Physiologie der Ehe. Оноре де Бальзак. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Оноре де Бальзак
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783955014742
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unsere erste Berechnung gründet sich auf die statistisch festgestellte Tatsache, daß es in Frankreich achtzehn Millionen Arme, zehn Millionen Wohlhabende und zwei Millionen Reiche gibt.

      Es sind also in Frankreich nur sechs Millionen Frauen vorhanden, mit denen feinfühlige Männer sich beschäftigen, sich beschäftigt haben oder sich beschäftigen werden.

      Unterziehen wir diese gesellschaftliche Auslese einer philosophischen Prüfung!

      Wir sind – ohne Widerspruch zu befürchten – der Meinung, daß die Ehemänner, die eine zwanzigjährige Ehe hinter sich haben, ruhig schlafen dürfen, und nicht mehr Übergriffe der Liebe und den Skandal eines Prozesses wegen strafbaren Verkehrs zu befürchten brauchen. Von diesen sechs Millionen muß man also ungefähr zwei Millionen Frauen abziehen, die außerordentlich liebenswürdig sind, weil sie mit vierzig Jahren und darüber die Welt gesehen haben; da sie aber keine Herzen mehr in Wallung bringen können, so kommen sie für die vorliegende Frage nicht in Betracht. Nenn sie das Unglück haben, daß ihre Gesellschaft nicht wegen ihrer Liebenswürdigkeit gesucht wird, so packt sie die Langeweile; sie verlegen sich auf Frömmigkeit, Katzen, Hündchen und andere Liebhabereien, die sie nur vor Gott zu verantworten haben.

      Die vom Statistischen Amt angestellten Berechnungen der Bevölkerung berechtigen uns, von der Gesamtzahl ferner zwei Millionen kleiner Mädchen abzuziehen; sie sind zum Anbeißen hübsch, aber sie stehen noch beim Abc des Lebens und spielen in aller Unschuld mit andern Kindern, ohne eine Ahnung zu haben, daß sie über diese kleinen ›Mannis‹, über die sie jetzt lachen, eines Tages weinen werden.

      So bleiben also zwei Millionen Frauen. Welcher vernünftige Mensch wird uns nicht zugeben, daß hiervon hunderttausend arme Mädchen abzuziehen sind: Häßliche, Bucklige, Hysterische, Rachitische, Kranke, Blinde, Verkrüppelte, Arme? Sie alle sind Mädchen von guter Erziehung, aber sie alle bleiben Mädchen und können infolgedessen gegen die heiligen Gesetze der Ehe nicht verstoßen.

      Wird man uns hunderttausend andere Mädchen abstreiten: Schwestern der heiligen Camilla, barmherzige Schwestern, Nonnen, Lehrerinnen, Gesellschaftsfräuleins usw.? In die fromme Nachbarschaft dieser Mädchen wollen wir die ziemlich schwer zu bestimmende Zahl von solchen stellen, die zu groß sind, um noch mit kleinen Jungen zu spielen, und noch zu jung, um schon ihre Orangeblütenkränze entblättern zu lassen.

      Endlich wollen wir von den fünfzehnhunderttausend Frauen, die wir in unserm Probiertiegel haben, noch fünfhunderttausend abziehen: die Töchter Baals, an denen die wenig zartfühlenden Männer ihr Vergnügen haben. Wir wollen sogar – ohne zu befürchten, daß sie sich gegenseitig etwas zuleide tun könnten – zu ihnen noch hinzurechnen: die ausgehaltenen Frauen, die Modistinnen, Laden- und Geschäftsmädchen, Schauspielerinnen, Sängerinnen, Tänzerinnen, Statistinnen, Haushälterinnen, Dienstmädchen usw. Die meisten von diesen Geschöpfen wissen auch ihre Leidenschaften zu erregen, aber sie finden es unanständig, für den Tag und Augenblick, wo sie sich ihrem Liebhaber ergeben, einen Notar, einen Bürgermeister, einen Geistlichen und eine ganze Schar lachlustiger Menschen vorher zu bestellen. Ihr System, das von einer neugierigen Gesellschaft mit Recht verdammt wird, bietet den Vorteil, sie gegen die Männer, gegen den Herrn Bürgermeister, gegen die hohe Justiz zu nichts zu verpflichten. Da sie nun in keiner Weise gegen einen von der Behörde vorgeschriebenen Eid verstoßen, so haben diese Frauen nichts mit einem Werk zu schaffen, das ausschließlich den legitimen Ehen geweiht ist.

      Man wird vielleicht sagen, auf diese Weise beschränkten wir uns auf ein recht kleines Stoffgebiet für das Thema, das dieser Betrachtung zugrunde liegt – dafür wird aber dieses Kapitel einen Ausgleich bilden für andere, die nach der Meinung von Liebhabern zu sehr anschwellen könnten. Sollte jemand eine reiche Witwe, die er liebt, gerne zu der verbleibenden Million gerechnet wissen wollen, so kann er sie auf das Kapitel der Barmherzigen Schwestern, der Ballettmädchen oder Buckligen anrechnen. Endlich müssen wir darauf aufmerksam machen, daß wir für unsere letzte Kategorie nur fünfhunderttausend in Anspruch genommen haben, weil es oftmals vorkommt – wie wir bereits oben gezeigt haben –, daß die neun Millionen Bäuerinnen sie um eine beträchtliche Anzahl vermehren. Aus demselben Grunde haben wir die arbeitende Klasse und den kleinen Bürgerstand nicht berücksichtigt: die Frauen dieser beiden Gesellschaftsstände sind das Produkt der Anstrengungen, die die neun Millionen weiblicher Zweihänder machen, um sich zu den hohen Regionen der Zivilisation zu erheben. Wenn wir nicht diese peinliche Genauigkeit übten, würden viele Leute diese statistische Betrachtung als einen Scherz ansehen.

      Wir hatten auch daran gedacht, eine kleine Sonderabteilung von hunderttausend Frauen zu bilden, eine Art Amortisationskasse der Frauenrasse, ein Asyl für Frauen, die man als eine Art Zwitterwesen betrachten muß, wie z. B. die Witwen; aber wir haben es vorgezogen, nur mit runden Summen zu rechnen.

      Die Richtigkeit unserer Analyse läßt sich leicht nachweisen; es genügt dazu eine einzige Überlegung:

      Das Leben der Frau zerlegt sich in drei genau abgegrenzte Zeitabschnitte: der erste beginnt mit der Wiege und schließt mit der Erreichung des Alters der Heiratsfähigkeit; der zweite umfaßt die Zeit, während welcher eine Frau für die Ehe in Betracht kommt; der dritte beginnt mit dem kritischen Alter, der ziemlich brutalen Aufforderung der Natur an die Leidenschaften, daß sie nunmehr aufzuhören hätten. Da diese drei Lebensabschnitte an Zeitdauer so ziemlich gleich sind, so muß durch sie die vorhandene Anzahl aller Frauen ebenfalls in drei ziemlich gleiche Teile zerlegt werden. So findet man also in einer Gesamtzahl von sechs Millionen – abgesehen von den Bruchzahlen, die die Herren Gelehrten berechnen mögen – ungefähr zwei Millionen Mädchen von einem bis zu achtzehn Jahren, zwei Millionen Frauen von mindestens achtzehn bis höchstens vierzig Jahren und zwei Millionen Alte. Die Launen unseres Gesellschaftszustandes haben nun die zwei Millionen heiratsfähiger Frauen in drei große Kategorien geteilt, nämlich: diejenigen, die aus den von uns angeführten Gründen Mädchen bleiben; diejenigen, auf deren Tugend es für Ehemänner wenig ankommt; und endlich die Million legitimer Frauen, mit denen wir uns zu beschäftigen haben.

      Wie man aus dieser ziemlich genauen Berechnung der weiblichen Bevölkerung ersieht, ist in Frankreich kaum eine kleine Herde von einer Million weißer Schafe vorhanden – der privilegierte Schafstall, in den alle Wölfe einbrechen möchten!

      Nun wollen wir diese Million Frauen, die wir bereits mittels der Worfschaufel gesichtet haben, noch durch ein anderes Seihtuch passieren lassen:

      Um den Grad des Vertrauens, das ein Mann in seine Frau setzen darf, möglichst richtig abzuschätzen, wollen wir einen Augenblick annehmen, daß alle diese Gattinnen ihren Gemahl betrügen.

      Wenn wir diese Hypothese aufstellen, werden wir billigerweise ungefähr ein Zwanzigstel abrechnen müssen: die jungen Personen, die erst ganz kurze Zeit verheiratet sind und ihren Schwüren wenigstens eine gewisse Zeit lang treu bleiben werden.

      Ein anderes Zwanzigstel wird auf Kranke zu rechnen sein. Damit räumen wir den menschlichen Schmerzen einen recht geringen Teil ein.

      Gewisse Leidenschaften, die, wie man sagt, die Herrschaft des Mannes über das Frauenherz zerstören, Häßlichkeit, Sorgen, Schwangerschaften, nehmen ebenfalls ein Zwanzigstel für sich in Anspruch.

      Der Ehebruch dringt einer verheirateten Frau nicht ins Herz, wie eine Pistolenkugel trifft. Selbst wenn durch Wahlverwandtschaft schon beim ersten Anblick Gefühle erwachen sollten, so findet doch stets ein Kampf statt, der bei der Bemessung der Gesamtsumme ehelicher Treulosigkeiten in Anschlag zu bringen ist. Es hieße fast die Schamhaftigkeit der Französinnen beleidigen, wollten wir nicht die Zeitdauer dieser Kämpfe in einem von Natur so kriegerisch veranlagten Lande bei unserer Rechnung berücksichtigen, indem wir ein Zwanzigstel von der Gesamtsumme der Frauen in Abzug bringen; dann aber werden wir freilich annehmen, daß gewisse kranke Frauen allen Medizinflaschen zum Trotz ihre Liebhaber beibehalten, und daß es Frauen gibt, über deren Schwangerschaft dieser oder jener boshafte Junggeselle lächelt. Auf diese Weise retten wir die Scham der Frauen, die für die Tugend kämpfen.

      Aus demselben Grunde wollen wir nicht zu glauben wagen, daß eine von ihrem Liebhaber verlassene Frau hic et nunc einen andern findet; da aber dieser Ausfall notwendigerweise viel geringer ist als der vorher erwähnte, so wollen wir ihn auf ein Vierzigstel schätzen.

      Diese