Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: E. T. A. Hoffmann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027209156
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zuerst in dem schönen Parke vor dem ...r Tor; er schien komponiert zu haben, denn er saß mit einem Notenblatt und einem Bleistift in der Hand in der Laube. In dem Augenblick, als er, vor Begeisterung glühend, aufsprang und laut rief: »Ah! – ben fatto!« fand ich mich zu ihm und schmiegte mich ihm nach der bekannten Weise an, die schon der Fähnrich Campuzano erzählt hat. – Ach! warum konnte ich nicht bei dem Kapellmeister bleiben! – ich hatte die schönsten Tage – allein –

      Ich. Halt, Berganza! – ich erinnere mich von dem Johannes Kreisler sprechen gehört zu haben, indessen es hieß – nimm's nicht übel! – er habe schon sein ganzes Leben hindurch zu Zeiten etwas weniges übergeschnappt, bis dann endlich der helle Wahnsinn ausgebrochen sei, worauf man ihn in die bekannte hier ganz nahe gelegene Irrenanstalt bringen wollen; er sei indessen entsprungen. –

      Berganza. Ist er entsprungen, so geleite Gott seine Schritte. – Ja, mein Freund, den Johannes haben sie erschlagen und begraben wollen, und als er im Gefühl der göttlichen Übermacht, die ihm der Geist verliehen, sich frei regen und bewegen wollte, da mußte er wahnsinnig sein.

      Ich. Und war er es denn nicht?

      Berganza. O sei so gut, nenne mir doch den, der als Prototypus der Menschheit überhaupt zum Verstandesmesser aufgestellt werden und dann nach der Thermometerskala seines Kopfes genau bestimmen soll, auf welchem Grad der Verstand des Patienten, oder ob er vielleicht gar über oder unter der ganzen Skala steht! – In gewissem Sinn ist jeder nur irgend exzentrische Kopf wahnsinnig und scheint es desto mehr zu sein, je eifriger er sich bemüht, das äußere matte, tote Leben durch seine inneren glühenden Erscheinungen zu entzünden. Jeden, der einer großen heiligen Idee, die nur der höheren göttlichen Natur eigen, Glück, Wohlstand, ja selbst das Leben opfert, schilt gewiß der, dessen höchste Bemühungen im Leben sich endlich dahin konzentrieren, besser zu essen und zu trinken und keine Schulden zu haben, wahnsinnig, und er erhebt ihn vielleicht, indem er ihn zu schelten glaubt, da er als ein höchst verständiger Mensch jeder Gemeinschaft mit ihm entsagt. – So sprach oft mein Herr und Freund Johannes Kreisler. – Ach, er mochte etwas Großes erfahren haben, das merkte ich an seinem ganz veränderten Betragen. Eine innere Wut brach oft plötzlich in lichten Flammen auf, und ich erinnere mich, daß er einmal sogar mit einem Prügel nach mir werfen wollte, es tat ihm aber gleich leid, und er bat es mir mit Tränen ab. – Was die Ursache gewesen, weiß ich nicht, da ich ihn nur auf seinen Abend- und Nachtspaziergängen begleitete, tagsüber hingegen seinen kleinen Hausrat und seine musikalischen Schätze bewachte. – Bald darauf kamen viele Leute zu ihm, die sprachen allerlei ungewaschenes Zeug, und jeden Augenblick war von vernünftigen Vorstellungen, von Beruhigen die Rede. Johannes erfuhr hier meine Stärke und Behendigkeit, denn da mir das Volk schon lange im höchsten Grade zuwider, sprang ich auf meines Herrn Wink um so rascher und kräftiger unter das Gesindel und begann so den Angriff, den mein Herr dadurch glorreich beendete, daß er einen nach dem andern zur Tür hinauswarf. – Tags nachher stand mein Herr matt und entkräftet auf. – »Ich sehe, lieber Benfatto,« sprach er, »daß meines Bleibens hier nicht länger mehr ist; – und auch wir müssen uns trennen, mein treuer Hund! – Haben sie mich doch schon deshalb für toll gehalten, weil ich dir vorspielte und mit dir allerlei Vernünftiges sprach! – Auch dich könnte, bliebst du länger bei mir, der Verdacht des Wahnsinns verfolgen, und so, wie mich eine schändliche Einsperrung erwartet, der ich aber zu entgehen hoffe, dich ein schmachvoller Tod durch des Büttels Hand treffen, dem du nicht entgehen würdest. – Lebe wohl, ehrlicher Benfatto.« – Schluchzend öffnete er die Tür, und ich schlich mit hängenden Ohren die vier Treppen herab auf die Straße.

      Ich. Aber, lieber Berganza! – die Erzählung des Abenteuers, das dich hertrieb, hast du ganz vergessen.

      Berganza. Alles bisher Erzählte war die Einleitung dazu. – Als ich nun so traurig und in mich gekehrt die Straße herablief, kam ein Trupp Menschen auf mich zu, von denen einige riefen: »Greift den schwarzen Hund – greift ihn! – er ist toll, er ist gewiß toll!« Ich glaubte meines Johannes Widersacher zu erkennen, und da ich voraussehen konnte, daß ich trotz meines Mutes, trotz meiner Geschicklichkeit würde erliegen müssen, sprang ich rasch um die Ecke in ein ansehnliches Haus, dessen Tür gerade offen stand. Alles verkündete Reichtum und Geschmack; die breite lichte Treppe war schön gebohnt; kaum die Stufen mit meinen schmutzigen Tatzen berührend, war ich in drei Sprüngen oben und kauerte mich in einem Ofenwinkel eng zusammen. Nicht lange darauf hörte ich lustiges Kindergeschrei auf dem Flur und die holde Stimme eines schon erwachsenen Mädchens: »Lisette! vergiß nicht die Vögel zu füttern, meinem Seidenhäschen gebe ich schon selbst etwas!« – Da war es, als triebe mich eine geheime unwiderstehliche Gewalt hervor. Ich trat demnach mich krümmend und schwänzelnd in der demütigsten Stellung, die mir zu Gebote steht, heraus, und siehe da – ein gar herrliches Mädchen von höchstens sechzehn Jahren, mit einem muntern goldlockigen Knaben an der Hand, ging gerade über den Hausflur. – Trotz meiner demütigen Stellung erregte ich doch, wie ich es gefürchtet hatte, keinen geringen Schreck. – Das Mädchen schrie laut auf: »Was für ein häßlicher Hund, wie kommt der große Hund hieher!« – drückte den Knaben an sich und schien fliehen zu wollen. Da kroch ich zu ihr hin, und mich zu ihren Füßen schmiegend, winselte ich leise und wehmütig. »Armer Hund, was fehlt dir«, sprach nun das holde Mädchen und streichelte mich mit der kleinen weißen Hand. Nun wußte ich nach und nach mein Vergnügen zu steigern, so daß ich zuletzt meine zierlichsten Sprünge versuchte. Das Mädchen lachte, und der Knabe jauchzte und hüpfte vor Freude. Bald äußerte er, wie Knaben gemeinhin zu tun pflegen, die Lust, auf mir zu reiten; die Schwester wehrte es ihm, ich drückte mich aber an den Boden und lud ihn selbst durch allerlei lustiges Knurren und Schnupfen zum Aufsteigen ein. – Endlich ließ ihm die Schwester seinen Willen, und kaum saß er auf meinem Rücken, so erhob ich mich langsam, und indem ihn die Schwester in gar anmutiger Stellung mit einer Hand hielt, ging es erst im Schritt, dann in kleinen Courbetten den Hausplatz auf und ab. – Noch mehr als vorhin jauchzte und jubelte der Knabe, noch herzlicher lachte die Schwester. Da trat noch ein Mädchen heraus, sie schlug die kleinen Hände zusammen, als sie die Reiterei sah, aber alsbald lief sie heran und hielt den Knaben bei dem andern Arm. Nun durfte ich größere Sprünge wagen, nun ging es vorwärts im kurzen Galopp, und wenn ich prustend und kopfschüttelnd es dem schönsten arabischen Hengste gleich tat, da schrien die Kinder auf vor Freude. Bediente, Mägde kamen Treppe herauf, Treppe herunter – die Küchentür öffnete sich, der stattlichen Köchin entsank die kupferne Kasserolle und fiel klirrend auf den steinernen Boden, da sie die glutroten Fäuste in die Seite stemmte, um das Schauspiel recht herzlich zu belachen. – Immer größer wurde das schaulustige Publikum, immer lauter der Jubel; von dem schallenden Gelächter erdröhnten Wände, Decke und Boden, wenn ich als ein wahrer Pagliasso irgendeinen närrischen Bockssprung ausführte. – Plötzlich blieb ich stehen, man hielt mich für müde, aber als man den Knaben heruntergehoben, sprang ich hoch auf und legte mich dann schmeichelnd zu des braunlockigen Mädchens Füßen. – »Wahrhaftig,« sprach schmunzelnd die dicke Köchin, »wahrhaftig, Fräulein Cäcilia, es ist, als wollte der Hund sie zum Aufsitzen nötigen.« Da fiel der Chor der Bedienten, der Zofen, der Mägde ein: »Ja, Ja! – ei, der kluge Hund! – der kluge Hund!« Eine leise Röte überflog Cäciliens Wangen, in dem blauen Auge brannte die Begier nach der kindischen Lust – soll ich – soll ich nicht, schien sie zu fragen, indem sie, den Finger an den Mund gelegt, mich freundlich anblickte. – Bald saß sie auf meinem Rücken; nun ging ich, stolz auf meine holde Last, den Paßgang des Zelters, der die Königin zum Turnier trägt, und indem vorwärts, rückwärts, seitwärts sich der versammelte Troß anreihte, ging es wie ein Triumphaufzug den langen Flur hinauf, hinab! – Plötzlich trat eine große stattliche Frau von mittleren Jahren aus der Türe des Vorzimmers und sprach, indem sie meine schöne Reiterin scharf fixierte: »Seht mir die tollen Kinderpossen!« Cäcilia verließ meinen Rücken und wußte so kindlich bittend mein unvermutetes Einfinden, mein gutes Temperament, mein neckisches Wesen darzustellen, daß endlich die Mutter zum Hausknecht sagte: »Gebt dem Hunde zu fressen, und wenn er sich an das Haus gewöhnt, so mag er hier bleiben und des Nachts Wache halten.«

      Ich. So warst du denn nun angenommen!

      Berganza. Ei, mein Freund, der Ausspruch der gnädigen Dame war wie ein Donnerschlag in meinen Ohren, und hätte ich nicht in dem Augenblick auf meine