2. Verschiedene Geistwesen; Gott als reiner Geist: Unendlichkeit; reine Aktualität; Sichverströmen und Sichbewahren; Intellekt und Wille; Unbeschwertheit, Beweglichkeit; Personalität
In dem Ausdruck »geistiges Wesen« liegt es schon, daß »Geist« nicht etwas schlechthin Einfaches und Einmaliges bezeichnet, sondern als ein Seinsgebiet verstanden werden kann, in das Seiendes verschiedener Art hineingehört. Die Seele wird als Geist oder »geistiges Geschöpf« bezeichnet; für sie ist – im Gegensatz zu andern geistigen Geschöpfen – charakteristisch, daß sie mit einem materiellen Körper in die Einheit einer Natur eingeht. Davon unterschieden sind die sogenannten »reinen Geister«, d. h. körperlose Geschöpfe, die Engel und Dämonen. Im strengen Sinn ist aber nur Gott reiner Geist. Darum ist an ihm das Wesen des Geistes am reinsten zu erfassen und alles andere geistige Sein vom göttlichen Sein her zu begreifen. Der göttliche Geist (d. h. Gott, der nichts anderes ist als Geist) ist unendlich, nicht in Grenzen des Seins eingeschlossen und in diesem Sinn unfixiert: Er ist nicht eine begrenzte Substanz, die etwas ist und anderes nicht ist; nichts positiv Seiendes ist von ihm auszuschließen. Er ist ferner unfixiert, sofern alles, was er ist, aktuell ist; es ist nichts in ihm in »gebundener Form«, d. h. in Form von Potenzen, die nur unter bestimmten Umständen in aktuelles Sein übergehen. (Er ist »actus purus«.) Diese reine Aktualität ist zugleich ein Ausgehen von sich selbst, wie es vorhin genannt wurde: Gottes Sein ist ein dauerndes Sichverströmen. Hier kommen wir aber an den Punkt, von dem aus eine falsche Auffassung der Unfixiertheit auszuschließen ist: Das Ausgehen von sich selbst ist kein Sichselbstverlassen, das Sichverströmen kein Sichverlieren. Gott bleibt bei sich, indem er von sich ausgeht, Er bewahrt sich, indem er sich verströmt. (Diese Doppelrichtung des göttlichen Lebens hat H. Conrad-Martius als Verhältnis von »Geisten« und »Leiben« bezeichnet.) Das Sichbewahren ist einmal ein intellektuelles Sichbesitzen, sich ganz und gar erkenntnismäßig durchmessen haben (ohne daß ein »Durchmessen« als zeitlicher Prozeß stattgefunden hätte), sich durch und durch kennen, für sich ganz durchsichtig sein. Es ist zugleich ein willensmäßiges Sichbesitzen, seiner selbst mächtig sein, sich ganz und gar in der Hand haben und im Sein bejahen. Gottes Geist ist Intellekt und Wille: sich selbst erkennender Intellekt, sich selbst wollender Wille, beides nicht getrennt, sondern in dem einen Geistsein beschlossen. Das Ausgehen aus sich selbst ist ebenfalls intellektuelles Ausgehen, erkenntnismäßiges Eingehen in die Dinge, aber ein Eingehen, das ein Sichverschenken ist, das aus der Fülle des eigenen Seins den Dingen ihr Sein zumißt; damit ist es zugleich ein produktives Wollen, das die Dinge ins Dasein setzt, sie in ihrem Dasein bejaht und bewahrt. – Die Aktualität, die Vollbesitz des eigenen Seins ist, ist zugleich vollkommene Unbeschwertheit; denn lastend und beschwerend ist nur ein Sein, das dem Seienden aufgeladen ist, das nicht völlig frei und licht ist. Die reine Aktualität als höchstgesteigertes Leben ist zugleich vollkommene Beweglichkeit oder richtiger Bewegung (weil nichts von Potentialität darinsteckt) – eine Bewegung allerdings, die nicht im Gegensatz zur Ruhe steht, die nicht Übergang von einem Zustand zu einem andern ist, sondern ewig unveränderter Seinsmodus: ewig unverändert und doch das Gegenteil von Starrheit. – Da Freiheit und Bewußtheit die Personalität konstituieren, ist der reine Geist Person und zwar in der höchsten Form der Personalität. – Der reine Geist ist also Person, seine Seinsweise reine Aktualität, in der alles beschlossen ist, was wir bei Menschen als zeitlich begrenzte und qualitativ gesonderte »geistige Akte« finden.
3. Endliche »reine« Geister
Was man traditionell »reine Geister« nennt, sind endliche Personen: »endlich« nicht im Sinne des zeitlichen Endens, sondern einmal darum, weil sie nicht von Ewigkeit her, sondern geschaffen sind, ferner, weil ihr Wesen ein begrenztes ist: Jede ist etwas qualitativ Einzigartiges, von allen andern Unterschiedenes. Sie sind also auf eine bestimmte Substanz und das ihr entsprechende Sein festgelegt, in diesem Sinn nicht völlig unfixiert. Es gibt »höhere« und »niedere«, und das Erkennen und Lieben des einen ist von dem des andern unterschieden. Nach Thomas gibt es bei ihnen den Gegensatz von Potentialität und Aktualität, aber nicht den von Geist und Materie. Was das zweite betrifft, so ist es ohne weiteres zuzugeben, wenn man unter Materialität Raumkörperlichkeit versteht. Und wenn man Geistigkeit mit Immaterialität in diesem Sinne gleichsetzt, so ist auch der Name »reine Geister« zutreffend. Es ist aber die Frage, ob Materie so nicht zu eng, noch nicht in ihrem letzten formalen Sinn gefaßt ist. In einem solchen letzten formalen Sinn scheint mir nämlich Materie unentbehrlich für den Aufbau eines jeden geschaffenen Seienden. Damit Endliches sein könne, muß etwas sein, was dem Göttlichen, d. i. dem Unendlichen und keiner Einschränkung Zugänglichen, entgegengesetzt ist, was Maß und Begrenzung zuläßt, ja für sein Sein fordert. Die raumfüllende Materie, die geometrischer Bestimmung zugänglich ist, ist schon eine inhaltliche Erfüllung dieser formalen Idee der Materie. Das, was verschiedene Grade geistigen Seins annehmen kann, die »Materie«, die in den Aufbau geistiger Personen eingeht (ich habe sie in Ermangelung eines besseren Namens bisher »geistige Kraft« genannt), ist eine andere Ausfüllung. Darum sind alle endlichen Substanzen Einheit aus Form und Materie. Ich kann also nur Gott »reine Form« nennen, nicht (wie Thomas) die endlichen Geister.
Es ist nun zu fragen, ob den körperlosen Geistern noch etwas von Unfixiertheit, Unbeschwertheit, Beweglichkeit über ihre räumliche Ungebundenheit hinaus eigen ist, wenn sie doch seinsmäßig festgelegt sind. Alle jene Charakteristika des reinen Geistes fanden wir inbegriffen in seiner reinen Aktualität. Was davon den endlichen Geistern noch zukommt, wird sich darum wohl klären lassen, wenn wir das Verhältnis von Potentialität und Aktualität bei ihnen prüfen. Die reinen Geister haben keine »Potenzen« im Sinne unentwickelter Anlagen, ihr Dasein hat nicht die Form eines Entwicklungsganges. Was sie von Natur aus sind, das sind sie aktuell. Wenn bei ihnen von Potentialität die Rede ist, so bedeutet dies die Möglichkeit eines Übergangs zu höherer Aktualität, einer Seinssteigerung und zugleich eine Bereicherung dessen, was ihr Geist umspannt. Diese Steigerung geschieht aber nicht durch Entfaltung ihrer Natur, sondern durch übernatürliche Einwirkung: von seiten Gottes oder höherer endlicher Geister. Sofern sie solcher Bereicherung und Seinssteigerung fähig sind, sind sie nicht unwandelbar wie Gott. Aber sie sind keine Organismen, die in der Zeit zur Entfaltung bringen, was sie von Natur aus sind, und bei denen manches, was sie potentiell sind, niemals zu aktueller Entfaltung kommt. Ihr natürliches Sein unterliegt keiner Hemmung, weder von innen noch von außen, und in diesem Sinn sind sie ungebunden, unbeschwert und in freier geistiger Bewegung.
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