Am hinteren Ende des Frontallappens findet sich der primär motorische Kortex (der Gyrus praecentralis, Motokortex, Abb. 2.9), der maßgeblichen Anteil an der willentlichen Bewegung hat. Er steht also im Dienste der Somatomotorik. Im basalen Anteil des Frontallappens, genauer gesagt im Gyrus frontalis inferior, befindet sich das Broca-Areal bzw. Broca-Zentrum. Hier ist der Sitz des motorischen Sprachzentrums, also des Gehirnanteils, der die Muskeln zur Aussprache eines Wortes ansteuert und koordiniert. Eine Schädigung des Gehirns im Broca-Areal, nicht selten bei einem Schlaganfall zu beobachten, führt zu einer einer motorischen Aphasie, d. h.einer erworbenen Sprachstörung, bei der aber das Sprachverständnis weitgehend intakt bleibt. Für das Sprachverständnis ist eine Region am Übergang des Temporal- in den Parietallappens zuständig (Wernicke-Zentrum; siehe unten). Hier soll schon einmal erwähnt werden, dass sich das Broca-Zentrum genauso wie das Wernicke-Zentrum nur in der dominanten Hemisphäre befindet. Diese ist beim Rechtshänder in aller Regel links.
Lobus parietalis – der Scheitellappen
Der Parietallappen beginnt unmittelbar hinter dem motorischen Gyrus praecentralis mit einem Gyrus postcentralis. Der Parietallapen (Scheitellappen) liegt somit hinter dem Frontallappen und ist von diesem durch die Zentralfurche, den Sulcus centralis getrennt. Der Gyrus postcentralis gehört funktionell zum somato-sensiblen System, empfängt also bewusste Sinneseindrücke wie Schmerz, Druck, Vibration, Temperatur etc. Bezogen auf unser weiter oben bereits erwähntes Beispiel mit dem Fußballspieler wird der Gyrus postcentralis bei einem Foul aktiviert und erlaubt es dem Gefoulten, Aussagen über Intensität und Lokalisation einer möglichen Verletzung treffen zu können. Läsionen im Gyrus postcentralis führen demzufolge zu einer eingeschränkten Empfindungsfähigkeit des repräsentierten Körperteils. Das betrifft Berührung, Druck und Temperatur, weniger jedoch den Schmerz. Der Parietallappen geht nach hinten in den Lobus occipitalis über, die Grenze bildet der Sulcus parietooccipitalis. Diese Grenze zwischen Parietal- und Okzipitallappen ist in der medio-sagittalen Sichtweise besonders deutlich zu identifizieren. Es bietet sich also an, in der praktischen Prüfung in eben dieser Sichtweise auf das Gehirn den Übergang von Parietal- in Okzipitallappen zu demonstrieren.
Alle weiteren Bereiche des Parietallappens, die nicht dem Gyrus postcentralis entsprechen, haben eine eher integrative Funktion. Diese abstrakte Formulierung ist eigentlich leicht zu verstehen. Stellen Sie sich vor, vor Ihnen auf dem Tisch liegen zwei Gegenstände: ein Tennisball und ein Tischtennisball. Beide Gegenstände sind in ihrem Aussehen relativ ähnlich, trotzdem sind Sie dazu in der Lage, auch mit geschlossenen Augen herauszufinden, welches der Tischtennisball und welches der Tennisball ist. Sie wissen, dass ein Tischtennisball viel kleiner als ein Tennisball ist, weil sie es gelernt haben. Darüber hinaus hat der Tischtennisball eine glatte Oberfläche, wohingegen der Tennisball eine raue-filzige Oberfläche aufweist. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass der Tischtennisball um etliches leichter ist. Der Gyrus postcentralis sammelt die gesamten sensiblen Informationen, die für die Zuordnung verschiedener Gegenstände in diesem Beispiel verantwortlich sind. Mit den Fingerkuppen erfühlen sie die Oberflächenbeschaffenheit beider Bälle, über entsprechende Rezeptoren in den Muskeln und Gelenken können Sie das Gewicht der Bälle abschätzen (zumindest können Sie entscheiden, welcher Ball der leichtere und welcher der schwerere ist). All diese Informationen, isoliert für sich, helfen Ihnen nicht allzu sehr weiter: Sie müssen in einem nächsten Schritt in andere Informationen „integriert“ werden. Erst ein Abgleich mit dem, was sie bereits über kugelige Strukturen (in unserem Beispiel Bälle) gelernt haben, erlaubt es Ihnen zu entscheiden, welches der Tischtennisball und welches der Tennisball ist. Sie sehen, dass diese auf den ersten Blick recht simple Gehirnfunktion die Interaktion ganz verschiedener Gehirnareale erfordert. Genau diese Interaktion zwischen Sinneseindrücken und Gelerntem werden von weiten Teilen des Lobus parietalis vermittelt.
Lobus temporalis – der Schläfenlappen
Unterhalb des Frontal- und Parietallappens, gentrennt durch den prominenten Sulcus lateralis, befindet sich der Temporallappen. Die vielleicht bekannteste Funktion des Temporallappens ist das Hören. Bekannt – ja. Aber leicht zu sehen – nein. Denn das primäre Hörzentrum, die sogenannten Heschl’schen Querwindungen, sind in den Tiefen des Sulcus lateralis verborgen. Anatomisch werden sie als Gyrus temporalis transversus anterior und posterior bezeichnet. Um diese zu sehen, müssen die darüber liegenden Strukturen des Frontal- und Parietallappens entweder entfernt oder auseinandergedrängt werden (Abb. 2.10).
Laterale Ansicht des Temporallappens
Hirnhäute vollständig entfernt; Opercula frontale und parietale angehoben; Blick auf die Insula
1Zentraler Teil der Insula
2Lobus frontalis, Operculum
3Pons
4Oliva
5Sulcus centralis
6Lobus parietalis, Operculum
7Lobus temporalis, Operculum
8Cerebellum
In diesen Windungen, den Heschl’schen Querwindungen, endet die Hörbahn, die Signale von Sinneszellen aus der Schnecke des Ohres überträgt. Der Schläfenlappen geht zum Hinterhaupt hin ohne scharfe Grenze in den Okzipitallappen über. In den hinteren Abschnitten des Gyrus temporalis superior befindet sich das sensorische Sprachzentrum, das nach seinem Beschreiber auch Wernicke-Zentrum genannt wird (siehe Abb. 2.9). Es erstreckt sich über den Gyrus temporalis superior heraus auf angrenzende Gyri. Im Gegensatz zum bereits erwähnten motorischen Sprachzentrum (Broca-Zentrum) ist es vor allem für das Sprachverständnis verantwortlich.
Lobus occipitalis – der Hinterhauptlappen
Der Lobus occipitalis steht mehr oder weniger ganz im Dienste des Sehens und der damit verbundenen Verarbeitung von Sinneseindrücken. An der zur Körpermitte zeigenden (medialen) Seite des Okzipitallappens befindet sich der Sulcus calcarinus. Beidseits dieses Sulcus liegt die primäre Sehrinde. Um die Bereiche der primären Sehrinde herum liegen sogenannte sekundäre Sehzentren, welche die Sehinformation integrativ verarbeiten. Dabei funktionieren sie ganz ähnlich wie die integrativen Zentren des Parietallappens. Primäre visuelle Informationen wie etwa gelb, gebogen, klein etc. werden mit anderen Gehirnzentren abgeglichen. Dadurch kann erkannt werden, ob es sich hier beispielsweise um eine Banane handelt. Dort, wo der hintere Anteil des Temporallappens in die Windungen des Okzipitallappens übergeht, „überschneiden“ sich auditorische und visuelle Funktionen. Hier finden sich „lexikalische“ Zentren, die mit der Erkennung geschriebener und gesprochener Sprache zu tun haben.
Wie Sie sicherlich bereits bemerkt haben, können in der medio-sagittalen Ansicht viele Abschnitte des Zentralnervensystems betrachtet werden. Um jedoch Gehirnabschnitte wie das Telencephalon in seiner gesamten Ausdehnung studieren zu können, reicht die medio-sagittale Sichtweise nicht aus. Man muss hierfür das Gehirn um 180° drehen. Diese Sichtweise, wie sie in Abb. 2.11 dargestellt ist, nennt man laterale Ansicht auf das