Nach drei Wochen verlegten sie ihr Domizil nach Teneriffa. Und in der Vielseitigkeit von Landschaft und Vegetation entstand das schönste Bild von Patricia – ein Porträt, das alles ausdrückte, was Patricia war und empfand: Schönheit, Sensibilität und grenzenlose Sehnsucht. Und Oliver wußte genau, wem diese Sehnsucht galt – einem Baby.
»Du kannst noch immer an nichts anderes denken als an eine Schwangerschaft, nicht wahr?«
Die Frage kam leise und ohne jeden Vorwurf.
Wie abwesend sah Patricia zu dem schnellbedeckten Gipfel des Pico de Teide, des höchsten Berges von Spanien, hinüber. Es schien ihr eigenartig, daß hier unten das ganze Jahr über eine konstante Temperatur von 26, 27 Grad herrschte, während dort oben Schnee lag.
Nur langsam drangen Olivers Worte zu ihr durch. Sie mußte sich zwingen, ihren Blick von dem malerischen Berg zu lösen und Oliver anzuschauen.
»Du hast recht«, gestand sie leise. »Tag für Tag frage ich mich, ob es diesmal wohl geklappt hat. « Tränen traten in ihre Augen. »Bist du mir böse?«
Liebevoll schloß er sie in seine Arme. »Nein, mein Liebling, natürlich nicht. Aber ich fürchte, Dr. Daniel hat recht. Solange du dich so krampfhaft um eine Schwangerschaft bemühst, wird es nicht klappen. Du mußt versuchen, dich von dem Gedanken zu lösen, daß du nicht schwanger werden kannst. Du bist eine ganz normale, junge Frau, und irgendwann wirst du ein Baby haben. Aber so etwas läßt sich nicht von heute auf morgen erzwingen. Ein Kind will in Liebe gezeugt werden.«
Patricia nickte ein wenig halbherzig. »Wahrscheinlich hast du recht. Und ich werde mich bemühen, nicht jedesmal, wenn wir zusammen sind, daran zu denken, ob es wohl klappt.«
Oliver küßte sie zärtlich, dann legte er einen Arm um ihre Schultern. »Komm, Patricia, fahren wir noch ein Stück. Ich möchte dir etwas zeigen, was ich heute früh im Reiseführer gesehen habe.«
Die Ablenkung gelang. Nahezu sprachlos vor Staunen und Begeisterung stand Patricia vor Las Canadas, dem größten erloschenen Krater der Welt.
»Hier möchte ich dich malen. Darf ich?« fragte Oliver.
Patricia mußte lachen. »Wie oft willst du mich eigentlich noch malen?«
»Noch tausendmal, wenn es sein muß. Ich liebe dich so sehr, und dieser Urlaub mit dir ist so unbeschreiblich schön für mich, daß ich am liebsten jeden Augenblick in einem Bild festhalten würde.«
Und erst in diesem Augenblick spürte Patricia, wie sehr Oliver sie liebte. Aber sie bemerkte noch etwas anderes – nämlich ihre eigene Liebe zu ihm. Und als sie hier, in dieser unbeschreiblichen Landschaft, in seine Arme sank, da geschah es zum ersten Mal seit langer Zeit wieder nur aus Liebe.
*
Dr. Daniel glaubte seinen Augen nicht zu trauen, als er nach der Sprechstunde in seine Wohnung hinaufkam und seinen Sohn dort vorfand.
»Stefan, was verschlägt dich mitten in der Woche nach Steinhausen?« fragte er verblüfft.
Der junge Mann zuckte die Schultern. »Nichts Besonderes, Papa.«
»Genauso schaust du aus«, entgegnete Dr. Daniel, dann setzte er sich zu seinem Sohn und legte einen Arm um dessen Schultern. »Na, komm schon, Stefan, was hast du denn auf dem Herzen?«
Stefan seufzte. »Auf dem Herzen ist gut.«
Dr. Daniel nickte wie zur Bestätigung für sein Gefühl. »Also Liebeskummer.«
Stefan brachte ein schiefes Grinsen zustande. »Das klingt, als wäre ich gerade in der Pubertät und wüßte nicht, wie ich mein Traummädchen ansprechen soll.«
»Liebeskummer hat nichts mit dem Alter zu tun«, belehrte Dr. Daniel ihn, dann sah er seinen Sohn prüfend an. »Ist es mit Rabea doch nicht das Richtige?«
»Ich weiß nicht, Papa«, gestand Stefan leise. »Ich liebe sie. Ich liebe sie grenzenlos, aber… sie trifft sich immer noch mit diesem Scheibler«, platzte er dann heraus.
Dr. Daniel zog die Augenbrauen hoch. »Wie bitte?«
»Sie behauptet, es wäre rein freundschaftlich, und er hätte irgendwelche Probleme, aber… verdammt, ich bin eben eifersüchtig! Weißt du, wie gut der Kerl aussieht?«
Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Da unterliegst du einem großen Irrtum, Stefan. Liebe richtet sich nicht nach dem Aussehen, und die Beziehung, die zwischen Rabea und Dr. Scheibler einmal bestanden hat, war von Anfang an auf Zeit bestimmt. Keiner von beiden hatte vor, allzuviel Gefühl zu investieren.«
»Rabea hat ihn geliebt«, hielt Stefan dagegen. »Damals, als sie mit ihm in der Camargue war, hätte sie ihn sogar geheiratet, wenn er ihr einen Antrag gemacht hätte. Das hat sie selbst zugegeben.«
»Das glaubst du ihr also, aber wenn sie behauptet, zwischen ihr und Dr. Scheibler bestünde nur noch reine Freundschaft, dann zweifelst du daran.« Dr. Daniel runzelte die Stirn. »Was für Probleme hat er denn überhaupt?«
Stefan zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Es ist mir auch völlig egal. Und Rabea hüllt sich in Schweigen – angeblich aus Loyalität zu ihm.«
»Das ist aber sehr anständig von ihr«, meinte Dr. Daniel. »Ich fände es nämlich gar nicht gut, wenn sie dir Dinge weitererzählen würde, die Dr. Scheibler ihr vielleicht nur anvertraut hat, weil er sich ihrer Verschwiegenheit sicher war.«
Stefan wurde nachdenklich. Aus dieser Sicht betrachtet, sah alles doch ein wenig anders aus.
»Vielleicht bin ich wirklich grundlos eifersüchtig«, räumte er schließlich ein, dann lächelte er seinen Vater an. »Es hat gut getan, mit dir darüber zu sprechen.«
Dr. Daniel erwiderte sein Lächeln. »Das freut mich.« Er zögerte. »Und wie sieht’s mit deinem Examen aus?«
Da mußte Stefan lachen. »Du kannst es einfach nicht lassen, was, Papa? Allmählich solltest du doch wissen, daß ich über mein Studium nicht mit dir spreche.«
Dr. Daniel seufzte. »Du bist ganz schön hart zu deinem alten Vater. Sagst du mir wenigstens, in welcher Klinik du deine Assistenzzeit hinter dich bringen willst?«
Stefan zuckte die Schultern. »So genau weiß ich das noch gar nicht. Eine Weile habe ich an die Klinik von Onkel Schorsch gedacht.«
Dr. Daniel wiegte bedächtig den Kopf hin und her. »Ich weiß nicht, ob das für die Assistenzzeit das Richtige wäre. Hast du mit Schorsch schon darüber gesprochen?«
Stefan schüttelte den Kopf. »Bis jetzt noch nicht, aber… weißt du, die Mikrochirurgie wäre schon etwas, was mir gefallen könnte.«
»Dafür ist immer noch Zeit, Stefan. Für die Assistenzzeit würde ich dir ein größeres Krankenhaus empfehlen.« Er schwieg einen Moment. »Wie wär’s, wenn du in die Thiersch-Klinik gehen würdest? Professor Thiersch ist zwar entsetzlich streng, aber du würdest bei ihm auch eine Menge lernen.«
Stefan senkte den Kopf. Natürlich wußte er, daß sein Vater einst bei Professor Thiersch als Assistenzarzt gearbeitet hatte, und im Normalfall hätte ihn diese Klinik auch durchaus gereizt. Aber da war nun mal der Umstand, daß ausgerechnet Dr. Scheibler dort beschäftigt war, und mit ihm wollte Stefan keinesfalls etwas zu tun haben – auch wenn es nur beruflich wäre.
»Ich könnte mit Professor Thiersch sprechen, wenn du möchtest«, bot Dr. Daniel seinem Sohn an, doch Stefan schüttelte den Kopf.
»Nicht nötig, Papa«, wehrte er ab. »Ich möchte mich jetzt noch nicht entscheiden.« Dann lächelte er. »Und wer weiß, vielleicht lande ich sogar hier in Steinhausen in der