»Grausames Verhängnis! Verfluchte Cannizares, so ist denn deine Wut auch noch mächtig im Tode? – Fandest du denn nicht in der Hölle deine verruchte Montiela samt ihrem Satans-Bastard! – O! – O! – O!«
Ich erblickte niemanden; – aus der Tiefe schienen die Töne zu kommen, und plötzlich richtete sich ein schwarzer Bullenbeißer, der dicht an der Moosbank gelegen, vor mir in die Höhe, sank aber sogleich in krampfhaften Verzuckungen nieder und schien zu sterben. – Unbezweifelt hatte er geseufzt und jene Worte gesprochen, welches mir freilich ein wenig wunderbar vorkam, da ich noch nie einen Hund so vernehmlich sprechen gehört; ich faßte mich indessen und hielt es wohl der Mühe wert, das ächzende Tier, dem in der mondhellen Nacht an der Statue des heiligen Nepomuk vielleicht die Todesangst die lange gebundene Zunge zum erstenmal löste, mit allem mir nur möglichen Beistande zu versehen. Ich holte aus dem nahen Fluß Wasser in meiner Hutkrempe und besprengte ihn damit, worauf er ein paar feurige Augen aufschlug und mir knurrend Zähne wies, deren sich der stattlichste Solofänger nicht hätte schämen dürfen. Mir wurde dabei nicht ganz wohl zumute, allein bei einem verständigen Hunde, welcher spricht und daher ganz natürlich auch das zu ihm Gesprochene versteht, dachte ich, ist mit Artigkeit alles auszurichten.
»Mein Herr,« fing ich an, »Sie befanden sich soeben etwas übel; Sie waren sozusagen ganz auf den Hund gekommen, unerachtet Sie selbst einer scheinen zu wollen belieben. Fürwahr! daß Sie jetzt noch so erschreckliche Blicke werfen, daß Sie noch was weniges knurren können, haben Sie bloß dem Wasser zu verdanken, das ich Ihnen in meinem ganz neuen Hute mit der augenscheinlichsten Gefahr, mir die Stiefeln naß zu machen, aus dem nahen Flusse herbeigeholt.« –
Der Hund richtete sich mühsam auf, und indem er mit seitwärts gekrümmtem Leibe und ausgestreckten Vordertatzen bequem sich hinlegte, schauete er mich lange an, jedoch mit etwas milderem Blicke als vorher; er schien zu überlegen, ob er wohl sprechen solle oder nicht. Endlich begann er:
»Du hast mir geholfen? – In Wahrheit, hättest du dich weniger zierlich ausgedrückt, ich könnte zweifeln, du seist wirklich ein Mensch! – Doch du hast mich vielleicht sprechen gehört, da ich die üble Gewohnheit habe, mit mir selbst zu reden, wenn mir der Himmel die Gabe der Sprache verleiht, und da war es vielleicht nur Neugierde, die dich antrieb, mir beizustehen. Wahres Mitleiden mit einem Hunde, das wäre gar nicht menschlich.« –
In meiner einmal angenommenen Artigkeit verharrend, suchte ich dem Hunde darzutun, wie ich sein Geschlecht überhaupt liebe, und in diesem Geschlecht nun wieder insbesondere die Gattung, aus der er entsprossen. – Möpse und Bologneser verachte ich unendlich als saft- und kraftlose Schmarotzer ohne Heldensinn u.s.w. – Welches Ohr verschließt sich wohl hienieden hartnäckig dem süßen Laut der Schmeichelei, selbst auf dem Kopfe des Bullenbeißers neigte es sich willig meiner wohlgesetzten Rede, und ein kaum merkliches, aber graziöses Wedeln mit dem Schwanze bezeugte mir das steigende Wohlwollen in der Brust des Hundes Timon.
»Du scheinst,« hub er mit dumpfer, kaum verständlicher Stimme an, »du scheinst mir vom Himmel gesendet zu meinem besondern Troste, indem du ein Vertrauen in mir erregst, das ich längst nicht kannte! – Und selbst das Wasser, das du mir brachtest, hat mich, als verschließe es in sich eine ganz besondere Kraft, wunderbar gelabt und erheitert. – Wenn ich denn nun reden darf, so tut es mir wohl, mich über meine Leiden und Freuden in menschlichen Tönen auszuschwatzen, weil eure Sprache doch recht dazu geeignet scheint, durch die für so manche Gegenstände und Erscheinungen in der Welt erfundenen Wörter die Begebenheiten recht deutlich darzulegen; wiewohl, was die innern Zustände der Seele und allerlei dadurch entstehende Beziehungen und Verknüpfungen mit den äußern Dingen betrifft, es mir vorkommt, als sei, um diese auszudrücken, mein in tausend Arten und Abstufungen gemodeltes Knurren, Brummen und Bellen ebenso hinreichend, vielleicht noch hinreichender als eure Worte; und oft als Hund in meiner Sprache nicht verstanden, glaubte ich, es läge mehr an euch, daß ihr nicht trachtetet, mich zu verstehen, als an mir, daß ich mich nicht gehörig auszudrücken wüßte.«
»Teuerster Freund,« fiel ich ein, »du hast in diesem Augenblick über unsere Sprache einen recht tiefen Gedanken angedeutet, und es scheint mir, als verbändest du Verstand mit Gemüt, welches in der Tat eine recht seltne Sache ist. – Versteh' übrigens den Ausdruck Gemüt richtig oder sei vielmehr überzeugt, daß er mir nicht bloß als schales Wort gilt, wie vielen so ganz Gemütlosen, die ihn beständig im Munde führen. – Doch ich habe dich unterbrochen!« –
»Gestehe es nur ein,« erwiderte der Hund, »nur die Furcht vor dem Ungewöhnlichen, meine dumpfen Worte, meine Gestalt, die im Mondschein nicht eben Zutrauen erwecken kann, machten dich erst so geschmeidig, so artig. – Nun hast du Vertrauen zu mir gefaßt, du nennst mich Du! und das ist mir recht. – Willst du, so laß uns die Nacht verplaudern; vielleicht unterhältst du dich heute besser als gestern, da du ganz unmutig aus der gelehrten Versammlung die Treppe herabstolpertest.« –
»Wie, du hättest mich gestern?«. . –
»Ja, ich erinnere mich jetzt in der Tat, daß du es warst, der mich in jenem Hause beinahe überlief; wie ich dahin gekommen, davon später – jetzt will ich dir ganz rücksichtslos wie einem alten Freunde vertrauen, mit wem du sprichst!« –
»Du merkst, wie gespannt ich bin.«
»So wisse denn, daß ich jener Hund Berganza bin, der vor länger als hundert Jahren in Valladolid im Hospital zur Auferstehung« –
Länger konnte ich nicht an mich halten, so hatte mich der Name Berganza! elektrisiert. »Bester Mann!« – rief ich in stürmischer Freude aus, – »wie! Sie selbst wären der prächtige, kluge, gescheite, gemütliche Berganza, an den der Lizentiat Peralta durchaus nicht glauben wollte, dessen goldne Worte sich aber der Fähnrich Campuzano so gut hinters Ohr geschrieben hatte? O Gott, wie freue ich mich, nun so von Aug' zu Auge den lieben Berganza« –
»Halt, halt,« rief Berganza, »wie freue ich mich, auch den mir wohlbekannten Mann gerade in der Nacht, da mir wieder die Rede kam, im Walde wiederzufinden, der nun schon manche liebe Woche, manchen lieben Monat hier seine Zeit vertrödelt, manchmal einen lustigen, seltener einen poetischen Einfall, niemals Geld in der Tasche, aber desto öfter ein Glas Wein zuviel im Kopfe hat; der schlechte Verse und gute Musik macht, den Neunzehntel nicht mögen, weil sie ihn für unklug halten – den« –
»Still – still, Berganza! ich merke, daß du mich nur zu gut kennst, daher lege ich jede Scheu ab. Ehe du mir (wie ich denn hoffe, daß du es tun wirst) indessen die wunderbare Art erzählst, wie du dich so lange erhieltest und endlich von Valladolid bis hieher kamst, so sage mir, warum dir, wie es mir scheint, mein Tun und Treiben so wenig gefällt.« –
»Das ist gar nicht der Fall,« erwiderte Berganza, »ich ehre deine literarischen Bemühungen und deinen Sinn für das Poetische. – So wirst du z.B. ohne Zweifel unser heutiges Gespräch aufschreiben und drucken lassen, weshalb ich mich denn bemühen will, meine beste Seite herauszukehren und so schön zu sprechen, als es mir nur möglich ist. – Allein, mein Freund – glaub' es – ein Hund von Erfahrung spricht mit dir! – Dein Blut fließt zu heiß durch die Adern, deine Phantasie zerbricht im Mutwillen oft magische Kreise und wirft dich unbereitet und ohne Waffe und Wehr in ein Reich, dessen feindliche Geister dich einmal vernichten können. Fühlst du das, so trinke weniger Wein, und um dich mit dem Neunzehntel, das dich für unklug hält, auszusöhnen, so schreibe über den Arbeitstisch, über die Stubentüre, oder wo du es sonst noch anzubringen vermagst, des Pater Franziskaners goldne Regel hin, nach der man die Welt gehen lassen, wie sie geht, und von dem Herrn Pater Prior nichts als Gutes reden muß! – Aber sage mir, mein Freund! hast du nichts bei dir, womit ich den starken Appetit, der sich eben bei mir plötzlich aufregt, nur einigermaßen zum Schweigen bringen könnte?«