Der neue Sonnenwinkel Box 6 – Familienroman. Michaela Dornberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Sonnenwinkel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740954130
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solchen Haltung darf man sich auf so etwas nicht einlassen, das wäre unaufrichtig.«

      Sie machte eine kurze Pause.

      »Ich wollte, es wäre alles anders gekommen«, fuhr sie dann leise fort.

      Sie blickte Peter an, der bislang kein einziges Wort gesagt hatte, niemand von ihnen hatte geredet.

      »Peter, vermutlich hast du Maren und Tim erzählt, dass ich deinen Heiratsantrag abgelehnt habe.«

      Die Reaktion zeigte, dass es so war, deswegen wandte Nicki sich jetzt an die Kinder.

      »Es hat nichts mit euch zu tun. Ich hätte euren Vater auch nicht geheiratet, wenn es euch nicht gäbe …, ich glaube, ich werde niemals heiraten …, ich habe Angst vor Bindungen. Tja, nun wisst ihr alles, und ich wünsche mir sehr, dass ihr nicht zu sauer auf mich seid.«

      Nach diesen Worten war es still.

      »Aber es war doch so richtig schön mit uns«, sagte Tim schließlich.

      »Ja, Tim, das war es. Aber es reicht nicht für ein Zusammenleben, ich war eher so etwas wie eine Verwandte, eine Freundin, die zu Besuch kam.«

      »Wenn es den Besuchern so richtig gut gefällt, dann können sie auch bleiben, müssen nicht wieder gehen«, wandte Maren ein. Ihr war anzusehen, wie enttäuscht sie war. Doch Nicki hoffte, dass es ihr gelungen war, Nicki von dem Gedanken wegzubringen, in ein Internat zu gehen, um das Lebensglück ihres Vaters zu retten.

      Jetzt begannen sie, alle miteinander zu reden.

      Die Bredenbrocks waren alle liebenswert!

      Nicki fühlte sich in deren Gesellschaft unendlich wohl, dennoch wusste sie, dass sie sich richtig entschieden hatte. Es wäre nicht gegangen. Irgendwann hätte sie es nicht mehr ausgehalten, und dann hätte sie einen viel größeren Schaden angerichtet. Das hatten sie nicht verdient.

      Unter anderen Umständen wäre sie gern als Freundin geblieben, doch das ging jetzt nicht mehr. Dazu waren Peter und sie sich viel zu nahe gekommen. Nicki wusste nicht, was sie in ihm gesucht hatte. Ohne die Kinder wäre er vermutlich für sie so etwas wie ein Lebensabschnittsgefährte geworden. Auf Dauer hätte ihr etwas gefehlt. Zumindest der Person, die sie derzeit war, die sie nicht mehr sein wollte.

      Irgendwann hatte Nicki das Gefühl, dass es an der Zeit für sie war, zu gehen. Es war alles gesagt worden. Außerdem mussten die Kinder ins Bett gehen, sie sahen müde und erschöpft aus, und morgen würde die Schule wieder beginnen.

      Verrückt, dass ihr solche Gedanken durch den Kopf gingen. Nicki stand auf, verabschiedete sich einzeln von ihnen, und als sie zur Tür ging, hielt sie noch einmal inne, drehte sich um und sagte: »Ob ihr es nun glaubt oder nicht, ich werde euch in schönster Erinnerung behalten, mit euch, das war eine wun­dervolle Zeit, und …«, ihre Stimme brach ab, »es … es tut mir alles wirklich …, es tut mir … leid.«

      Dann rannte sie davon, bekam nicht mit, dass Peter und Maren ihr folgen wollten. Sie sprang in ihr Auto und fuhr los.

      Tränen verschleierten ihren Blick, nahmen ihr die Sicht. Zum Glück herrschte um diese Zeit im Sonnenwinkel so gut wie kein Verkehr mehr. Die Leute waren daheim. Außerdem musste Nicki nicht weit fahren. Wie unter einem inneren Zwang lenkte sie ihr Auto zum Doktorhaus.

      Roberta hatte keine Ahnung davon, dass sie im Sonnenwinkel war. Sie hatte ja zuvor ebenfalls keine Ahnung gehabt, es war eine spontane, sehr emotionale Entscheidung gewesen. Es war allerdings etwas, was sie nicht bereute. Dieser Besuch bei den Bredenbrocks war notwendig gewesen, für alle Beteiligten.

      Es war auf jeden Fall richtig, aber es tat unglaublich weh, ja, das tat es wirklich …

      *

      Vermutlich musste man bis an seine Grenzen gehen, sei es nun körperlich oder emotional, um in der Lage zu sein, plötzlich Klarheit über etwas zu haben, was einem im Unterbewusstsein längst klar war, was man aber immer beiseitegeschoben hatte.

      Nicki war wie vom Blitz getroffen!

      Ja, das war es!

      Das würde sie tun!

      Sie stieg ein wenig benommen aus ihrem Auto, lief durch den Vorgarten, hastete zur Haustür, und schon wollte sie aus alter Gewohnheit klingeln, als sie sich darauf besann, dass sie einen Hausschlüssel hatte.

      Ein wenig umständlich holte sie den aus ihrer Tasche, und dann zögerte sie kurz.

      Konnte sie Roberta jetzt einfach überfallen? Diese Frage war nicht unberechtigt, sie weinte sich immerzu bei ihrer Freundin aus. Auch Freundschaften durfte man nicht überbeanspruchen.

      Sie schloss auf, trat in die Diele. Durch einen Spalt der Wohnzimmertür drang ein Lichtschein.

      Nicki atmete tief durch, dann lief sie auf die Tür zu, stieß sie auf, trat ein.

      Überrascht blickte Roberta hoch. Sie war gerade mit der Akte einer Patientin mit einer Diabetes I beschäftigt. Das war eine Krankheit, die durchaus gut behandelbar war, man konnte die Patienten richtig einstellen. Doch dann mussten die Patienten auch diszipliniert sein, und das war diese Patientin leider nicht.

      Roberta klappte die Krankenakte zu, blickte Nicki an und sagte: »Nicki, was ist los? Du siehst aus, als sei dir der Leibhaftige begegnet.«

      Nicki begann zu schluchzen, und das veranlasste Roberta, aufzustehen, auf ihre Freundin zuzueilen, sie beruhigend in die Arme zu nehmen.

      »Nicki, was ist passiert?«, erkundigte sie sich noch einmal.

      Nicki kämpfte ihre Tränen nieder, beruhigte sich, dann befreite sie sich aus den Armen ihrer Freundin, ließ sich in einen Sessel fallen.

      »Roberta, kann ich heute Nacht hierbleiben? Hast du Zeit, mir zuzuhören? Es ist etwas passiert.«

      So war sie, die Nicki, sie liebte Dramatik.

      »Nicki, welche Frage, du kannst kommen und gehen wie du willst, das weißt du. Und habe ich dir schon einmal nicht zugehört?«

      Nicki schüttelte den Kopf.

      »Also gut, dann hole ich dir jetzt etwas zu trinken.«

      »Ich brauche nur ein Glas, ich trinke von dem Rotwein, der auf dem Tisch steht, und da ich ja heute nicht mehr fahren muss, bekomme ich vorher einen Schnaps? Den brauche ich jetzt, auch wenn du so etwas immer in Abrede stellst.«

      Roberta holte ihr ein Glas, dazu schüttete sie Nicki einen Grappa ein, und der stand noch nicht einmal, als Nicki sich den schnappte und herunterkippte.

      Den Wein rührte sie erst einmal nicht an, nachdem Roberta einen Augenblick gewartet hatte, blickte sie Nicki an. Die riss sich zusammen, und dann erzählte sie von ihrem Besuch bei den Bredenbrocks.

      Sie hatte es also wirklich beendet!

      Nicki hatte das Gefühl, dass Roberta damit nicht so ganz einverstanden war, deswegen versuchte sie, sich ein wenig zu rechtfertigen.

      »Roberta, hier geht es doch nicht um eine kurze Liebe, die man jederzeit beenden kann. Es ist eine Entscheidung fürs Leben. Wenn Kinder dabei sind, sollte es zumindest so sein. Ich habe mir vorher nicht wirklich ernsthafte Gedanken gemacht. Aber es ist halt so, Väter und Kinder bekommt man nur im Paket. Ich kann die Verantwortung einfach nicht tragen. Ich hoffe, Peter und die Kinder halten mich jetzt nicht für leichtfertig, nicht für wankelmütig, sondern nehmen mir ab, dass es mich überfordert hätte.«

      Roberta antwortete nicht sofort, sie musste es erst einmal verdauen. Doch Nicki deutete das Schweigen ihrer Freundin falsch.

      »Du kannst mein Verhalten nicht verstehen, nicht wahr? Du hältst mich für wankelmütig, flatterhaft. Du denkst, ich hätte es mir vorher überlegen sollen. Roberta, ich habe mich ernsthaft bemüht. Vielleicht wäre es ja weitergegangen, Peter hat mich mit seinem Heiratsantrag vollkommen überrumpelt.«

      »Nicki, hör auf, dich zu rechtfertigen. Hinterher ist man immer schlauer, und vielleicht ist es ja gut, dass du es jetzt wirklich beendet hast, denn was dich heute belastet, belastet