken, hat das bewiesen.«

      »Ihre Fälle haben mich in der Tat außerordentlich interessiert«, bemerkte ich.

      »Sie werden sich an meine Äußerung von neulich erinnern, kurz bevor wir uns des sehr geringfügigen Problems annahmen, das Miss Mary Sutherland uns vorlegte, dass wir nämlich, wenn wir seltsame Effekte und ungewöhnliche Kombinationen suchen, uns an das Leben selbst wenden müssen, das immer viel verwegener ist als jedes Erzeugnis der Phantasie.«

      »Eine Behauptung, die anzuzweifeln ich mir gestattete.«

      »Das haben Sie getan, Doktor, aber nichtsdestoweniger werden Sie sich von mir überzeugen lassen müssen, denn sonst werde ich Sie so lange mit einer Tatsache nach der anderen überhäufen, bis Ihr Verstand unter ihnen zusammenbricht und zugibt, dass ich recht habe. Nun, Mr. Jabez Wilson hat mich freundlicherweise heute Vormittag aufgesucht und eine Geschichte zu erzählen begonnen, die eine der eigentümlichsten zu werden verspricht, die ich seit geraumer Zeit vernommen habe. Sie haben mich bemerken hören, dass die seltsamsten und außergewöhnlichsten Dinge sehr oft nicht mit den größeren, sondern den kleineren Verbrechen verbunden sind und gelegentlich sogar mit Fällen, wo man Zweifel hegen kann, ob überhaupt ein echtes Verbrechen begangen worden ist. Soweit ich bis jetzt gehört habe, kann ich unmöglich sagen, ob es sich bei dem gegenwärtigen Fall um ein Verbrechen handelt oder nicht, aber der Ablauf der Ereignisse gehört gewiss zu dem Eigentümlichsten, was ich je gehört habe. Vielleicht hätten Sie die große Güte, Mr. Wilson, noch einmal mit Ihrer Geschichte zu beginnen. Ich bitte Sie darum nicht nur, weil mein Freund, Dr. Watson, den ersten Teil nicht gehört hat, sondern auch, weil mir wegen der sonderbaren Beschaffenheit der Geschichte viel daran liegt, jede nur denkbare Einzelheit aus Ihrem Mund zu erfahren. In der Regel kann ich mich, wenn ich nur einige leichte Andeutungen zum Ablauf der Ereignisse gehört habe, von den Tausenden von anderen, ähnlichen Fällen leiten lassen, an die ich mich erinnere. Im vorliegenden Fall muss ich zugeben, dass die Tatsachen nach meinem besten Wissen und Gewissen einmalig sind.«

      Der behäbige Klient blähte sich mit den Anzeichen eines gewissen Stolzes auf und zog eine schmutzige und zerknitterte Zeitung aus der Innentasche seines Mantels. Während er die Anzeigenspalte überflog, mit vorgebeugtem Kopf, das Blatt auf seinem Knie ausgebreitet, sah ich mir den Mann genau an und bemühte mich, nach der Art meines Gefährten die Hinweise zu deuten, die seine Kleidung oder sein Äußeres geben mochten.

      Meine Prüfung brachte mir jedoch keinen sehr großen Gewinn. Unser Besucher zeigte alle Merkmale eines durchschnittlichen, gewöhnlichen britischen kleinen Geschäftsmanns, korpulent, aufgeblasen und schwerfällig. Er trug ziemlich ausgebeulte, verwaschene, schwarzweiß karierte Hosen, einen nicht übermäßig sauberen schwarzen Gehrock, dessen Knöpfe vorne nicht geschlossen waren, und eine Weste von unbestimmter Farbe mit einer schweren Prinz-Albert-Uhrkette aus Messing, von der als Ornament ein viereckiges, durchbohrtes Metallstück herunterhing. Ein abgetragener Zylinder und ein verschossener brauner Mantel mit zerknittertem Samtkragen lagen neben ihm auf einem Stuhl. So eingehend ich ihn auch musterte – insgesamt war nichts Bemerkenswertes an dem Mann, ausgenommen sein auffallender roter Schopf und der Ausdruck äußersten Verdrusses und Missvergnügens in seinen Zügen.

      Sherlock Holmes’ scharfem Auge war meine Beschäftigung nicht entgangen, und er schüttelte lächelnd den Kopf, als er meine fragenden Blicke bemerkte. »Außer den eindeutigen Fakten, dass er irgendwann einmal mit den Händen gearbeitet hat, Schnupftabak nimmt, Freimaurer ist, in China war und in der letzten Zeit bemerkenswert viel geschrieben hat, kann ich nichts folgern.«

      Mr. Jabez Wilson schreckte auf seinem Stuhl hoch, den Zeigefinger noch auf der Zeitung, die Augen aber auf meinen Gefährten gerichtet.

      »Wie