Die Idee mit den 5 Minuten
Nun – wie geht man ein Verhaltensproblem einer Gruppe von Verkehrsteilnehmern an, die innerstädtisch nahezu ein Drittel des Verkehrsaufkommens ausmachen?
Aus bereits vertieften Kontakten mit der Initiative Sicherer Arbeitsweg34 der BASF, und der Bezirksdirektion der gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) war mir bekannt, dass in den Industriebetrieben die häufigsten Ausfalltage durch Wegeunfälle entstehen. Die ausfallstärkste Gruppe stellen dabei die Radfahrer dar. Bei der Analyse der Unfallzeiten der örtlichen Radunfälle hielten sich die Unfälle der Berufstätigen und Studenten zwischen 18 und 65 Jahren zu den täglichen Stoßverkehrszeiten an Werktagen etwa die Waage mit den Unfällen außerhalb von Pendlerzeiten. Bei den Unfallursachen fiel bei den Radfahrern ein Teil eher durch offensive und verkehrswidrige Fahrweise auf. Unternimmt man nun den Versuch, auf einer mittleren innerstädtischen Berufspendlerstrecke schnellstmöglich zum Ziel zu kommen, fährt man trotz Umgehung einiger Verkehrsregeln nicht mehr als fünf Minuten Zeitgewinn heraus. Dafür nimmt man aber Risiken in Kauf und hat unnötige Stressphasen.
Beim ersten Treffen mit den Verantwortlichen des Amtes für Verkehrsmanagement im April 2014 brachte ich die Gedanken in ein Brainstorming ein und wir vereinbarten der gemeinsamen Aktion den Titel „plus5 – Minuten die schützen“ zu geben.
Außerdem vereinbarten wir, die Aktion als Partner-Initiative der vier großen Arbeitgeber Universitätsklinikum Heidelberg, Universität Heidelberg, Stadtverwaltung Heidelberg und Polizei Heidelberg zu gestalten. Kontakte hatte ich bereits hergestellt und erreichte sehr schnell über die jeweiligen Verantwortungsträger für Arbeitssicherheit Zustimmung und Mitwirkungsbereitschaft zur Aktion.
Bereits zum 10. Juli 2014 konnten wir mit den Hausspitzen der Partner zum Start der Aktion und dem Launch der Aktionshomepage www.aktionplus5.de zur Pressekonferenz einladen. Als Berichtspaten konnten die Rhein-Neckar-Zeitung und Radio Regenbogen gewonnen werden.
In einer gemeinsamen Presseerklärung informierten wir die Öffentlichkeit.
Verkehrsunfallprävention:
Konzertierte Initiative zur Änderung von Fehlverhaltensweisen von Radfahrern und zur Verbesserung der Erkennbarkeit von Radfahrern im Stadtgebiet Heidelberg
2013 wurden im Stadtgebiet bei 309 Radunfällen 245 Personen verletzt. Dass die Verletzung nicht immer schwer ausfallen, hängt meist von glücklichen Umständen ab, da Radfahrer, wie Fußgänger sogenannte schwache Verkehrsteilnehmer sind, die keinen Anprallschutz haben.
Heidelberg ist seit 2013 Modellkommune der Initiative RadKULTUR des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg. Programmziel ist, das Mobilitätsverhalten in Baden-Württemberg dauerhaft zu verändern und dadurch den Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr zu steigern.
Als Universitätsstadt ist Heidelberg von jeher fahrradfreundlich. Der aktuelle Anteil am Binnenverkehr wird auf 30 Prozent geschätzt. Größte Arbeitgeber in der Stadt sind die Universitätskliniken und die universitären Einrichtungen mit einer Ballung im Neuenheimer Feld. Mehr als 12.000 Berufstätige und etwa 3.000 Studenten pendeln täglich in dieses Gebiet, in der Radfahrsaison oft deutlich mehr als 5.000 mit dem Fahrrad.
Durch die Flusslage ergeben sich dadurch aber auch Probleme, die sich erheblich auf die Verkehrssicherheit auswirken.
Ab dem Hauptbahnhof bündeln sich bis zur Ernst-Walz-Brücke die Fahrradströme, die über das Nadelöhr „Neckarbrücke“ fahren müssen. Bezogen auf 100.000 Einwohner ist die Unfallrate und damit das Verletzungsrisiko in Heidelberg fast doppelt so hoch wie beispielsweise im Stadtgebiet Mannheim. Zwar hinkt dieser Vergleich schon alleine wegen der unterschiedlichen Topografie, dennoch drängt sich ein Blick auf die Hauptunfallursachen auf.
Unter den fünf häufigsten Unfallursachen finden sich drei mit hohem Offensivpotenzial.
Platz eins belegt die falsche Fahrbahn- oder Straßenbenutzung.
Auf Platz zwei folgt die der Situation nicht angepasste Geschwindigkeit.
Auf Platz vier liegt der fehlende Sicherheitsabstand zu den Vorausfahrenden.
Das lässt den Schluss zu, dass Radfahrer in Heidelberg insgesamt offensiver fahren.
Die Hauptunfallzeiten sind deckungsgleich mit den Stoßverkehrszeiten zu Arbeitsbeginn und -ende und über die Mittagszeit.
Ein Blick auf das Alter der Unfallopfer weist die Zielgruppe der Berufstätigen und Studenten aus.
In der ersten Schönwetterperiode im März 2014 hat das Polizeipräsidium Mannheim während dieser Zeiten Filmaufnahmen entlang der belasteten Hauptroute gemacht. Die Unfall-Analysewerte wurden allesamt bestätigt. Vielen Radfahrern mangelt es sowohl am Unrechts- als auch am Risikobewusstsein.
Präventionskampagne
Eine merkliche Verbesserung der Unfalllage kann durch bauliche Trennung der Verkehrsarten und -ströme erreicht werden. Kurzfristig ist dies nicht realisierbar.
Andererseits würde auch eine erzielbare Verhaltensänderung bei den Radfahrern zu einer Reduzierung von Radfahrunfällen führen.
Letzteres führte zur Aktion „plus5 – Minuten die schützen“.
Naheliegend werden als erste Zielgruppe die Beschäftigten im Neuenheimer Feld in den Fokus genommen. Durch nachhaltig angelegte, kreative Maßnahmenbündel sollen die Radfahrer überzeugt werden, dass nur 5 Minuten mehr vorgesehene Zeit für den geplanten Weg es ermöglichen, risikobewusster, regeltreu und damit sicherer von und zur Arbeit zu fahren.
Für beabsichtigte Verhaltensänderungen dieses Ausmaßes bedarf es eines Zusammenwirkens möglichst vieler Partner.
Als Modellkommune der Landesinitiative RadKULTUR35 hat Heidelberg großes Interesse, dass der positive Trend zur Nutzung des Fahrrades als schnelles innerstädtisches Fortbewegungsmittel nebst der Förderung des Gesundheitsaspektes nicht durch individuelle Fehlverhaltensweisen und gesteigerte Unfallgefahren egalisiert wird. Oberbürgermeister Dr. Würzner, selbst überzeugter Radfahrer, unterstützt die Kampagne persönlich. Das Amt für Verkehrsmanagement arbeitet unmittelbar mit den Partnern zusammen.
Gleichrangig haben die großen universitären Arbeitgeber ein Interesse am Erhalt der Arbeitsfähigkeit ihrer Mitarbeiter. Die Leitungsgremien der Universitätskliniken und der Universität Heidelberg stimmten einhellig einer konzertierten Aktion zu. Aufgrund der Zuständigkeit für Wegeunfälle erfolgt die Zusammenarbeit über die Fachkräfte für Arbeitssicherheit.
Das Polizeipräsidium Mannheim – im Rahmen seiner Aufgaben zur Unfallprävention – komplettiert die zunächst aus vier Partnern bestehende Aktionsgemeinschaft.
Zum Aktionsauftakt werden Plakate und Werbebanner entlang der Route Ernst-Walz-Brücke – Im Neuenheimer Feld angebracht. Das Polizeipräsidium Mannheim hat einen Film-Spot produziert, in dem Echtverstöße Heidelberger Radfahrer und reale Unfallgeschehnisse dargestellt