Die Kleinbürger. Оноре де Бальзак. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Оноре де Бальзак
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783955013363
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so entzückend, das hat sie jedenfalls von Ihnen ... Mir brauchen Sie übrigens keine Vorsichtsmaßregeln anzuempfehlen! Dutocq hat mir alles mitgeteilt. Also auf heute abend! Ich muss jetzt zu Phellion, um für Sie zu wirken. Selbstverständlich denken Sie für Celeste nicht im entferntesten an mich ... sonst würden Sie mir Hals und Beine brechen. Also tiefstes Schweigen darüber, selbst gegen Flavia! Warten Sie ab, bis sie mit Ihnen davon anfängt. Phellion wird Sie schon heute abend um Ihre Zustimmung zu seinem Projekt, Sie als Kandidaten aufzustellen, bestürmen.«

      »Heute abend?« sagte Thuillier.

      »Heute abend,« erwiderte la Peyrade, »vorausgesetzt, dass ich ihn zu Hause treffe.«

      Thuillier ging fort und sagte zu sich: ›Das ist ein hervorragender Mensch! Immer verstehen wir uns ausgezeichnet, und, wahrhaftig, wir können nur schwer einen besseren Mann für Celeste finden; sie werden mit uns zusammen leben, das bedeutet viel, und er ist ein braver Junge, ein guter Mensch ...‹

      Bei Naturen von der geistigen Beschaffenheit Thuilliers spielen Nebenumstände für ihr Urteil die gleiche wichtige Rolle, wie die Hauptsache. Theodosius hatte die gewinnendste Liebenswürdigkeit entfaltet.

      Das Haus, wohin Theodosius seine Schritte bald danach lenkte, war seit fünfundzwanzig Jahren das »hoc erat in votis« Phellions; gleichzeitig gehörte es ebensosehr zu Phellion, wie die Schnüre an Cérizets Überrock ein für diesen charakteristisches Abzeichen waren.

      Das an ein großes Haus angeklebte Gebäude hatte nur die Tiefe eines Zimmers, etwa zwanzig Fuß, und besaß an jeder Ecke eine Art einfenstrigen Pavillon. Sein Hauptvorzug war ein Garten, etwa hundertachzig Fuß breit und länger als die ganze Fassade des Vorhofes, in dem sich eine Gruppe von Lindenbäumen befand. Der Hof war neben dem einen Pavillon nach der Straße zu durch zwei Gitter abgeschlossen, zwischen denen sich eine kleine zweiflügelige Tür öffnete. Dieser aus Bruchsteinen und Mörtel aufgeführte Bau war zwei Stockwerke hoch, gelb angestrichen, hatte grüne Jalousien und im Erdgeschoss Fensterläden von gleicher Farbe. Im Erdgeschoss des nach dem Hofe zu gelegenen Pavillons befand sich die Küche, und die Köchin, eine starke dicke Person, versah, unterstützt von zwei riesigen Hunden, gleichzeitig die Geschäfte einer Portiersfrau. Die Fassade, die von fünf Fenstern und den um sechs Fuß vorspringenden Pavillons gebildet wurde, war im echten Stile Phellion gehalten. Über der Tür war eine Marmortafel eingelassen, auf der in goldenen Lettern zu lesen stand: »Aurea mediocritas«. Über einer an der Fassade angemalten Sonnenuhr stand der weise Spruch angeschrieben: »Umbra mea vita, sic«!

      Die Fensterbrüstungen waren kürzlich aus rotem Languedoc-Marmor neu hergestellt worden, der sich in einem Marmorgeschäft vorgefunden hatte. Im Hintergrunde des Gartens war eine bunt bemalte Statue aufgestellt, die die Passanten für eine ein Kind nährende Amme zu halten pflegten. Im Erdgeschoss lagen nur ein Salon und ein Speisezimmer, getrennt durch eine schmale Treppe, deren Absatz ein Vorzimmer bildete. An den Salon stieß noch ein kleiner Raum, der Phellion als Arbeitszimmer diente.

      Im ersten Stock lagen die Zimmer der beiden Ehegatten und das des jungen Professors, darüber die Kinderzimmer und die der Dienstboten; Phellion hatte sich, mit Rücksicht auf sein Alter und das seiner Frau, einen männlichen Dienstboten, einen Jungen von fünfzehn Jahren zugelegt, zumal seitdem sein Sohn durch seinen Unterricht bekannt geworden war. Wenn man durch den Hof kam, befanden sich links kleine Kammern zum Aufbewahren des Brennholzes, in denen der frühere Besitzer den Portier untergebracht hatte. Phellions warteten anscheinend die Verheiratung ihres Sohnes, des Professors ab, um sich auch noch diese letzte Annehmlichkeit zu leisten. Dieses Grundstück, auf das Phellions schon längst ein Auge geworfen hatten, hatte sie im Jahre 1831 achtzehntausend Franken gekostet. Vom Hofe war das Haus durch ein Balustrade aus Hausteinen getrennt, mit einem Dach von Hohlziegeln und mit Fliesen ausgelegt. An dieser kleinen Mauer von Brusthöhe zog sich eine Hecke von bengalischen Rosen hin, und in ihrer Mitte befand sich eine Holzlattentür, die gegenüber der geschlossenen Tür nach der Straße hin lag.

      Wer die Sackgasse des Feuillantines kennt, wird wissen, dass das Haus Phellions, das rechtwinklig zur Chaussee steht, direkt nach Süden blickt und gegen Norden durch die riesige Brandmauer, an die es sich anlehnt, geschützt ist. Die Kuppel des Pantheons und die der Kirche Val-de Grâce gleichen von hier aus zwei Riesen und sind so nahe gerückt, dass man sich in dem Garten wie in einem Engpasse bewegt. Im übrigen gibt es keinen stilleren Ort als die Sackgasse des Feuillantines. Hierher hatte sich der unbekannte erhabene Bürger zurückgezogen und genoss die Annehmlichkeiten des Ruhestandes, nachdem er dem Vaterlande seine Schuld durch seine Arbeit im Finanzministerium bezahlt, und sich nach sechsunddreißigjähriger Dienstzeit als Sekretär zur Ruhe gesetzt hatte. Im Jahre 1832 hatte er sein Bataillon der Nationalgarde bei dem Angriff von Saint-Merri geführt, aber seine Nachbarn sahen Tränen in seinen Augen bei dem Gedanken, dass er auf irregeleitete Franzosen schießen lassen solle. Die Affäre war schon entschieden, als die Legion im Laufschritt über die Notre-Dame-Brücke heranrückte, nachdem sie einen Umweg über den Quai aux Fleurs gemacht hatte. Diese rühmenswerte Verzögerung hatte ihm die Achtung seines Bezirks eingetragen, ihn aber die Verleihung des Ordens der Ehrenlegion gekostet; der Oberst hatte laut erklärt, dass man vor dem Feinde nicht Erwägungen anstellen dürfe, ein Wort, das Louis-Philippe zu der Nationalgarde von Metz geäußert hatte. Trotzdem erhielten Phellions bürgerlichen Tugenden und das große Ansehen, das er in seinem Stadtviertel genoss, ihn seit acht Jahren in seiner Stellung als Bataillonskommandeur. Da er jetzt dicht an sechzig war und den Zeitpunkt heranrücken sah, wo er den Degen und den Offizierskragen ablegen musste, so hoffte er, dass der König die Gnade haben würde, ihn durch die Verleihung der Ehrenlegion für seine Dienste zu belohnen.

      Die Wahrheit zwingt uns zu sagen, trotz des Schattens, den eine solche Schwäche auf einen so edlen Charakter wirft, dass der Kommandant Phellion sich bei den Empfängen in den Tuilerien auf die Fußspitzen stellte; er drängte sich vor und warf dem Bürgerkönig, wenn er an seinem Tische speiste, verführerische Blicke zu; aber trotz seiner heimlichen Bemühungen war er von dem Könige seiner Wahl noch nicht bemerkt worden. Der ehrenwerte Mann hatte schon mehr als einmal daran gedacht, aber sich noch nicht entschließen können, Minard zu bitten, ihn bei seinen geheimen ehrgeizigen Wünschen zu unterstützen.

      Phellion, der Mann des passiven Gehorsams, war ein Stoiker in bezug auf seine Pflicht und von eherner Festigkeit in allem, wo es sich um seine Überzeugung handelte. Um sein Bild auch nach der körperlichen Seite hin zu vervollständigen, so sei gesagt, dass Phellion mit seinen neunundfünfzig Jahren, um einen Bourgeoisausdruck zu gebrauchen, »stark geworden« war; sein ausdruckloses pockennarbiges Gesicht war wie ein Vollmond, so dass seine früher zu dicken Lippen nicht mehr auffielen. Seine schwach gewordenen Augen hatten hinter den Brillengläsern nicht mehr den Ausdruck hellblauer Unschuld, der zum Lachen gereizt hatte; seine weißen Haare verbreiteten über das, was zwölf Jahre früher kindisch und lächerlich an ihm erschien, eine gewisse Würde. Die Zeit, die Gesichter mit feinen zarten Zügen so unheilvoll verändert, verschönert solche, die in der Jugend eine grobe plumpe Form hatten; das war auch bei Phellion der Fall. Er benutzte die Musse seines Alters dazu, einen Abriss der Geschichte Frankreichs zu verfassen; er hatte schon vorher einige Bücher geschrieben, die von der Universität anerkannt waren.

      Als la Peyrade erschien, war die Familie vollzählig versammelt; Frau Barniol hatte ihrer Mutter eben über ihre Kinder, die ein leichtes Unwohlsein hatten, berichtet. Der Ingenieurschüler verbrachte diesen Tag zu Hause. Alle waren sonntäglich gekleidet und saßen am Kamin des holzgetäfelten Salons, der grau in grau gemalt war, auf billigen Holzsesseln; sie erschraken, als Genovefa, die Köchin, die Persönlichkeit anmeldete, über die sie gerade in bezug auf Celeste sprachen, die Felix Phellion so sehr liebte, dass er zur Messe gegangen war, um sie dort zu sehen. Der gelehrte Mathematiker hatte sich noch am heutigen Morgen diese Mühe gemacht, und man neckte ihn in wohlwollender Weise damit, mit dem heimlichen Wunsche, dass Celeste und ihre Eltern erkennen möchten, welch ein kostbarer Schatz ihnen hier geboten wurde.

      »Ach, die Thuilliers scheinen mir an diesem sehr gefährlichen Menschen einen Narren gefressen zu haben«, sagte Frau Phellion; »heute morgen ist er sogar Arm in Arm mit Frau Colleville nach dem Luxembourggarten gegangen.«

      »Dieser Advokat hat etwas Unheilverkündendes an sich«, rief Felix Phellion; »es sollte mich nicht wundern, wenn