Der Schatz von Ihrland. Jörg Bothe. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jörg Bothe
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783861969662
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      Als ich ihn durchs halbe Zimmer geschleudert hatte, war seine Vorführung endlich beendet und er setzte sich wieder ruhig hin. „Über was reden die beiden denn immer?“, fragte ich Mark nach einer Weile.

      „Ich weiß auch nicht. Manchmal sitzen sie stundenlang zusammen und reden über nichts anderes als über unser Haus, die alte Bruchbude.“

      Ich glaube, damit hatte er nicht ganz unrecht, ich meine, das mit der Bruchbude. Das Haus wurde irgendwann um 1860 gebaut und sieht eigentlich ziemlich unbewohnbar aus, aber Peggy würde es nie aufgeben, sagt sie jedenfalls immer. Das Haus war schon seit Baubeginn in Familienbesitz. Dort am Stadtrand in fast schon ländlicher Gegend war es nicht weit zum Badesee, wo wir immer den halben Sommer verbrachten. Am See gibt es einen kleinen Wasserfall, einen schönen Sandstrand und ein paar höhere Felsen, von denen die ganz Mutigen auch schon mal runter in den See springen, um ihre Freundinnen zu beeindrucken. Hab ich natürlich noch nicht nötig gehabt, außer vielleicht zwei, drei Mal. Höchstens aber fünf oder sechs Mal ... Ich meine, ich hab irgendwann aufgehört, zu zählen. Außerdem hat es nichts gebracht. Egal ... Jedenfalls war es von hier aus auch nicht weit zum kleinen Hafen und zum Meer. Vielleicht war die Lage der Grund für den Schleimbolzen, immer wieder über das Haus zu sprechen. Es wurde spekuliert, dass dort in dem Viertel ein großes Einkaufszentrum oder irgendwas mit Hotels oder Tourismus gebaut werden sollte. Einige Bewohner haben wohl schon unterschrieben, andere wehren sich noch und wieder andere wollen nicht verkaufen. Wie zum Beispiel die Mutter von Mark. Noch nicht, wie er immer wieder betont. Er muss es ihr wohl immer wieder ausreden.

      „Er redet immer über eure Supervilla? Wieso das denn? Will er sie jetzt etwa doch kaufen?“, fragte ich ihn und räumte die Überreste meiner Holzkiste in eine Ecke.

      „Keine Ahnung. Soll er doch. Das Haus ist so feucht, dass du mit den Mausefallen Fische fangen kannst. Und wenn tatsächlich mal eine Maus in der Falle sitzt, hat diese auf jeden Fall Schwimmhäute zwischen den Krallen. Wenn draußen die Sonne scheint, kannst du in der Küche einen Regenbogen bestaunen. Andererseits könnten wir von dem Geld für die Hütte vielleicht eine neue Wohnung mieten oder sogar kaufen!“

      Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile über die Vor- und Nachteile eines Verkaufs und kamen doch immer wieder zu dem Schluss, dass auf jeden Fall nicht verkauft wird. Schließlich machte sich Mark auf den Weg nach Hause.

      Ich dachte noch ein wenig darüber nach, was den Herrn Schleimbolzen antrieb, um sich so nach dem Haus zu erkundigen. Na ja, er würde schon seinen Grund haben. Ich ging runter ins Wohnzimmer, um dort zu telefonieren.

      Mir war langweilig und ich wollte mal bei Steinbergs anrufen, um mit Greg zu sprechen. Es meldete sich – wie immer – Melissa, weil sie praktisch mit dem Telefonhörer in der Hand geboren worden war. Sie hoffte doch tatsächlich jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, dass ihr Lieblingsstar Robbie Williams sie einlud, um mit ihr ein Eis zu essen.

      Also sprach ich: „Guten Tag, Sie sprechen mit dem Privatsekretär der Manager der Produktionsgemeinschaft aller Länder zur Organisation Rettet die Schallplatten zugunsten der Mutter von Robbie Williams. Hätten Sie morgen Abend um 20.00 Uhr Zeit für einen kleinen Plausch mit Herrn Williams?“

      Kurze Zeit war nichts zu hören, doch dann: „Thorsten! Du Arschloch!“ Das sagte sie immer so geschwollen, wenn sie ein wenig aufgeregt war. Dann knallte es einmal kräftig am anderen Ende der Leitung und unser Telefon gab nur noch ein monotones Piepen von sich. Ich wählte noch einmal die Nummer und diesmal meldete sich Greg sofort. Ich fragte ihn, was er heute noch so vorhabe.

      „Och, nix eigentlich“, war seine gelangweilte Antwort.

      „Aha“, entgegnete ich und fuhr geheimnisvoll fort. „Wollen wir uns an unserem geheimen Treffpunkt versammeln?“

      „Ja klar!“ Das klang schon ein wenig spontaner.

      „Sagen wir, in einer halben Stunde? Ich sage den anderen gleich Bescheid.“

      Er war sofort hellwach.

      *

      Die Clique

      Ich machte mich bereit, das heißt, ich zog mir unsere Klubjacke an – eine schwarze Baseballjacke mit weißen Ärmeln und dem Anfangsbuchstaben des jeweiligen Trägers auf der Brust –, schnappte mein Mountainbike und wollte gerade losfahren, als sich plötzlich meine Schwester meldete.

      „Torte! Warte auf mich! Ich weiß genau, wohin du willst und ich komme mit!“

      Sie wusste, wohin ich wollte, weil ich meine Jacke angezogen hatte. Mein Fehler. „Ach, ich hatte ganz vergessen, dass du auch zu Hause bist“, entgegnete ich scheinheilig. Sie grinste nur, streckte mir ihren Mittelfinger entgegen und zog sich um.

      Wir machten uns also auf den Weg zu unserem geheimen Platz. Es handelt sich hierbei um den Brunnen im Stadtgarten. Unheimlich geheim, nicht wahr?

      Hier in der Innenstadt herrschte reges Treiben. Die Urlaubszeit zog viele Besucher von außerhalb an. Man konnte sie sofort erkennen. Die einen an den auseinandergefalteten Stadtplänen, die planlos in die Weite blickten. Die anderen, die sich ein Stück weiter am alten Hafenbecken vor den Fischerbooten positionieren und sich fotografieren ließen. Eindeutig wurde es aber bei den Leuten, die sich am Hafen Fischbrötchen kauften, die dann kurze Zeit später von den Möwen direkt aus ihren Händen geklaut wurden. Wieder andere blieben mitten auf der Straße stehen und starrten hoch zum Rathausturm, wo ein Glockenspiel sie andächtig erstarren ließ. Der Verkehr rund um den Stadtgarten nahm Jahr für Jahr zu und es wurde irgendwie immer ungemütlicher und lauter an diesem eigentlich zum Verweilen einladenden Platz. Die Touristen fanden es trotzdem schön hier, was ich auch irgendwie nachvollziehen konnte.

      Als wir am Brunnen ankamen, war der Rest der Gruppe bereits da. Patsy, Greg, Baby und natürlich auch Mark, der sich angeregt mit einem älteren Herrn unterhielt. Ich setzte mich neben ihn, nachdem ich alle begrüßt hatte.

      Dann lauschte ich dem Gespräch zwischen Mark und dem Fremden.

      „... ehrlich, ich sag’s Ihnen! Unser Englischlehrer ging zu unserer Sportlehrerin in die Dusche! Ich konnte es genau durch ein Fenster sehen. Aus Versehen natürlich, war also keine Absicht, da reinzugucken, meine ich ... Und was soll ich sagen, der Mann war nackig. Ehrlich! Und dann hat er sie so umarmt. Ungelogen!“ Er umschlang den Fremden mit beiden Armen und drückte ihn fest an sich.

      Ich versuchte, mir vorzustellen, was der gute Mann wohl von ihm dachte, gab den Gedanken aber gleich wieder auf.

      „Aber so richtig!“, bekräftigte Mark noch einmal.

      Dann stand der Mann schließlich kopfschüttelnd auf und ging, ohne ein Wort zu sagen. Mark drehte sich zu mir um und zuckte nur mit den Schultern. „Das ist heute schon der vierte Typ, der mir nicht glaubt. Verstehst du das?“

      „Mit mir sind’s dann wohl fünf“, antwortete ich und klopfte ihm mitleidig auf die Schulter. „Was wollen wir machen?“, fragte ich in die Runde, doch keiner meldete sich. Dann sah ich von Weitem das Unheil in Gestalt meines Bruders Max auf einem BMX-Rad herannahen. Beiläufig bemerkte ich: „Ich weiß schon, was ich jetzt mache, aber dabei könnt ihr mir nicht helfen. Alleine macht das mehr Spaß.“

      „Wenn du mal für einen Tag deinen Bruder in Ruhe lassen würdest, könnte das nicht nur eurem, sondern auch unserem Verhältnis guttun!“, sagte Patsy.

      Ich dachte noch kurz über das Wort Verhältnis nach, dann begrüßte ich Max. „Na, kleiner lieber Bruder?“, schleimte ich geschwollen, stand auf und nahm ihn übertrieben liebevoll in den Arm.

      „Verarschen kann ich mich auch alleine, du Blödmann!“, sagte er und trat mir vor mein Schienbein.

      „Jetzt pass mal genau auf, Snoopy“, wollte ich eine handfeste Unterhaltung beginnen, überlegte es mir dann aber doch mit einem Blick auf Patsy und setzte mich humpelnd wieder hin. Max streckte mir noch die Zunge raus und fuhr dann davon. „Bis später“, rief ich ihm mit