Die wichtigsten Dramen von Ödön von Horváth. Ödön von Horváth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ödön von Horváth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027226405
Скачать книгу
Mensch hat doch einen, dem sein Herz gehört – ich hänge sehr an meinen Kindern, aber ich sehe sie nie, man ist zu sehr im Joch. – Sie haben keinen Familiensinn. Sie sind trotz Ihrer Arbeit ein destruktiver Mensch, haha, guter Witz!

      INGENIEUR

      Verzeihen Sie, daß ich Sie im Essen störe. Ich muß leider wieder fort. Darf ich bitten?

      Aufsichtsrat erhebt sich und folgt dem Ingenieur. Hier bietet sich einem die beste Sicht über die letzte Strecke der Anlage. Sie sehen: dort unten, oberhalb jener vermurten Gletscherzunge Stütze vier. Der helle Fleck. Höhe 2431.

      AUFSICHTSRAT

      durchs Fernglas: Jawohl!

      INGENIEUR

      Nach rund 1200 Metern erreicht die Bahn Stütze fünf: dort oben, links der schwarzen Wände, jene rostbraune Stelle. Gesprengt. Höhe 3018. 587 Meter Höhe in knapp sieben Minuten.

      AUFSICHTSRAT

      Rekord! Und Hochachtung! – Unter uns: in der letzten Aufsichtsratssitzung fiel der Satz: Sie seien besessen von Ihrer Arbeit, Ihre Besessenheit ist kapital! Im wahren Sinne des Wortes: Kapital! Und Geheimrat Stein sagte, wenn das Vaterland lauter solche Männer hätte, stünde es besser um uns. Ich füge hinzu: dann wäre dieses Wunderwerk, Ihr Wunderwerk, in drei Wochen fahrtbereit!

      INGENIEUR

      Bis dato war uns der Oktober freundlich gesinnt. Nur noch vier Tage, und das Hilfskabel hängt auf Hilfsstütze fünf, das Pensum rollte sich planmäßig ab. Dann dürfte es wettern. Tag und Nacht.

      AUFSICHTSRAT

      betrachtet die Landschaft durchs Fernglas: Wir verringern natürlich die Belegschaft.

      INGENIEUR

      Alles wird entlassen, bis auf die vierzehn Mann der Talstation.

       Sturmstoß.

      AUFSICHTSRAT

      Teufel, dieser Sturm! Durch und durch!

      INGENIEUR

      Würden wir gezwungen, die Vorarbeiten vorzeitig abzubrechen, so folgerte freilich hieraus –

      AUFSICHTSRAT

      unterbricht ihn: Herr! Weitere Verzögerungen wären untragbar!

      INGENIEUR

      Ob man sie tragen muß, entscheidet der Sturm. Die kommenden vier Tage. Denn schlägt das Wetter im Oktober um, dann kommt der Winterschlaf. Und setzt gar das Frühjahr spät und schlecht ein, so dürfte sich die Inbetriebnahme leicht um ein volles Jahr verzögern.

      AUFSICHTSRAT

      Wie? Was?! Mensch, was reden Sie da! Ein Jahr?!

      INGENIEUR

      Vielleicht!

      AUFSICHTSRAT

      Ist nicht wahr! Ist nicht wahr! Das ist ja der Tod! Das Nichts! Die Pleite!

      INGENIEUR

      Wenn ich nicht falsch unterrichtet worden bin, hat die A.& G. die Bodenbank interessiert.

      AUFSICHTSRAT

      Man hat Sie unterrichtet?

      INGENIEUR

      Ja.

      AUFSICHTSRAT

      Wer?

      INGENIEUR

      Die Bodenbank ist beteiligt. Seit sechs Wochen. Mit 45 %. Stimmts? Ja oder nein?

      AUFSICHTSRAT

      Es stimmt. Auffallend! Und?

      INGENIEUR

      Es stimmt! Und ich lasse mich nicht hetzen! Herr, ich gebe mein Letztes her, doch gen Elemente kann keiner kämpfen! Aber die Bodenbank kann zahlen. Auch zwei Jahre länger!

      AUFSICHTSRAT

      Auch zwanzig Jahre länger!

      INGENIEUR

      Sehen Sie!

      AUFSICHTSRAT

      Ich sehe. Doch Sie scheinen blind zu sein! Der A. G. ist es völlig piepe, ob sie an Konserven, Spielwaren oder Bergbahnen verdient. Mann, es geht um die A. G. und nicht um Ihre Beschäftigung! Jeder Tag mehr kostet uns Herzblut. Wir verlieren die Mehrheit und unsere Millionen werden Nullen vor der Zahl.

      INGENIEUR

      Das dürfte übertrieben sein.

      AUFSICHTSRAT

      Ihnen dürfte es freilich gleichgültig sein, wer sein Geld für Ihre Pläne riskierte!

      INGENIEUR

      Nichts war riskiert!

      AUFSICHTSRAT

      Das sagen Sie!

      INGENIEUR

      scharf: Und Sie?

      AUFSICHTSRAT

      Hahaha! Sie entpuppen sich ja als Idealist! Sie bauen tatsächlich in die Wolken! Hahaha! – Mein lieber Herr! Merken Sie sich: Wir sind Kaufleute. Also nicht naiv.

      INGENIEUR

      Mein Werk ist kein Geschäft.

      AUFSICHTSRAT

      Großer Gott! Wir finanzieren doch nicht Ihren Ruhm!

      INGENIEUR

      Über der Person steht das Werk.

      AUFSICHTSRAT

      Um unser Geld!

      INGENIEUR

      Aber die Person fordert Bewegungsfreiheit, um schaffen zu können! Man ist doch in keinen Käfig gesperrt!

      AUFSICHTSRAT

      grinst: Sie verkennen Ihre Lage.

      INGENIEUR

      Um das Werk zu vollenden, werde ich rücksichtslos!

      AUFSICHTSRAT

      Richtig! Ditto! Um das Geld nicht zu verlieren, sagt die A. ;G. »Hören Sie! Wir haben Ihr Patent erworben. Und die Konzession!«

      INGENIEUR

      Was soll das?

      AUFSICHTSRAT

      Aha! Erraten! Es gibt nur wenige A. G.'s, aber zahlreiche Ingenieure. Ingenieure, gleichtüchtige, die sich aber auch gerne hetzen ließen, wenn – Und die auch gegen die Arbeiterschaft energischer einschreiten! Eine Unerhörtheit dieser letzte Streikversuch!

      INGENIEUR

      Wann?

      AUFSICHTSRAT

      Voriges Jahr. Zwei Wochen schlecht Wetter und schon Drohung mit Lohnerhöhung! Pack kennt keine Pflicht. Mehr Energie, Herr! Mehr Faust! Wann haben Sie –

      INGENIEUR

      unterbricht ihn: Wann habe ich nicht? Was habe ich nicht? So denken Sie doch nach! Da ist der Fall Klaus, und die Geschichte der drei – Habe ich etwa Schlappschwanz markiert?

      AUFSICHTSRAT

      Die unter allen Umständen ungerechtfertigten, jeder Grundlage entbehrenden Beschwerden der Belegschaft sind strikte zurückzuweisen. Wir müssen zwingen. Und sollte es Schwefel schneien!

      INGENIEUR

      Jetzt reden wir aneinander vorbei.

      AUFSICHTSRAT

      Freut mich! Aufrichtig! Es wäre doch auch zu traurig, wenn man im zwanzigsten Jahrhundert noch derart vom Wetter abhängen müßte! Sollte sich also die Inbetriebnahme wieder verzögern, selbst nur um paar Tage, sind Sie entlassen.

      INGENIEUR

      Hahaha! – Und unser Vertrag?

      AUFSICHTSRAT