Der Pons wird nach unten und nach oben hin von zwei Strukturen begrenzt, die wie Fäden aus dem Gehirn austreten. Bei diesen Fäden handelt es sich um Hirnnerven, welche mit zwei Ausnahmen dem peripheren Nervensystem zugerechnet werden (Ausnahmen siehe Kapitel 5 über Hirnnerven). Jeder Mensch besitzt zwölf Hirnnervenpaare, die in einem gesonderten Kapitel dieses Lehrbuchs behandelt werden. Vor allem in der Basalansicht sind die Hirnnerven gut zu identifizieren und werden deswegen zumeist an solchen Präparaten geprüft. Auf zwei dieser insgesamt zwölf Hirnnervenpaare soll an dieser Stelle bereits eingegangen werden. Am Übergang der Medulla oblongata in den Pons findet man den Nervus abducens (VI. Hirnnerv; Lage in Abb. 2.13 mit einem Stern markiert). Dieser Hirnnerv ist, wie sein Name vermuten lässt, für die Abduktion des Augapfels zuständig. Am anderen Ende des Pons findet man am Übergang zum Mittelhirn ein weiteres Hirnnervenpaar, den Nervus oculomotorius (III. Hirnnerv; Lage in Abb. 2.13 mit einem Pfeil markiert). Der Nervus oculomotorius entspringt in der Fossa interpeduncularis, also zwischen den beiden Crura cerebri des Mesencephalons. Anhand dieses Hirnnerven lässt sich das Mittelhirn in der Basalansicht gut identifizieren.
Ganz ähnlich wie in der medio-sagittalen Ansicht sind auch in der Basalansicht Anteile des Diencephalons voneinander abzugrenzen. Einen klar definierten Übergang zwischen Mesencephalon und Diencephalon gibt es in der Basalansicht zwar nicht, man orientiert sich jedoch am einfachsten anhand der beiden Wülste, die in der Tiefe der Fossa interpeduncularis zu sehen sind. Es handelt sich hierbei um die Corpora mammillaria (= Brustköperchen). Die Bezeichnung „Brustkörperchen“ verdeutlicht einmal mehr die bildhafte Vorstellung der frühen Anatomen. Funktionell handelt es sich bei den Corpora mammillaria um Umschaltstationen des sogenannten Papez-Neuronenkreises, dessen Bedeutung sich beim Ausfall der Brustkörperchen erschließt. Wenn der Papez-Neuronenkreis unterbrochen wird, treten massive Gedächtnisstörungen auf – Inhalte werden nur noch für wenige Minuten behalten, die Bildung eines Neugedächtnisses ist unmöglich, das Leben wird ein ewiges Jetzt. Leider sind Schädigungen der Corpora mammillaria gar nicht so selten. Sie sind nämlich unheimlich empfindlich gegenüber einer Alkoholintoxikation. Um dies so zu formulieren, dass es auch jeder versteht: Man kann sie sich wegsaufen. Dabei ist der Schuldige weniger der Alkohol selbst, sondern der bei Alkoholikern oft chronische Vitamin-B1-Mangel – er setzt den Nervenzellen der Corpora mammillaria kräftig zu.
Weitere Strukturen, die dem Diencephalon in der Basalansicht recht eindeutig zuzuordnen sind, sind die Hypophyse und der Nervus opticus mit seiner Sehnervenkreuzung (Chiasma opticum). Von der Hypophyse ist in aller Regel nur seine Verbindung zum Diencephalon, das Infundibulum im makroskopischen Präparat sichtbar. Die Hypophyse selber verbleibt in der Schädelkalotte, da sie dort von harten Hirnhäuten umgeben ist und bei der Gehirnentnahme abreißt. Beim Nervus opticus handelt es sich, wie der Name unschwer vermuten lässt, um den Sehnerv, er bildet den II. Hirnnerven. Beim Chiasma opticum handelt es sich um eine teilweise Überkreuzung der Nervenfasern des Sehnervs.
Direkt vor dem Sehnervenpaar liegen rechts und links Elemente der ersten Hirnnervenpaare, der Bulbus olfactorius und Tractus olfactorius. Sie sind wichtig für das Riechen von verschiedenen Aromen und Duftstoffen und werden bereits dem Telencephalon zugrechnet. Im Allgemeinen sind vom Telencephalon in der Basalansicht die basalen Anteile des Lobus frontalis sowie basale Anteile des Lobus temporalis gut einzusehen. Lobus parietelis und occipitalis sind dagegen weitestgehend von anderen Strukturen des Zentralnervensystems überdeckt.
Lagebeschreibungen im Zentralnervensystem: Meynert- und Forel-Achse
Dem aufmerksamen Leser ist es sicher nicht entgangen: Bisher haben wir uns bei Beschreibungen bezüglich der verschiedenen Gehirnareale nicht an einheitliche Regeln gehalten. Damit soll ab jetzt Schluss sein, eine allgemein gültige Nomenklatur wird eingeführt. Hierbei betrachten wir zuerst einmal die Nomenklatur der Lagebeziehungen beim Vierfüßler (zum Beispiel einem Pferd; Abb. 2.14).
Bei einem Pferd befinden sich sämtliche Anteile des Zentralnervensystems mehr oder weniger aufeiner Linie. Hier findet die Meyert- Achse mit ihren vier Dimensionen (ventral–dorsal und oral–kaudal) ihre Anwendung.
Bei allen Lebewesen jedoch, die in den aufrechten Gang übergegangen sind, kommt es während der Entwicklung zu einem Abknicken des Nervensystems. Bei ihnen ist die Einführung einer weiteren Achse, der Forel-Achse, erforderlich, die Begriffe wie folgt erweitert:
ventral = basal
dorsal = parietal
rostral = frontal
kaudal = okzipital
Diese folgt der allgemeinen Körperachse des Menschen, die auch Meynert-Achse genannt wird. Von der Körpermitte ausgehend liegt alles vor der Körpermitte dem Bauch zugewandt, also ventral, alles hinter der Körpermitte dem Rücken zugewandt, also dorsal. Bewegt man sich vom Körpermittelpunkt nach vorne, dann spricht man von rostral bzw. oral (also dem Mund zugewandt), bewegt man sich hingegen nach hinten, dann spricht man von kaudal (dem Körperschwanz zugewandt). Es ergeben sich zusammenfassend folgende Lagebezeichnungen: ventral – dorsal – oral – kaudal (bauchwärts – rückenwärts – mundwärts – schwanzwärts). Rostral leitet sich von dem lateinischen Wort rostrum für „Schnabel“ ab und ist deswegen gleichzusetzen mit dem Wort „oral“.
Wie an der Abbildung zu erahnen ist, befinden sich sämtliche Anteile des Zentralnervensystems beim Pferd, also Gehirn und Rückenmark, mehr oder weniger in einer Linie. Somit findet die Meynert-Achse mit ihren vier Dimensionen beim Pferd für die Lagebeschreibung aller Gehirnanteile ihre Anwendung. Anders verhält es sich jedoch bei allen Lebewesen, die in den aufrechten Gang übergegangen sind (so zum Beispiel der Mensch). Bei ihnen kommt es während der Entwicklung zu einem Abknicken des sich entwickelnden Nervensystems und zwar um etwa 90° zwischen dem sich entwickelnden Mes- und Diencephalon. Die Linie, die parallel zur Achse durch das Di- und Telencephalon liegt, wird als Forel-Achse bezeichnet. Die eigentlichen Begriffe ventral – dorsal – oral – kaudal finden auch bei der Forel-Achse ihre Anwendung, nur ist die eigentliche Lagebeziehung aufgrund des Abknickens während der Entwicklung nicht mehr so einfach nachzuvollziehen. Der Einfachheit halber wurden die Begriffe der Meynert-Achse zur Beschreibung der Lagebeziehung von Di- und Telencephalon um folgenden Begriffe ergänzt: ventral = basal, dorsal = parietal, rostral = frontal und kaudal = okzipital. In diesem Lehrbuch werden wir immer dann, wenn wir Lagebeziehung des Hirnstamms (Medulla oblongata, Pons, Mesencephalon) oder aber des Rückenmarkes beschreiben, Begriffe der Meynert-Achse verwenden. Zur topographischen Beschreibung von Strukturen, die sich im Diencephalon oder Telencephalon befinden, werden wir von jetzt an die Begriffe basal, parietal, frontal und okzipital verwenden. Wir halten uns also an die Forel-Achse. Der Gyrus praecentralis liegt demnach frontal zum Gyrus postcentralis, der Fornix basal des Balkens (siehe entsprechende Abbildungen).
Systematik der Verbindungen des Nervensystems
Wir haben bereits besprochen, dass zwischen dem Cortex cerebri und der subkortikalen grauen Substanz das Mark, die Substantia alba liegt. Sie besteht histologisch vor allem aus den axonalen Fortsätzen der Nervenzellen und enthält somit die Verbindungen verschiedener Gehirnareale untereinander. Die weiße Substanz bzw. das Mark des Großhirns enthält drei Arten von Fasersystemen: