Für die Stranglers war Punk deswegen von Bedeutung, weil Musik nach Jahren weichen Soft-Rocks wieder hart geworden war. »Im Jahr 1977 ist Rock zu einem Gladiatorensport geworden«, wie Burnel anerkennend bemerkte. Frauen seien zu schwach, um an dieser männlichen Aktivität teilzunehmen: »Ihre Körper lassen so schnell nach. Wenn sie 40 sind, sind sie weich und schwabbelig, während es Männer gibt, die mit 40 gut aussehen.« Wo Frauen denn Platz in dieser Ordnung hätten, kann man am besten veranschaulichen, indem man sich ein paar Beispiele für den Humor der Stranglers ansieht. Über die Frauenbewegung: »Ich mag Frauenbewegungen … während ich auf ihnen liege.« Oder ihr Kommentar zu einem Vorfall in Lansing, Michigan, als 40 Feministinnen gegen sie protestierten: »Wir versuchten also, eine zu kidnappen, und hievten sie in den Bus, während diese Frauen mit ihren großen Plakaten und Bannern uns attackierten. Es gab ein großes Durcheinander und leider entwischte sie uns, aber ich wette, sie war ganz aufgeregt und angeturnt davon.«
Der unverhohlene Chauvinismus der Stranglers war in seiner Bösartigkeit, an den allgemeinen Standards von Punk gemessen, ziemlich außergewöhnlich und wurde auch wirksam von der Presse angeprangert. Es war leicht, sie wegen des Traditionalismus ihrer Musik als rückständigen Throwback zu marginalisieren. Schädlicher war der – größtenteils ignorierte – Sexismus von Malcolm McLaren, der als Manager und Propagandist der Sex Pistols zu einem wesentlichen Vordenker des Punk wurde. Um ein berüchtigtes Zitat von Stokely Carmichael, einem Aktivisten für die Bürgerrechte Farbiger in den 1960ern, aufzugreifen: McLaren schien der Ansicht zu sein, dass »die einzige Position für Frauen [innerhalb der Bewegung] liegend ist«.
Man vergleiche die unberechenbar einfallsreichen Schwindel und Maßnahmen, die er sich für die Sex Pistols ausdachte, mit seinen Ideen für die rein weibliche Gruppe The Slits2. In einem Gespräch mit Michael Watts vom Melody Maker im Sommer 1979 offenbarte er, dass Chris Blackwell von Island Records ihm 100.000 Pfund geboten hatte, damit er sich der Slits annehmen und mit ihnen einen Film produzieren würde (der Soundtrack dazu hätte vom Eurodisco-Pionier Giorgio Moroder stammen sollen).
»McLaren hatte einen Plot ausgearbeitet, dem der unverkennbare Einfluss Russ Meyers3 anhaftete«, schreibt Watts. »Die vier Mädchen sollten von einer billigen Londoner Kabarett-Agentur nach Mexiko geschickt werden, wo sie dann feststellen, dass sie de facto in die Sklaverei verkauft wurden. Ihre Abenteuer wären sensationell gewesen.« Laut Watts erzählte McLaren immer noch voller Begeisterung von seiner Idee: »Die Mädchen glauben an diese fabelhafte Sache, eine Rock-’n’-Roll-Gruppe, die nach Mexiko geht und dort eigene Erfahrungen macht. Doch […] als sie dort ankommen, wollen die Mexikaner nur ihre Ärsche und Mösen sehen. Sie sollten als Stripperinnen enden, total deprimiert und verängstigt, und von einem Ende Mexikos zum anderen gefickt werden. Am Schluss heiraten sie mächtige Figuren Mexikos und werden fabelhafte Disco-Stars.« McLaren war eindeutig nicht in der Lage, sich das weibliche Äquivalent zu der Rebellion und Aufregung vorzustellen, die er mit den Sex Pistols ausgelöst hatte. Er kam nicht einmal auf die Idee, die Slits als wirkende Kräfte auftreten zu lassen, sondern nur als Schachfiguren. Während er sich mit den Pistols indirekt identifizieren konnte, waren seine Pläne für die Slits rein ausbeuterisch.
Nachdem das Who Killed Bambi?-Projekt mit Russ Meyer gescheitert war, fing McLaren an, mit Julien Temple am Drehbuch für den Film zu arbeiten, aus dem dann The Great Rock ’n’ Roll Swindle entstand. Laut Aussagen Temples in einem Interview mit den New Music News im Jahr 1979 gab es in einer frühen Version des Skripts eine Szene, in der Gitarrist Steve Jones »all diese jüdischen Prinzesschen in ihren Häusern im Londoner Stadtteil Stanmore aufsucht, wo er diese nackten Mädchen sieht, die ihn zu ihrer Party einladen. Es findet dort eine Art Orgie statt, weil diese Vorstadtmiezen wollen, dass all die Rockstars auf sie abspritzen, sie wollen, dass Robert Plant auf sie wichst. Das Skript hatte durchaus auch die ganzen Lektionen, es war auch ein Swindle, aber die Geschichte war anders, viel antifeministischer.« Dass es so cool wie subversiv sei, wenn die Pistols-Story einen antifeministischen Einschlag hätte, ist eine Vorstellung, die weder dem Interviewer noch Temple einen weiteren Kommentar wert ist. Als The Great Rock ’n’ Roll Swindle schließlich in einer stark bereinigten, entschärften Form erschien, war auch diese Version nicht frei von Misogynie. Es gibt eine Szene, in der eine Figur, die auf der Musikjournalistin Caroline Coon basiert, Steve Jones für seinen Sexismus kritisiert, worauf gezeigt wird, wie ihr in einem Echo/Abklatsch von Luis Buñuels Ein andalusischer Hund Ameisen über das Gesicht krabbeln.
Ein weiterer befremdlicher Aspekt in McLarens Denkweise war das Konzept von Inzest als Metapher für kulturelle Stagnation oder Entropie. Im Interview mit den New Music News erklärt er provokativ, dass der Kauf von Pistols-Platten nie der Punkt von Punk gewesen sei. Der Interviewer merkt daraufhin an, dass diese Platten in seinem Zimmer zu hören für »einen Sechzehnjährigen, der nirgendwo hinkann«, der einzige Weg sei, sich als Teil von etwas zu fühlen.
McLaren: »Das ist traurig, richtig traurig. Mir wäre es lieber, er würde sich gar nichts anhören. Sondern den Fernseher eintreten, seine Mutter schlagen, seine Mutter vögeln.«
New Music News: »Wo wir schon vom Mutterficken sprechen: Was ist aus Who Killed Bambi? geworden? Wir haben Gerüchte über eine Inzest-Szene gehört.«
McLaren: »Ja, es gab eine, und ich finde, es ist die beste Szene. Für mich war das wundervoll, wie Russ Meyer, der Inbegriff des amerikanischen Faschismus, und die Frauen mit den dicken Titten … die Sex Pistols treffen, das fand ich sehr witzig. Und die Szene, in der Sid [Vicious] zwischen alldem seine Mutter fickt, war genauso witzig und, auf gewisse Weise, sehr bewegend. Ich bin überzeugt, dass England … ein sehr inzestuöses Land und dass das ein großer Teil seiner Kultur ist. [Die Szene] war vor allem deswegen so toll, weil sie so geschrieben war, als würde er das schon seit Jahren tun, als wäre es ganz normal. Seine Mutter war ein Hippie und außerdem heroinabhängig …«
Auch Julien Temple, der Protegé McLarens, der schließlich für den Swindle auf dem Regiestuhl saß, folgte der Parteilinie: »Ich finde die stagnierende Kultur Englands obszön. Das komplette kulturelle Gefühl ist morbide und inzestuös.« Eine Schlüsselszene, die es in den endgültigen Film schaffte, ist Sid Vicious’ Version von »My Way«, die damit endet, wie er das Publikum – darunter seine Mutter – erschießt.
McLaren betrachtete Punk, irgendwo in seinem Unterbewusstsein, als Gewalt gegen eine erstickende, erdrückende Kultur. Als Sid Vicious also Nancy Spungen erstach, legte er denjenigen Teil von Punk, der seine Mutter umbringen wollte, wörtlich aus. Spungen war ein Mutterersatz, erdrückte ihn, brachte ihn gegen seine »Kumpels« auf, machte ihn heroinabhängig und förderte seine Schwächen (das behaupteten zumindest viele aus dem Pistols-Lager). Vicious’ tödliche Tat fachte McLarens erlöschendes Interesse an den Pistols wieder an und so eilte er nach New York, um für die Verteidigung an dem Fall zu arbeiten. Spungens Tod sah er als Sprungbrett für Sid Vicious, zum Weltstar aufzusteigen. Es gab Pläne, nach denen Vicious, während er auf Kaution