STRASSER
Richtig! Im Ernst. Man bittet um Ruhe: die Gäste wollen schlafen.
ADA
Was für Gäste?
Stille.
Was für Gäste? Ihr seht mich wohl zehnfach, ihr besoffenen Gegenstände! Es gibt hier bekanntlich nur einen Gast, und der bin ich. Es kann nur einer befehlen. Die anderen haben zu gehorchen! Ihr seid doch meine Sklaven, nicht? Ich verzichte auf Ruhe, ich fühle mich frisch. – Sollte ein Sklave schlafen wollen, so wird er lebendig begraben, und wenn er widerspricht, wird ihm die Zunge herausgerissen, und will er nicht hören, die Ohren abgesägt, und geht er auf mich nicht ein, wird er kastriert! Sie lacht.
KARL
Man sollte das Irrenhaus anrufen.
MAX
Das Telefon ist leider verdorben.
EMANUEL
So gehört es repariert.
ADA
lacht: Strassersklave! Geh auf mich ein! Geh auf mich ein!
MÜLLER
in Hemd und Unterhosen; reißt Türe fünfzehn auf: Na was ist denn los?! Die reinste Revolution!
MAX
Wer weitergeht, wird erschossen.
ADA
kann nicht mehr aufhören zu lachen: Ein Gast! Ein Gast! Und was für ein illustrer Gast!
MÜLLER
Was hat denn die dumme Kuh?
ADA
hat es nicht gehört: Incognito! Ich habe Sie total vergessen, Herr Generaldirektor!
MÜLLER
brüllt sie an: Ich bin kein Generaldirektor! Ruhe! Wiehern Sie nicht, sehen Sie zu, daß Sie in die Klappe kommen, besoffene Person! Mitten in der Nacht, na, das ist schon räudig! Ab; er schlägt die Türe zu.
ADA
perplex: Was war das? Wie war das Wort?
STRASSER
Räudig.
MAX
R wie Rembrandt, äu wie Euter, d wie Daheim, i wie Inzest, g wie gebenedeit.
ADA
Dieses Schwein ist wohl verrückt geworden, wie?
Eine Uhr schlägt vier-, dann dreimal.
STRASSER
zählte mit: Drei.
EMANUEL
zählte auch mit: Nein, vier!
MAX
ist anderswo: Es wird bald fünf.
EMANUEL
entsetzt: Schon fünf?
STRASSER
fährt Emanuel an: Sie versäumen nichts!
ADA
grinst: Steht die Guillotine? Steht die Guillotine?
STRASSER
Herr Baron erreichen den Zug.
EMANUEL
erregt: Sie Wirt. Ich verbiete es Ihnen, sich mit meiner Abreise zu beschäftigen!
STRASSER
Ich verbiete es Ihnen, die Dame von zwölf a mit Ihren unsittlichen Anträgen zu belästigen! Und wären Sie königliche Hoheit, Baron!
ADA
scharf: Was ist das für Dame?
Stille.
Wo gibt es hier eine Dame? Und seit wann?
STRASSER
Das geht dich nichts an!
ADA
Hierbleiben! Hierbleiben! – Strasser, schau mir in das Auge! In das Auge – Was für Dame, was für Dame? Soll das etwa? Habt ihr gelogen? Ist das die? Diese Kloake! – Hinaus damit! Sofort! Oder ich hole sie an den Haaren herbei – Sie will zu zwölf a.
KARL
reißt sie zurück, daß sie niederbricht: Halt das Maul! Selber Kloake! Kusch! Oder ich zertrete dich!
ADA
am Boden: Na, was hat er denn?
KARL
Dieses Maul. Wie ein Lurch!
ADA
Emanuel! So ohrfeige ihn!
KARL
Jener Greis? Mich?
ADA
Ohrfeige ihn!
EMANUEL
Ada, ich habe es mir bereits überlegt, ob ich ihn züchtigen soll, aber das Resultat wird erst eine Sekunde vor fünf Uhr veröffentlicht. Damit die Spannung nicht flöten geht, denn wir hassen bekanntlich die Langeweile und lieben die Sensation.
KARL
grinst: Ein schlagfertiger Patriarch.
ADA
verwirrt; irr: Die Sensation – Oh, dieser Kopf! Was kostet dieser Kopf? Siebentausend? Wie? Ich biete einen roten Heller! Zum ersten, zum zweiten, zum dritten!
EMANUEL
Ich behalte meinen Kopf. – Zu guter Letzt hat man doch auch seinen Stolz. Adieu! Er verbeugt sich steif und ab in vierzehn.
ADA
sieht ihm nach: Adieu! – Adieu, du Kopf! Wenn nicht, dann nicht! Wenn kein Kopf, so die Uniform! Jene charmante Uniform – Zum ersten, zum zweiten, zum dritten! Zieh dich aus, Herkules!
KARL
Gott, wie neckisch!
ADA
Nicht? Sie erhebt sich stöhnend. Hierbleiben! Sie lächelt und nähert sich taumelnd Karl. Herkules, laß mich an deinem Kinn riechen – du duftest wie mein erstes Erlebnis.
KARL
Zurück! Schon lange her, das erste Duften, was? Dreißig? Vierzig? Fünfzig! Ein halbes Jahrhundert! Wann wird denn Schluß?! Ab in zehn.
ADA
starrt ihm fassungslos nach: Schluß? – Was für Schluß? Von was Schluß? – Ich verstehe kein Wort – Sie wankt.
MAX
Es wird bald fünf.
STRASSER
zu Ada: Komm. Geh zu Bett.
ADA
Nein! Jetzt muß ich noch eine Kleinigkeit trinken etwas Prickelndes.
STRASSER
Du bist schon betrunken. Und krank.
ADA
Ich bin nicht krank!
STRASSER
kneift sie in den Arm: Geh zu Bett!
ADA
Au! Du mußt mich sanfter anfassen – wir Frauen sind nun mal so. Au!
STRASSER
Ada. Du hast kein Recht, eine Mutter zu beschimpfen. Das Weib erfüllt durch die Geburt eine göttliche Funktion. Wo wären wir, wenn es keine Mütter gäbe? – Ich habe mich geirrt: sie ist keine Prostituierte, sie kennt nur mich. Ich werde die Dame von zwölf