Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth. Ödön von Horváth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ödön von Horváth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027226405
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      FRANZ

      Bravo. Das deutsche Proletariat stellt sich zum Kampf. Ohne Gewehre, ohne Generäle. Der Friedenswille der Massen ist stärker als alle Bajonette der internationalen Reaktion! Der Militarismus wird an der sittlichen Kraft der schaffenden Arbeit zerschellen, ohne Blut!

      KNORKE

      Leitartikel! Tinte!

      DIE BUNDESSCHWESTER

      Blut bleibt Blut!

      KNORKE

      Krieg ist Krieg! Der passive Widerstand ist die Ausgeburt jüdischer Niedertracht! Eine rote Feigheit! In Berlin feiern internationale Halunken den jüdisch-jesuitischen Fetzen von Weimar! Bundesbrüder! Bald marschiert die nationale Armee und rottet das pazifistische Gesindel aus! Rache für Straßburg! Rache für Schlesien! Für Schleswig! Für Schlageter!

      DIE HAKENKREUZLER

      Heil! Heil!

      GESANG

      aus dem Saal: Drum Brüder schließt die Runde

      Und hebt die Hand zum Schwur, In unserem heiligen Bunde Gilt eine Losung nur: Das Hakenkreuz soll flattern Uns führen in der Nacht Bis unsere Schüsse rattern Einst in der Freiheitsschlacht!

       Knorke, die Bundesschwester und die Hakenkreuzler ab in den Saal; nur vier bleiben zurück.

      Kam'rad reich mir die Hände,

      Fest wolln beisamm wir stehn,

      Mag man uns auch bekämpfen

      Der Geist kann nicht vergehn!

      Hakenkreuz am Stahlhelm

      Schwarzweißrotes Band,

      Sturmabteilung Hitler

      Werden wir genannt!

      Wir lassen uns, wir lassen uns

      Von Ebert nicht regieren!

      Hei Judenrepublik! Hei Judenrepublik!

      Schlagt zum Krüppel den Doktor Wirth!

      Knattern die Gewehre, tack tack tack,

      Aufs schwarze und das rote Pack!

      Schlagt tot den Walther Rathenau

      Die gottverdammte Judensau!

       Plötzlich Stille. Franz lehnt die Stirne an die Wand und spuckt Blut.

      ERSTER HAKENKREUZLER

      Der hat seinen Teil.

      ZWEITER HAKENKREUZLER

      Noch lange nicht, Kamerad!

      DRITTER HAKENKREUZLER

      Ein beschnittener Saujud ist ein anständiger Mensch neben einem arischen Juden. Dem blut ja bloß die Nase. Das ist nur Vorschuß.

      ZWEITER HAKENKREUZLER

      Wenns losgeht, wird er sich verbluten.

      VIERTER HAKENKREUZLER

      Wann gehts denn los?

      DRITTER HAKENKREUZLER

      Bald.

      ZWEITER HAKENKREUZLER

      Wenns losgeht, dann kommt ein Gesetz, daß sich jeder Jud einen Rucksack kaufen muß. Was er hineinbringt, das darf er mitnehmen nach Jerusalem. Was er nicht hineinbringt, gehört uns. Wißt ihr, wieviel polnische Juden in Deutschland wuchern? Zwanzig Millionen!

      ERSTER HAKENKREUZLER

      Bei uns in der Schule haben wir nur einen Juden. Wir reden alle nicht mit ihm, aber der Schuft ist gescheit. Neulich hat er als einziger den ollen Cicero übersetzen können, dann haben wir ihn aber verprügelt! Er war ganz blau, und seine Brille ist zerbrochen. Sein Vater, der alte Itzig, hat sich beim Rektor beschwert, aber der hat gesagt, das wären ja nur Streiche der Jugend, und Knaben, die nicht raufen, aus denen wird kein tüchtiger Krieger. Wir haben dem Rektor nämlich gesagt, daß der Jud frech war, darum haben wir ihn gedroschen. Er hat es sofort geglaubt. Träumst du?

      ZWEITER HAKENKREUZLER

      Nein. Ich hab nur nachgedacht über diese Judenfrage. Gestern haben sie auf dem Markt so eine plattfüßige Rebekka geohrfeigt. Sie hat nämlich behauptet, daß die Äpfel faul sind, die man ihr verkauft hat, das Dreckmensch. Die Leute haben gelacht. Heilrufe und Musiktusch im Saal.

      DRITTER HAKENKREUZLER

      Das Schlußwort! Los! Ab in den Saal mit dem ersten und zweiten Hakenkreuzler.

      GESANG

       aus dem Saal:

      Wir treten zum Beten vor Gott den Gerechten,

      Er waltet und haltet ein strenges Gericht.

      Er läßt von den Schlechten nicht die Guten knechten,

      Sein Name sei gelobt! Er vergißt uns nicht!

       Vierter Hakenkreuzler nähert sich langsam Franz.

      FRANZ

      hört ihn und wendet sich ihm zu: Zurück! Das war eine große Heldentat. Alle gegen einen.

      VIERTER HAKENKREUZLER

      Ich hab dich nicht geschlagen.

      FRANZ

      Danke.

      VIERTER HAKENKREUZLER

      Bitte. Sie hätten dich fast erschlagen, aber das hätt mir leid getan, denn du hast recht gehabt, und ich hab die Gerechtigkeit lieb. Du hast sehr recht gehabt, wir haben unsere Ehre nicht verloren – aber darauf kommts nicht an. Man muß nur selbständig denken. Du bist ein sogenannter Idealist.

      FRANZ

      Wer bist du?

      VIERTER HAKENKREUZLER

      Ich heiße Sladek. – Man muß nur selbständig denken. Ich denk viel. Ich denk den ganzen Tag. Gestern hab ich gedacht, wenn ich studiert hätt, dann könnt ich was werden. Ich hab nämlich Talent zur Politik. Ich bin ein sogenannter zurückgezogener Mensch. Ich red nur mit Leuten, die selbständig denken können. Ich freu mich, daß ich mit dir reden kann, – du bist auch allein, das hab ich bei der Diskussion bemerkt. Wir sind verwandt. Ich hab mir das alles genau überlegt, das mit dem Staat, Krieg, Friede, diese ganze Ungerechtigkeit. Man muß dahinter kommen, es gibt da ein ganz bestimmtes Gesetz. Es ist immer dasselbe. Ein ganz bestimmter Plan, das ist klar, sonst wär ja alles sinnlos. Das ist das große Geheimnis der Welt.

      FRANZ

      Und?

      SLADEK

      In der Natur wird gemordet, das ändert sich nicht. Das ist der Sinn des Lebens, das große Gesetz. Es gibt nämlich keine Versöhnung. Die Liebe ist etwas Hinterlistiges. Liebe, das ist der große Betrug. Ich habe keine Angst vor der Wahrheit, ich bin nämlich nicht feig.

      FRANZ

      Ich auch nicht.

      SLADEK

      Das weiß ich. Aber du hast da einen Denkfehler. Lach mich nicht aus, bitte.

      FRANZ

      Ich lach nicht.

      SLADEK

      Du denkst nämlich immer daran, das ganze Menschengeschlecht zu beglücken. Aber das wird es nie geben, weil doch zu guter Letzt nur ich da bin. Es gibt ja nur mich. Mich, den Sladek. Das Menschengeschlecht liebt ja nicht den Sladek. Und wie es um den Sladek steht, so geht es den Völkern. Es liebt uns zur Zeit niemand. Es gibt auch keine Liebe. Wir sind verhaßt. Allein.

      FRANZ

      Was