Der Landdoktor Staffel 3 – Arztroman. Christine von Bergen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine von Bergen
Издательство: Bookwire
Серия: Der Landdoktor Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740939878
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lag mit besorgtem Ausdruck auf ihm.

      »Na ja, in seltenen Fällen sind bei Erwachsenen zum Beispiel eine Lungenentzündung, Tuberkulose oder Lungenkrebs für einen chronischen trockenen Husten verantwortlich. Ich habe da so meinen Verdacht, darum möchte ich nach der Blutabnahme auch noch einen Herzultraschall machen.«

      Er bemerkte, wie die junge Frau zusammenzuckte. »Sie meinen, ich bin herzkrank?«

      »Eine Herzschwäche könnte, und ich sage, könnte eine Ursache sein. Natürlich hat diese wiederum auch einen Auslöser, falls sie nicht angeboren ist, was bei Ihnen nicht der Fall sein kann, da der Husten erst jetzt aufgetreten ist.«

      Claudia ließ alle weiteren Untersuchungen willig und ziemlich schweigsam über sich ergehen. Die Echokardiografie brachte tatsächlich eine leichte linksseitige Herzschwäche ans Licht, die für den Husten verantwortlich war.

      »Ihr Blutdruck ist heute zu hoch.« Matthias sah seine Patientin bedeutsam an. »Haben Sie das öfter?«

      Die junge Frau lächelte verlegen. »Keine Ahnung. Ich messe ihn nie.«

      »Schwitzen Sie häufig? Verspüren Sie Zittern oder Nervosität?«

      »Klar, man kommt immer mal in Situationen, in denen man nervös wird«, lautete ihre Antwort.

      Sie gehört auch zu den Menschen, die die Signale ihres Körpers missachten, dachte der Landarzt. Es gab zwei Kategorien von Patienten: Die einen horchten zu viel in ihren Körper hinein und waren mehrmals in der Woche bei ihm; die anderen dagegen ignorierten alle Signale ihres Körpers.

      »Wir gehen jetzt ins Labor, wo ich einen Ultraschall Ihrer Schilddrüse machen werde«, teilte er Claudia mit.

      »Schilddrüse?« Ihre Hand tastete ihren Hals ab. »Aber die ist doch in Ordnung.«

      »Eine Überfunktion muss sich nicht immer in einer Vergrößerung zeigen«, korrigierte er ihre Meinung, die weit verbreitet war.

      Wie dann auch das Ultraschallbild zeigte, lag die eigentliche Quelle ihres Hustens in einer Schilddrüsenüberfunktion. Diese steigerte den Energieverbrauch des Organismus’ und überforderte dadurch das Herz.

      »Und jetzt?«

      Matthias lächelte sie beruhigend an. »Jetzt sind wir schon einen Riesenschritt weiter. Ich werde die Behandlung von zwei Seiten angehen: Sie bekommen Medikamente, die die Hormontätigkeit der Schilddrüse herabsenken und sie wieder zum normalen Arbeitsrhythmus zwingen. Dadurch entlasten wir in Zukunft die Tätigkeit des Herzens, und es kann sich erholen. Zurzeit brauchen Sie jedoch ebenfalls Medikamente gegen die Linksinsuffienz. Deren Wirkung können Sie unterstützen durch Wasser treibende Tees und vor allem durch salzarme Ernährung. Wenn wir die Schilddrüse erst einmal im Griff haben, wird Ihr Herz auch besser arbeiten. Es sammelt sich kein Wasser mehr in der Lunge und Sie müssen nicht mehr husten.«

      Claudia knabberte an ihre Unterlippe, hob dann in einer hilflosen Geste die Schulter und sagte: »Tja, dann gehöre ich nun auch zu den Menschen, die chemische Keulen schlucken.«

      Er lächelte sie an. »Es gibt für alles Grenzen. Grenzen für die Heilkraft der Homöopathie oder Naturmedizin, wie auch welche für die Wirkung chemischer Keulen, wie Sie die pharmazeutischen Produkte nennen. Auch sie sind keine Wunderwaffen, sonst würden wir ewig leben. Die Kunst besteht darin zu erkennen, was wann am effektivsten helfen kann. In Ihrem Fall geht es zurzeit nicht ohne Pharmazie.«

      Er sah die junge Frau an, hinter deren Stirn es arbeitete. Er war sich bewusst, dass er gerade ihr Weltbild durcheinanderbrachte. Dass sie nun eine Krankheit hatte, bei der ihre Naturmedizin nicht mehr helfen konnte, musste sie erst einmal verarbeiten. Und das würde für sie nicht leicht sein. Aber womöglich war diese Korrektur ihrer Einstellung, zu der sie ihr Körper zwang, ganz gut und würde ihr ihre Zukunft erleichtern. Die Verbohrtheit in eine Idee verengte die Sichtweise. Es war wichtig, auf dem Marktplatz des Lebens mit all seinen Möglichkeiten einen unverstellten Blick zu behalten.

      *

      Etwa zur gleichen Zeit, als Claudia ihre Diagnose vom Landdoktor gestellt bekam, herrschte in der Apotheke in Ruhweiler großer Andrang. Hauptsächlich von älteren Frauen, die sich kannten und sich in der Schlange vor der Theke lautstark unterhielten.

      Thomas überließ Maja den Verkauf. Er hielt sich im Hinterzimmer auf und ging die Bestellliste durch. Durch den Vorhang konnte er jedoch jedes Wort hören.

      Wieder einmal musste er sich eingestehen, dass seine Helferin sehr geschickt mit den Kunden umging. Zweifelsohne trug sie dazu bei, dass sein Geschäft so gut anlief. Leider war ihr Verhältnis zuei­nander inzwischen deutlich gespannt. An diesem Montag war Maja wieder in Jeans und Shirt gekommen. Ungeschminkt. Das Haar hatte sie zum mädchenhaften Pferdeschwanz hochgebunden. So gefiel sie ihm schon viel besser. Das Glimmen in ihren dunklen Augen, ihr tiefer Blick verrieten ihm jedoch, dass sie ihr Ziel, ihn zu erobern, noch nicht aufgegeben hatte. Das bereitete ihm Sorgen.

      Thomas wurde von seinen Überlegungen abgelenkt, als er eine seiner Kundinnen sagen hörte: »Wie sie die Männer anlockt, konnte man doch auf dem Bauernmarkt sehen.«

      Er horchte angestrengt.

      Meinte die Frau etwa Claudia?

      »Wenn die erst mal ihr Kräuter­stüble eröffnet hat, entsteht dort ein Sündenbabel. Du wirst schon sehen«, erwiderte eine andere in bissigem Ton.

      »Diese Hexe soll sogar eine Teemischung haben, die die Männer stärkt. Na ja, ihr wisst schon …«, steuerte eine dritte nun noch ihr Wissen bei.

      »Da soll mir meiner mal mit nach Haus kommen«, empörte sich die Erste. »Sie soll Apothekerin sein. Wer weiß, was die alles da reinmischt und dann unter dem harmlos klingenden Begriff Naturheilmittel verkauft.«

      »Die kann unser ganzes Tal vergiften. Früher hätte man gesagt, dass eine solche Person mit dem Teufel im Bunde steht.«

      Inzwischen waren es vier Frauenstimmen, die eindeutig über Claudia herzogen. Nein, das ­konnte er nicht zulassen. Er stand auf, schob den Vorhang zurück und sagte in so schneidendem Ton, dass die Frauen zusammenzuckten, als würde der gerade erwähnte Teufel leibhaftig vor ihnen stehen: »Aber heute nicht mehr, meine Damen.«

      »Herr Dr. Brandler«, stotterte die Spitznasige, die das Thema begonnen hatte. Die beiden anderen rissen vor Überraschung und Schreck die Münder auf.

      »Frau Koch, über die Sie gerade gelästert habt, ist eine gute Bekannte von mir, die weder etwas mit Hexerei noch Sündenbabel zu tun hat«, fuhr er energisch fort. »Sie will sich bei uns in der noch unberührten Natur und heilen Welt, zumindest habe ich unsere Welt hier im Tal bis gerade noch für heil gehalten, einen Traum verwirklichen. Naturheilmittel statt chemisch hergestellter Medizin, die oft negative Nebenwirkungen mit sich bringt. Gerade Sie, Frau Bührle …« Er sah die Spitznasige mit durchbohrendem Blick an, deren hervorstechendes Merkmal schneeweiß geworden war. »Sie haben doch hautnah erlebt, wie Ihr Bruder an Tablettensucht elendig zugrunde gegangen ist. Wie können gerade Sie so abfällig über das Anliegen von Frau Koch reden?«

      Niemals zuvor hatte Thomas so harsch mit Kunden gesprochen. Aber wenn es um Recht und Unrecht ging, traten seine eigene Interessen in den Hintergrund, und er setzte sich für die zu Unrecht Angegriffenen ein. Wie jetzt für Claudia.

      »Übrigens, ich habe mich selbst davon überzeugen können, dass eine Salbe von Frau Koch tatsächlich ein kleines Wundermittel ist«, fügte er jetzt etwas friedfertiger hinzu. »Ich hatte mir vorgestern eine Verletzung am Schienbein zugezogen, die heute Morgen schon sehr gut verheilt ist. Und das sage ich Ihnen als Apotheker, der hinter der Pharmaindustrie steht.«

      Zwei der drei Frauen senkten beschämt die Köpfe, die dritte im Bunde sah ihn interessiert an. »Wundersalbe?«

      Er musste lächeln. »Ich bezeichne sie einfach mal so, weil sie bei mir Wunder gewirkt hat. Anzuwenden bei blutenden Wunden …«

      »Haben Sie die hier?«, erkundigte sich die Kundin.

      »Nein, leider nicht. Die können Sie nur bei Frau Koch kaufen. Wie