Er: | Heer, konnsch nät nach Monnäm kumme? |
Sie: | Heer, isch konn nät! |
Er: | allaa gud. |
Die „Fissematente“
Jedes Monnäma Mädel kennt die Warnung der Mutter: Mach kää Fissematente!
Auch wenn es dafür andere Erklärungen geben mag – meine liebste leitet sich vom Locken des französischen Besatzungssoldaten ab, wenn er ein junges einheimisches Mädchen verführen wollte und sie aufforderte, ihn in seinem Zelt zu besuchen: Mademoiselle, visit ma tente. (Gnädiges Fräulein, besucht mein Zelt).
Vielleicht waren es aber auch die charmanten jungen Männer der zugewanderten Hugenotten, Flamen oder Wallonen, die anfangs in Zelten lebten.
Egal – die Monnemer Mütter erlebten die Folgen und machten daraus die Fissematente und jeder kann sich denken, was die, manchmal auch heute noch, mit erhobenem Zeigefinger ausgesprochene Ermahnung bedeutet.
Was lernen wir daraus? Zum Stereotyp des Mannheimers gehört untrennbar die kurpfälzische Liberalität und Heiterkeit.
Allgegenwärtig versprüht die derbe dialektische Mischung der Sprache der im Arbeitermilieu geborenen Mannheimer einen unvergleichlichen Charme.
Legendär ist beispielsweise der Polizei-Notruf der Frau Zehntbauer aus den Mannheimer „Benz-Barracken“, in welchem sie ihren Nachbarn der Ruhestörung bezichtigt29.
Das Zwiegespräch mit dem Polizisten vermittelt genau den beschriebenen Eindruck von derber Herzlichkeit, die die einfachen Leute hier leben.
Aber: dieselbe, in Mannheim angemessene, schlichtende Ansprache in einem Konflikt, kann für den einschreitenden Polizeibeamten in Heidelberg postwendend zu einer Dienstaufsichtsbeschwerde führen. So wird Polizei als Erfahrungsberuf für den jungen Beamten blitzschnell und schmerzhaft begreifbar.
Multi-Kulti und dennoch verschieden
In Mannheim leben schon immer viele Nationalitäten Tür an Tür. Heute zählt die Stadt 166 davon. Die Vereinten Nationen haben im Vergleich dazu nur unwesentlich mehr, nämlich 193 Mitgliedsstaaten. Ein Viertel der heutigen rund 320.000 Stadtbewohner sind Ausländer und fast 45 Prozent haben Migrationshintergrund30. Die Leute haben gelernt, miteinander auszukommen – manchmal derb, aber immer herzlich – naja meistens.
Die Heidelberger dagegen haben sich aus ihrer reformierten calvinistischen Prägung bürgerlich weiterentwickelt. Heidelberg ist mit rund 160.000 Einwohnern beschaulicher als Mannheim. Der Ausländeranteil liegt bei 21 Prozent. Die Akademikerquote unter den hier lebenden Beschäftigten liegt bei etwa 41 Prozent31.
Die touristische Stadt am Fluss ist nach eigenem Bekunden geprägt von Internationalität und Weltoffenheit.
Mit denselben multikulturellen Wurzeln ausgestattet, wirken sich hier insbesondere die intellektuellen und überwiegend naturwissenschaftlichen Einflüsse auf das soziologische Miteinander aus.
Als gebürtiger Heidelberger erlaube ich mir gerne zu sagen, die Geschicke der Stadt werden mehrheitlich von einem linksliberalen Bildungsbürgertum gelenkt.
Die mentalen Unterschiede zwischen den beiden Stadtbevölkerungen sind real erlebbar.
Zwar gibt es die Kurpfalz seit 1803 infolge des Reichsdeputationshauptschlusses32 nicht mehr. Heidelberg und Mannheim wurden dem gleichzeitig zum Großherzogtum aufgewerteten Baden zugeschlagen.
Dennoch wirken sich Geschichte und Tradition noch heute aus.
Du musst schon beide Städte lieben, um diese Mentalitätsmembran – wie ich fast täglich mindestens zweimal – unbeschadet zu durchqueren.
Weil das seit 1994 mein Leben bestimmt, bezeichne ich mich auch gerne als „praktizierenden Kurpfälzer“.
So, jetzt aber genug zum Lokalkolorit. Widmen wir uns dem Alltag des Verkehrspolizisten in den sechs Jahren des Bestehens einer Verkehrspolizeidirektion.
Du musst mit der Stadtmentalität zurechtkommen.
Hier beim Verkehrssicherheitstag in der Heidelberger Bahnstadt.
Das gleiche gilt für Mannheims „Gute Stube“ – den Rosengarten.
Hier beim gemeinsamen Fastnachtsumzug der Städte Mannheim
und Ludwigshafen, dem größten Event in der Kurpfalz mit oft
333.333 Zuschauern.
4Nachzulesen in https://de.wikipedia.org/wiki/Kurpfalz
5 https://de.wikipedia.org/wiki/Bibliotheca_Palatina
6Geprägt durch harte Arbeit und Ablehnung von Genuss und Luxus, Fleiß wird besonders belohnt
7https://de.wikipedia.org/wiki/Zacharias_Ursinus Er lehrte von 1561 bis 1576 an der theologischen Fakultät der Universität Heidelberg.
8 https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Calvin
9 https://www.heidelberger-katechismus.net/8261-0-227-50.html
10 https://www.heidelberger-katechismus.net/8080-214-227-50.html
11 https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_I._Ludwig_(Pfalz)
12Artikel „Karl (II.), Kurfürst von der Pfalz“ von Arthur Kleinschmidt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 324–326, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL:https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karl_II._(Kurf%C3%BCrst_von_der_Pfalz)&oldid=2499632
13Artikel Karl (II.) a.a.O.
14Hierarchische