Gehörte etwa zu jeder Ehe eine kleine Hagar? Dazu ist kein Gesetz nötig. Aus dem Paragraphen des Strafgesetzes, das die ehebrecherische Frau mit Strafe bedroht, einerlei, an welchem Ort das Verbrechen begangen wird, und aus dem andern Paragraphen, der einen Ehemann nur dann bestraft, wenn seine Konkubine unter dem ehelichen Dache wohnt, muß notwendigerweise gefolgert werden, daß es erlaubt ist, außer dem Hause sich Mätressen zu halten.
Sanchez hat das ganze Strafrecht der Ehe in allen Einzelfällen behandelt; er hat sogar über die Legitimität und die Opportunität jedes einzelnen Vergnügens Betrachtungen angestellt; er hat alle sittlichen, religiösen, fleischlichen Pflichten der Gatten genau umschrieben – kurz, sein Werk würde zwölf Oktavbände geben, wenn man von seinem dicken Folianten ›De Matrimonio‹ einen Neudruck veranstalten würde.
Haufen von Rechtsgelehrten haben Haufen von Abhandlungen erscheinen lassen über die juristischen Schwierigkeiten, die aus der Einrichtung der Ehe entspringen; es gibt sogar Werke über den gerichtlichen Begriff der Beiwohnung.
Legionen von Ärzten haben Legionen von Büchern erscheinen lassen über die Ehe in ihren Beziehungen zur Chirurgie und Medizin.
Im neunzehnten Jahrhundert ist also die Physiologie der Ehe entweder eine nichtssagende Zusammenstoppelung oder ein Werk, das ein Dummkopf für andere Dummköpfe schreibt: alte Priester haben ihre Goldwagen hergenommen und die geringsten Skrupel gewogen; alte Juristen haben ihre Brillen aufgesetzt und alle Arten unterschieden; alte Ärzte haben die Sonde zur Hand genommen und sie in alle Wunden eingeführt; alte Richter haben sich in ihren Richterstuhl gesetzt und über alle Klagen auf Rücknahme der Waren wegen mangelhafter Lieferung abgeurteilt; ganze Menschengeschlechter sind vorübergezogen und haben ihr Freudengeschrei ausgestoßen oder ihr Klagelied angestimmt; jedes Jahrhundert hat seine Stimme in die Urne gelegt; der Heilige Geist, die Dichter, die Schriftsteller haben alles zu Protokoll genommen: von Eva bis zum Trojanerkrieg, von Helena bis zur Madame de Maintenon, von Ludwigs XIV. Gattin bis zur Contemporaine.
Physiologie, was willst du also von mir?
Solltest du etwa zufällig uns mehr oder minder gut gezeichnete Gemälde vorzuführen wünschen, um uns nachzuweisen, daß die Gründe, aus denen ein Mann sich verheiratet, folgende sind:
Alter: um mal ein Ende zu machen;
Berechnung: liegt fast immer zugrunde;
Charakterstärke: das Fräulein ist schwach gewesen;
Dankbarkeit: man gibt mehr, als man bekommen hat;
Eselei: denn eine solche ist das Heiraten immer;
Frömmigkeit: Beispiel der Herzog von Saint-Aignan, der keine Sünden begehen wollte;
Gutmütigkeit: um eine Tochter der Tyrannei ihrer Mutter zu entreißen;
Häßlichkeit: man hat Angst, man werde eines Tages keine Weiber mehr haben;
Jugendlichkeit: kaum vom Gymnasium abgegangen, heiratet der Grünschnabel;
Kränklichkeit: die Weiber machen krank, das Weib macht gesund; Leidenschaft: um sich auf die sicherste Art davon zu heilen;
Machiavellismus: um eine Alte schnell zu beerben;
Notwendigkeit: ›unser‹ Sohn muß einen Namen haben;
Onkel: siehe unter ›Testament‹;
Prozeß: man schafft ihn durch Heirat mit der Tochter oder Witwe des Gegners aus der Welt;
Quatsch: man hat keinen Grund, gibt aber 1001 an;
Reichtum: entweder kriegt man ihn durch eine Frau oder eine Frau durch ihn;
Scherz: ein sehr empfehlenswerter Grund, vorausgesetzt, daß kein Ernst daraus wird;
Testament: ein toter Onkel vermacht einem seine Tochter als Erbschaft;
Überdruß: an dem köstlichen Junggesellenleben;
Verachtung: einer ungetreuen Mätresse;
Wette: Beispiel Lord Byron: X fehlt vielleicht hat man das X, weil es als Anfangsbuchstabe selten vorkommt, zur Bezeichnung unbekannter Größen gewählt);
Yatidi: türkisches Wort für die Stunde des Schlafengehens; bezeichnet zugleich alle damit verbundenen Bedürfnisse;
Zorn: um Verwandte um ihre Erbschaft zu bringen.
Aber alle diese Geschichten haben die Stoffe zu dreißigtausend Komödien und hunderttausend Romanen geliefert.
Physiologie, zum dritten und letztenmal, was willst du von mir?
Bei diesem Gegenstand ist alles banal wie ein Straßenpflasterstein, gewöhnlich wie eine Straßenecke. Die Ehe ist bekannter als der Passionsbarrabas; alle alten Ideen, die sie wachruft, laufen in den Literaturen um, seitdem die Welt Welt ist, und es gibt keine verständige Meinung und kein abgeschmacktes Projekt, die sich nicht auf die Suche nach einem Schriftsteller, einem Buchdrucker, einem Buchhändler und einem Leser gemacht hätten.
Erlauben Sie mir, zu Ihnen zu sprechen wie Rabelais, unser aller Meister:
»Wackere Leute, Gott schütze euch und behüte euch! Wo seid ihr? Ich kann euch nicht sehen. Wartet, ich will meine Brille aufsetzen. Aha, jetzt sehe ich euch. Seid ihr, eure Frauen, eure Kinder, seid ihr alle bei erwünschter Gesundheit? Das freut mich.«
Aber nicht für euch schreibe ich. Ihr habt ja große Kinder: damit ist die Sache erledigt.
»Ah! Da seid ihr, hocherlauchte Zecher, ihr, höchst kostbare Gichtkrüppel, und ihr, unermüdliche Schorfkratzer, ihr angebrannten Liebeshelden: ihr pantagruelisiert den ganzen Tag, ihr habt ja eure recht galanten geheimen Frömmigkeiten, ihr geht zur Tertie, zur Sexte, zur None und gleichermaßen zur Vesper, zur Komplete – mit einem Wort, ihr geht immerzu.«
Nicht an euch wendet sich daher die Physiologie der Ehe, denn ihr seid ja nicht verheiratet. Möge das immer so bleiben!
»Und ihr! Muckerbande! Heuchler, Schwätzer, Duckmäuser, Windmacher und all ihr andern, die ihr euch hinter Masken verbergt, um die Welt zu betrügen! Packt euch, Brummochsen! Aus dem Wege! Raus, ihr Kerle mit euren Fallhüten! Zum Teufel auch – seid ihr immer noch da?«
So bleibt mir denn vielleicht kein anderes Publikum übrig als die guten Seelen, die gerne lachen. Fort mit diesen Heulmeiern, die bei jeder Gelegenheit in Vers und Prosa sich ersäufen wollen; die in Oden, in Sonetten, in Lehrgedichten die Kranken spielen! Fort mit diesen querköpfigen Grüblern aller Art – aber gebt mir dafür einige von diesen alten Pantagruelisten, die es nicht so genau nehmen, wenn es einen Becherlupf und einen Ulk gilt, die ihre Freude haben an Rabelais' Buch über Löffelerbsen mit Speck, cum commento, an dem Buch über die Würde der Hosenlätze, und die diese schönen Bücher hoch in Ehren halten.
Über die Regierung, meine lieben Freunde, kann man kaum noch lachen, seitdem sie es fertig gebracht hat, fünfzehnhundert Millionen Steuern zu erheben. Die Mönche und Mönchinnen sind noch nicht reich genug, um bei ihnen trinken zu können; aber es soll nur der heilige Michel kommen, der den Teufel aus dem Himmel jagte – dann werden wir vielleicht die gute Zeit wiederkommen sehen! Folglich bleibt uns in diesem Augenblick in Frankreich nur die Ehe als Gegenstand der Heiterkeit. Jünger Panurgs, euch allein will ich zu Lesern haben! Ihr wißt ein Buch zur rechten Zeit in die Hand zu nehmen und wieder fortzuwerfen, ihr seid leicht von Begriff, versteht eine halbe Andeutung und wißt aus einem Markknochen Nahrung zu ziehen!
Diese Mikroskopgucker, die nur einen Punkt sehen – ich meine die Zensoren – haben sie auch alles gesagt, alles untersucht? Und haben sie ihr unumstößliches Urteil verkündet, daß ein Buch über die Ehe zu schreiben ebenso unmöglich ist, wie einen zerbrochenen Krug wieder neu zu machen?
»Ja, Meister Narr! quetscht noch so viel an der Ehe herum – es wird nie etwas anderes herauskommen, als Vergnügen für die Junggesellen und Verdruß für die Ehemänner. Das ist die ewige Moral. Eine Million gedruckte Seiten können kein anderes Thema behandeln.«
Hiergegen habe ich indessen einige Sätze aufzustellen; nämlich erstens: die Ehe