CHRISTINE
Ich denke nicht daran, was ich vor tausend Jahren war.
KARL
tritt aus zehn; erblickt die beiden: Hoppla! Zu Christine. Hat er schon wieder geklopft? Zu Max. Kerl, du klopfst ja tausend Jahr!
MAX
Rühr mich nicht an! Terrorist! Sachlich, bitte! Laß mich allein!
KARL
hatte sich Max nicht genähert; zu Christine: Er leidet nämlich an Verfolgungswahn.
CHRISTINE
will ab: Ach, lassen Sie mich in Ruh!
KARL
und
MAX
Halt!
MÜLLER
tritt aus fünfzehn in Hemd und Unterhosen und versperrt ihr dadurch den Weg: Na wohin? Ich wollte gerade auf das Klosett. Aber Kleines, wer wird denn noch daran denken, daß ich mich gestern nicht ganz korrekt benahm. Ich weiß, was sich gehört, doch es ging mir zu nahe, daß du dich mit solchen Kerls – Wir kennen uns zwar aus dem Tabarin, aber ich bin der Letzte, der kein Verständnis dafür hätte, wie leicht ein unbescholtenes Mädchen mit gutem Kern in unserem neuen Deutschland auf die schiefe Ebene kommt. Schwamm darüber! Das Kind soll einen ehrlichen Namen haben! Meinen Namen. Nur nicht verzagen: du wirst noch eine rechtschaffene Hausfrau mit Gefühl für das Familienleben. Oh, das hast du, kleiner Blondkopf! Hinter diesem Stirnchen sitzt Sinn für Ordnung und Zucht. Ich sehe mich schon im eigenen Geschäfte und sehe dich schalten und walten in Küche und Keller. Du erinnerst mich manchmal, so in der Bewegung, an meine selige Mutter. Arme Kleine! Bist ein gefallenes Mädchen, aber ich leite dich retour in die bürgerliche Atmosphäre. Na, was sagst du?
EMANUEL
tritt rasch aus vierzehn; reißt im letzten Augenblick das Handtuch vom Kopfe; hält es in der Hand: Pardon! Ich habe alles gehört. Es ist menschliche Pflicht, die Dame zu warnen. Dieser Herr liebt aus platter Gewinnsucht. Es riecht nach Heiratsschwindel.
MÜLLER
braust auf: Wie kommen Sie mir vor?!
EMANUEL
Ich bin Herr Baron Stetten, Müller. Ich weiß nicht, ob Gnädigste sich für Golf interessieren, aber abgesehen vom Golf: Gnädigste werden meinen Namen bereits kennen.
CHRISTINE
Nein.
EMANUEL
Ich nehme an, daß Sie ein schlechtes Namensgedächtnis haben, um nicht glauben zu müssen, daß es Ihnen an historischem Sinn mangelt. Gnädigste. Es ist immer tragisch, wenn solch glorreiches Geschlecht erlischt. Christine. Da keine Hoffnung besteht, unser Geschlecht auf natürliche Weise zu verlängern, bitte ich Ihr Kind adoptieren zu dürfen.
CHRISTINE
Ich habe ein gutes Gedächtnis und kenne mich in der vaterländischen Geschichte nicht aus.
EMANUEL
Still, bitte! – Wollen Sie Baronin werden?
MÜLLER
Wie selbstlos!
EMANUEL
Kein Krämerstandpunkt! Ich bringe Opfer, meine Herren! Es ist klar, daß ich durch die Ehe mit einer nicht standesgemäßen Person auf die Zugehörigkeit zur anständigen Gesellschaft werde verzichten müssen.
KARL
Auch mit siebentausend?
EMANUEL
In einer knappen Stunde müßte ich mir eine Kugel durch diesen Kopf jagen, aber ich verzichte. Ich bringe Opfer über Opfer.
MÜLLER
Spartanisch!
KARL
zu Christine: Verzichte! Der würde doch alles verspielen! Den ganzen lieben Gott!
MAX
Auf ein Blatt.
EMANUEL
Ich habe ausgespielt. Ich kenne keine Karten mehr, vorausgesetzt, daß mir jemand hilft. – Wollen Sie Baronin werden?
Stille.
Sagen Sie ja.
KARL
Sag nein!
EMANUEL
Ich verbitte mir jede Beeinflussung! Sie selbst soll entscheiden. Wir leben doch nicht im finsteren Mittelalter, wir Modernen haben gelernt, auch im Weibe den Menschen zu achten. Nur der Mensch zählt! So wählen Sie! Hie Baron Stetten! Hie Müller, Chauffeur und Kellner!
MAX
Ich bin kein Kellner!
EMANUEL
Sondern? Photograph?
CHRISTINE
Still! Ich überlege. Ich überlege. Sie lacht lautlos.
MÜLLER
Tu nicht so blasiert!
EMANUEL
Sie sind keine kalte Frau.
MAX
Lachen Sie mich nur aus –
Christine horcht auf; lacht nicht mehr.
KARL
Ich wähle! Ich bin ein Mann, kein degenerierter Idiot! Das Weib will genommen werden!
EMANUEL
Pardon! Kein Faustrecht!
KARL
Keine Entrüstung! Wer verliert und nicht bezahlt, ist selbst ein Schuft!
MÜLLER
Wer?
KARL
Der Herr Baron!
EMANUEL
Zustände!
Strasser tritt aus zwölf, ohne bemerkt zu werden.
MAX
zu Emanuel: Pfui!
MÜLLER
Donnerwetter ja!
KARL
zu Emanuel: Sie gehören geköpft.
STRASSER
Es wird bald fünf.
Alle starren ihn an.
STRASSER
zu Karl. So köpfe ihn! Aber schmerzlos. Du hast doch Routine im Zahnziehen.
Stille.
Christine. Mach einen Bogen um diese Galauniform: es steckt in ihr ein Zuchthäusler.
Stille.
KARL
zu Strasser: Wärst du in Portugal gewesen, hätte man dich gehängt.
MAX
Vielleicht begnadigt.
MÜLLER
Zu lebenslänglichem Zuchthaus.