»Sie scheint sich erholt zu haben«, meinte Parker und deutete auf die behaarte ›Schwarze Witwe‹, die sich entschlossen hatte, nun doch etwas zu tun. Sie kroch über den breiten und langen Tisch und hielt auf eine Glasschale zu, in der sich eine farblose Flüssigkeit befand.
»Ich werde sie erst mal einsperren«, sagte Hardness. »Ich habe zwar keine Angst vor diesen Biestern, aber doch ’nen verdammt großen Respekt.«
»Darf ich mir eine weitere Frage erlauben?« erkundigte sich der Butler, der vorsichtshalber einen Schritt zurücktrat und die Vogelspinne nicht aus den Augen ließ.
»Nur immer heraus damit, wenn ich helfen kann.«
»Wo könnte ich als Laie solche Vogelspinnen finden?«
»Na ja, an dunklen, feuchtschwülen Orten, verfallenen Häusern, in Sumpfniederungen, auf Plantagen und in Frucht- oder Lagerschuppen. Gott, die Auswahl ist groß genug! Aber sagen Sie mir jetzt mal, warum Sie das alles wissen wollen.«
»Weil ich einem gewissen Mörder liebend gern das Handwerk legen möchte«, erwiderte Parker, »oder, um noch präziser zu sein, einen weiteren Mord verhindern!«
*
Parker unterhielt sich etwa eine halbe Stunde lang mit Steve Hardness und sammelte Informationen. Dann verabschiedete er sich von dem Besitzer der Schlangenfarm und ging zurück zum wartenden Taxi, mit dem er zum Reservoire herausgefahren war.
»Zurück ins Hotel«, sagte der Butler. Dann nahm er auf dem Rücksitz Platz und legte seine Hände auf den altväterlich gebundenen schwarzen Regenschirm. Er dachte intensiv über das soeben Gehörte nach und machte sich, wie es so treffend heißt, seine Gedanken.
Das Taxi fuhr über eine geschotterte, relativ enge Straße hinunter zur asphaltierten Hauptstraße. Es ging vorbei an Steilhängen, die mit hüfthohem Krüppelwald und Dornbüschen bewachsen waren. Die Landschaft sah hier noch wild und ursprünglich aus. Die Sonne stand bereits hoch und verstrahlte eine lastende, schwere Hitze.
Plötzlich wurde der Butler aus dem Sinnieren auf geschreckt. Der Fahrer bremste den Wagen jäh und fast brutal ab. Parker wurde vom Rücksitz herumgeschleudert und fand sich auf dem Wagenboden wieder, eine Gewaltreise, die er nicht sonderlich schätzte.
Bevor er sich aufrichten konnte, schrammte der Wagenkühler gegen hartes Gestein. Mit häßlichem Kreischen riß das Wagenblech seitlich auf. Dann war vorn vom Steuer her ein schwaches Stöhnen zu hören.
Parker richtete sich auf und wollte nach dem Fahrer sehen. Bei dieser Gelegenheit stellte er fest, daß die hintere, rechte Wagentür aufgesprungen war. Außerdem, daß der Lauf eines Revolvers auf ihn gerichtet war.
Hinter der Waffe stand ein mittelgroßer, schlanker Mann, der sich ein Halstuch vor das Gesicht gebunden hatte. Nur seine kalten Augen waren zu sehen.
»Raus...!« kommandierte der Revolverbesitzer.
»Ihr freundlicher Wunsch ist mir durchaus Befehl«, gab der Butler höflich zurück. »Darf ich mich erkundigen, was Sie gegen mich vorzubringen haben, zumal ich fremd in dieser reizenden Stadt bin?«
»Wohl wahnsinnig, wie?« Der Mann mit dem Revolver schnappte nach Luft und starrte den Butler mißtrauisch an.
Parker ging auf diese Frage nicht näher ein, zumal er sich mit den Augen orientierte und herausfand, daß der Gangster nicht allein war. Seitlich hinter ihm stand ein zweiter Mann, dessen Gesicht ebenfalls von einem hochgeschobenen Halstuch bedeckt wurde. Dieser Mann hielt ebenfalls einen Revolver in der Hand.
»Aussteigen!« kommandierte der Gangster an der Wagentür, »aber ’n bißchen dalli!«
Parker stieg aus und wirkte jetzt wie ein verwirrter, älterer Mann, der die Welt und ihre Auswüchse nicht mehr verstand. Neben dem Wagen stehend, entdeckte er jetzt auch das Hindernis auf der Straße. Quer zur Fahrbahn waren zwei Baumstämme gerollt worden. Daher hatte der Fahrer so jäh bremsen müssen.
Parker erhielt einen wenig freundlichen Stoß in den Rücken und sah sich gezwungen, sich in Bewegung zu setzen. Der Mann hinter ihm dirigierte ihn auf ein Gebüsch zu.
»Sind Sie sicher, daß Sie mich nicht verwechselt haben?« fragte der Butler.
»Genau Sie meinen wir, Parker«, sagte der zweite Mann, der irgendwo hinter dem Butler herging. »Genau Sie!«
»Oh, Sie kennen mich?«
»Wir kennen Sie, aber Sie werden uns gleich kennenlernen«, sagte die Stimme hinter Parker. »Wir haben’s nämlich nicht gern, wenn man neugierig wird. Hier in Los Angeles haben Sie nichts verloren. Dampfen Sie schleunigst wieder ab!«
»Ich möchte fast annehmen, daß dies als eine Art Drohung aufzufassen ist.«
»Wir sagen’s Ihnen gleich ganz gründlich.« Der zweite Mann irgendwo hinter dem Butler lachte leise und amüsiert auf. »Wie hat Ihnen unser Päckchen gefallen, he?«
»Sie waren also der Absender! Ich muß gestehen, daß ich einigermaßen überrascht war.«
»Wir haben noch so’n Tierchen für Sie auf Lager, Parker. Los, gehen Sie weiter!«
Sie hatten das dichte Gebüsch erreicht, umgingen es, stiegen über Steingeröll und erreichten hinter dem Strauchwerk eine Art Lichtung, auf der ein zerschrammter Jeep stand.
»Weiter, weiter«, drängte der Mann hinter Parker. Ein weiterer Stoß mit dem Revolverlauf, und Parker stand neben dem Jeep. Er sah auf den Rücksitz, auf dem eine Papiertüte lag.
Die beiden Männer nahmen den Butler in die Mitte.
»Los, Parker, machen Sie die Tüte auf«, sagte der Mann mit den etwas besseren Umgangsformen. »Wir haben eine Überraschung für sie parat!«
»Nun mach schon«, forderte ihn der zweite Gangster auf. Er lachte höhnisch und seine Augen verengten sich erwartungsvoll.
Parker überlegte blitzschnell.
Natürlich wußte er nicht mit letzter Sicherheit, was sich in dieser Papiertüte befand. Er hatte aber eine vage Vorstellung. Und diese Vorstellung deckte sich mit einer über und über behaarten Vogelspinne.
Zwei weitere derbe Stöße in den Rücken. Parker wurde gegen den Wagen gepreßt. Die Mündung eines Revolvers bohrte sich gegen seine Hüfte.
»Los, aufmachen, oder sollen wir schießen?« Wer da redete, konnte Parker nicht unterscheiden. Es war auch völlig belanglos. Er wußte nur, daß man ihm den Tod durch den Biß einer Vogelspinne aufzwingen wollte. Parker wußte dies mit letzter Sicherheit, obwohl ihm jeder Beweis fehlte.
»Mein... mein Herz!« stöhnte der Butler und rutschte formvollendet in sich zusammen. Selbst ein erfahrener Internist hätte an ihm die Anzeichen einer akuten Herzschwäche festgestellt, so vollendet spielte der Butler seine Rolle.
»Los, streif ihm die Tüte über die Hand«, hörte Parker über sich sagen.
Das war der letzte, dafür aber auch endgültige Beweis. Die beiden Gangster wollten sich nicht damit begnügen, ihn nur zu warnen oder zu erschrecken. Nein, sie wollten seinen Tod.
Parker hielt es für angebracht, endlich aktiv zu werden.
Da er seinen Universal-Regenschirm noch in der Hand hielt, verfügte er über eine erstklassige Waffe, zumal der Bambusgriff mit Blei ausgegossen war.
Diesen Bambusgriff ließ der Butler blitzschnell nach oben fahren. Der Griff prallte mit dem Kinn eines Gangsters zusammen, der daraufhin erstickt aufstöhnte, um dann wie ein vom Blitz gefällter Baum zu Boden zu fallen.
Der zweite Gangster versuchte einen Schuß anzubringen. Er gab sich alle redliche Mühe, doch er kam zu spät. Parker war wieder einmal wesentlich schneller.
Mit der flachen Handkante schlug er gegen die Kniekehlen des Mannes, der daraufhin verständlicherweise sein Gleichgewicht verlor und zu Boden ging. Der Schuß löste