Am Ende des Herbstmonates kam ein Mann mit einem Wanderstabe zu ihm, und sagte, daß er von Hostas Burg komme. Er habe zu den Leuten der Burg gehört, weil er aber schon alt werde, verlangte es ihn in seine Heimat, Boreš erwirkte ihm seine Verabschiedung, und er verließ die Burg. Weil seine Heimat aber auch im Walde sei, so habe ihm Boreš eine Nachricht an Witiko mitgegeben.
»Welche Nachricht?« fragte Witiko.
»Daß die Herzogin Adelheid gestorben ist«, sagte der Mann.
»Die Herzogin Adelheid ist gestorben«, rief Witiko, indem er von seinem Stuhle aufsprang, »die Herzogin Adelheid ist gestorben.«
»Ja«, sagte der Mann.
»Wie hat denn das sein können?« fragte Witiko.
»Wir wissen es nicht«, sagte der Mann, »die erlauchte Herzogin ist in dem Gemache gewesen, in welchem der Herzog gestorben war, hat dort ihre Kinder gepflegt, hat dort geschlafen, ist immer dort gewesen, hat keine Krankheit gehabt, ist stets weißer geworden, und ist am fünfzehnten Tage des Herbstmonates gestorben.«
»Und was ist mit den Kindern geschehen?« fragte Witiko.
»Sie sind nach Prag gebracht worden«, antwortete der Mann.
»Und hast du die Herzogin in ihrer letzten Zeit gesehen?« fragte Witiko.
»Ich habe die Herzogin noch gesehen, da sie tot war«, erwiderte der Mann, »sie hat tot so ausgesehen wie lebendig.«
»Und hat man ihr in Hostas Burg, da sie lebte, Ehren erwiesen?« fragte Witiko.
»Der Herzog hat ihr alle Macht übergeben«, entgegnete der Mann, »und wir sind ihr alle untertan gewesen.«
»Und wo ist sie bestattet worden?« fragte Witiko.
»Sie ist mit Würden in den Wyšehrad zu ihrem Gemahle geführt worden«, antwortete der Mann.
Witiko ging einige Male in der Stube auf und nieder. Dann setzte er sich wieder an den Tisch, und sagte: »So ist sie ihm also gefolgt, so ist sie ihm also gefolgt.«
Und er stützte sein Haupt in seine Hände.
Nach einer Weile sah er wieder zu dem Manne empor, und sagte: »Du hast mir eine wichtige wenn auch traurige Nachricht gebracht, ich danke dir inständig, und bitte dich, bleibe bei uns, und genieße mit uns, was wir haben, so lange du willst.«
»Ich habe Euch in Hostas Burg gesehen«, erwiderte der Mann, »wo Ihr dem Herzoge einen Dienst erwiesen habt, und bin recht gerne zu Euch gekommen, um Euch die Nachricht zu bringen.«
»Du bist auch im Walde zu Hause?« fragte Witiko.
»Ja, in den Häusern des Winterberges«, sagte der Mann.
»Du wirst jetzt bei den Deinigen bleiben«, sagte Witiko.
»Bei zwei Brüdern ist mir das Verbleiben ausbedungen«, antwortete der Mann.
»So genieße deiner Ruhe, wenn es die Zeiten erlauben«, sagte Witiko.
»Bei uns ist es immer stille und gleich«, antwortete der Mann.
»Möge es bleiben«, entgegnete Witiko.
Dann ging er in das Freie, und wandelte zwischen den Feldern dahin.
Der Mann blieb zwei Tage in dem steinernen Hause. Dann empfing er Geschenke von Witiko, nahm seinen Stab, und trat die Wanderung wieder an. Er ging mit dem ersten Lichte des Tages an der linken Seite des Wacholderberges gegen Abend hin, und strebte seinem Ziele zu, das er beim Untergange der Sonne erreichen konnte.
Es kam allgemach der zweite Winter, den Witiko in Plan zubrachte.
Als noch der Schnee auf den Feldern lag, erschien in dem oberen Plane ein wirrer Mann, und sagte, daß er von seinem Hause vertrieben worden sei, und daß er habe entfliehen müssen. Der Herzog wüte gegen seine Untertanen, verjage sie von Haus und Hof, oder töte sie. Es seien auch zwei Männer in dem Walde von Horec angekommen, und haben dort eine Siedelei gründen wollen, sie seien aber wieder weiter gezogen.
Da man ihn mit Speise und Trank erquickt hatte, ging der Mann in dem tiefen Schnee durch den Wald nach Bayern hinüber.
Witiko aber gürtete sein Schwert, nahm seinen Wollmantel, hieß den Knecht Raimund ihm folgen, bestieg sein Pferd, und schlug den Weg mitternachtwärts in das Land ein.
Als sie in die freien Gegenden gekommen waren, erfuhren sie, daß der Herzog die Räuber in dem Lande plötzlich habe verfolgen, und die, welche nicht zu entfliehen vermochten, ergreifen und auf Bäumen oder Pfählen aufhängen lassen. Die Kriegsknechte hätten sich versammelt, seien in die Häuser und Vesten gedrungen, in denen die Schuldigen sich verteidigten, und haben sie ihrem Urteile zugeführt. Dann seien sie wieder in ihre Burgen, in denen sie sonst zerstreut waren, zurück gegangen.
In dem Lande war eine große Unruhe.
Witiko kehrte mit dem Knechte wieder in das steinerne Haus zurück.
Als der Lenz gekommen war, ritt eines Tages ein Mann in einem schönen braunen Gewande mit einer schwarzen Haube auf dem Kopfe, in der eine gerade weiße Feder stak, von einem Gefährten begleitet, gegen das Haus. Als er vor demselben angekommen war, stieg er von dem Pferde, ließ es von seinem Gefährten halten, trat in die Stube, und setzte sich dort von Witiko dazu eingeladen zu ihm an den Tisch. Er war jung, und hatte blonde Haare und blaue Augen.
»Ich bin Mikul«, sagte er zu Witiko, »und bin in der Versammlung auf dem Wyšehrad gewesen, in welcher du als Hörer zugelassen worden bist.«
»Ich kann dich nicht erkennen«, antwortete Witiko, »weil ich mir die Männer, die in jenem Saale gewesen sind, nicht habe in das Gedächtnis sammeln können. Was ist dein Begehren?«
»Weil du so treu an deiner Meinung gehalten hast, und weil du so standhaft dem Tode entgegen gesehen hast, den dir der wilde Milhost gedroht hat«, entgegnete Mikul, »so haben mich einige Männer an dich gesendet. Sie werden am vierten Tage des Heumondes in dem Plakahofe eine Versammlung abhalten, in welcher sie über die Dinge des Landes sprechen werden, und in welcher manche sich näher werden kennen lernen. Sie laden dich zu der Versammlung ein.«
»Ich weiß es nicht, ob ich zur Versammlung kommen werde«, sagte Witiko, »aber ich danke dir für die Reise zu mir. Lasse deinen Gefährten die Pferde herein bringen, und genießet in dem Hause, was es hat.«
»Ich muß dir den Dank für dein Erbieten aussprechen«, antwortete Mikul; »aber unsere Zeit ist sehr kurz, und wir müssen ohne Aufenthalt weiter reiten.«
»So tut nach eurem Ermessen«, sagte Witiko.
Bei diesen Worten stand Mikul auf, und verabschiedete sich. Witiko geleitete ihn vor das Haus zu den Pferden. Mikul schwang sich auf das ledige, das sein Gefährte hielt, beide Männer grüßten noch einmal gegen Witiko, und ritten dann einer hinter dem andern auf dem schmalen Wege gegen die Häuser des oberen Planes.
Am dritten Tage des Heumondes rüstete sich Witiko, und ritt auf dem Wege, auf welchem er von Prag in den oberen Plan herein geritten war, mitternachtwärts in den Wald. Er ritt durch manche Baumbestände, über manche Waldblöße, und übernachtete in einer Hütte. Am nächsten Tage, welcher der vierte des Heumondes war, langte er nach Sonnenaufgang in dem Plakahofe an. Derselbe lag am Saume des Waldes auf einer sumpfigen Wiese, und war ein sehr langes Gebäude. Witiko ritt auf dasselbe zu. Als er zu dem Tore gekommen war, fand er es offen. Vor demselben und innerhalb desselben im Hofraume waren hölzerne Stände für die Pferde. Manche hatten ihre Tiere auch an Bäume des Waldes vor dem Gebäude angebunden. Im Innern desselben gingen Männer hin und her, und sprachen mit einander. Witiko kannte manche. Es war Bogdan gekommen, der an dem Tage auf dem Wyšehrad der erste nach Witikos Eintritt in den Saal über ihn gesprochen, und angetragen hatte, daß er zu einem Gerichte in den Turm geworfen werde, es war Beneš da, der ihn sogleich gerichtet haben wollte, es war Domaslaw