Verzweifelt schluchzte Patricia auf. »Aber mit nur einem Eileiter kann ich niemals schwanger werden!«
»Doch, Frau Gerhardt«, entgegnete Dr. Daniel ruhig. »Allerdings nur, wenn Sie aufhören, sich so in diese Sache hineinzusteigern. Ich habe es Ihnen schon oft gesagt: Ihrer Kinderlosigkeit liegt kein körperliches Problem zugrunde. Es ist die Verbissenheit, mit der Sie sich von Anfang an um eine Schwangerschaft bemüht haben, die das Gegenteil bewirkt. Sie haben jegliches Gefühl abgelegt und versuchen nur noch, eine perfekt funktionierende Maschine zu sein. Aber weder der weibliche noch der männliche Körper ist eine Maschine, das müssen Sie einsehen.«
Dr. Daniels Worte stimmten Patricia nachdenklich. Doch dann schüttelte sie den Kopf.
»Die Schwierigkeit, schwanger zu werden, liegt bei uns in der Familie, Herr Doktor«, behauptete sie. »Meine Schwester mußte sich künstlich befruchten lassen.«
»Das ist richtig«, stimmte Dr. Daniel zu, der die junge Frau ebenfalls kannte. Schließlich war auch Patricias Schwester Karoline seit etlichen Jahren seine Patientin. »Aber das geschah aus einem völlig anderen Grund, und den kennen Sie auch.«
Patricia errötete. natürlich hatte Karoline ihr gesagt, weshalb es bei ihr zu keiner normalen Schwangerschaft gekommen war. Ihr Mann verfügte über einen zu geringen Anteil an Samenfäden.
»Frau Gerhardt, Sie reden sich pausenlos ein, daß Sie Probleme haben, schwanger zu werden«, erklärte Dr. Daniel eindringlich. »Und ich fürchte, genau aus diesem Grund haben Sie auch wirklich Probleme damit. Versuchen Sie, die ganze Sache einmal etwas lockerer anzugehen. Hören Sie auf, Ihre fruchtbaren Tage zu errechnen, und verlassen Sie sich einfach auf Ihr Gefühl.«
Patricia schluckte. Sie spürte, daß Dr. Daniel mit allem, was er sagte, recht hatte, aber ihre Angst, kein Baby bekommen zu können, war zu groß, als daß sie sich gefühlsmäßig einfach hätte fallenlassen können.
»Herr Doktor, wie stehen Sie zu einer Befruchtung außerhalb der Gebärmutter?« fragte Patricia ein wenig verlegen. Sie wollte sich einfach nicht mehr auf den Zufall verlassen – und jetzt nach dieser Operation schon gar nicht.
»In Ihrem Fall?« fragte Dr. Daniel, ließ Patricia aber keine Zeit für eine Antwort, sondern schüttelte sofort den Kopf. »Nein, Frau Gerhardt, das kommt überhaupt nicht in Frage. Sie sind eine gesunde, junge Frau, und Ihr Mann ist ebenfalls zeugungsfähig. Erst wenn Sie aufhören, sich unter Zwang zu stellen und trotzdem nicht schwanger werden – was ich persönlich nicht glaube – dann können wir über eine solche Maßnahme sprechen – vorher jedoch nicht.«
Patricia seufzte tief auf. »Ich werde es versuchen, Herr Doktor, aber jetzt, nachdem dieser Dr. Heller mit einen Eileiter entfernt hat, halte ich es für völlig ausgeschlossen, daß ich jemals auf natürlichem Wege schwanger werden kann.«
*
Professor Thiersch war erstaunt, als seine Sekretärin ihm Dr. Heller anmeldete.
»Schicken Sie ihn herein«, bat er und stand gleichzeitig auf, um seinem Oberarzt entgegenzugehen. Dr. Heller war der einzige Arzt an der ganzen Klinik, der bei ihm in den Genuß einer solchen Höflichkeit kam.
»Was ist los, Heller?« wollte Professor Thiersch wissen, nachdem er dem Oberarzt mit einer flüchtigen geste Platz angeboten hatte. »Sie haben doch längst Dienstschluß.«
»Es kamen noch ein paar dringende Fälle, die meine Anwesenheit erforderten«, erklärte Dr. Heller, dann kam er auf den Grund seines Besuchs beim Professor zu sprechen. »Ich hätte Sie heute auch nicht mehr gestört, Herr Professor, aber… es geht um Dr. Scheibler.«
Professor Thierschs Gesicht verfinsterte sich. »Scheibler existiert für mich nicht mehr, klar?«
Nur Dr. Heller konnte es sich erlauben, nach diesen Worten weiter in das angeschnittene Thema zu dringen.
»Herr Professor, ich bitte Sie… geben Sie Dr. Scheibler doch noch eine Chance.«
Professor Thiersch senkte für einen Augenblick den Kopf, dann sah er Dr. Heller an. »Warum tun Sie das, Heller? Sie waren es doch, den Scheibler aus seiner Position verdrängen wollte. Warum ergreifen ausgerechnet Sie Partei für ihn?«
»Weil ihm das, was er getan hat, leid tut«, antwortete Dr. Heller.
Professor Thiersch lachte auf. »Das glauben Sie ihm?« Er schüttelte den Kopf. »Ich wußte gar nicht, daß Sie so naiv sind, Heller.«
»Das bin ich nicht, Herr Professor«, entgegnete der Oberarzt ernst. »Dr. Scheibler hat sich bei mir entschuldigt, und ich habe gespürt, daß er das aufrichtig meinte. Er ist doch noch so jung…«
»Er ist siebenunddreißig«, fiel Professor Thiersch ihm ins Wort. »In diesem Alter sollte er reif genug sein, um sich vorher zu überlegen, was er tut. Abgesehen davon, daß er das ja ganz genau wußte. Er wollte Ihnen einen Fehler unterstellen, um Ihre Position hier einnehmen zu können.«
»Eine gesunde Portion Ehrgeiz hat noch niemandem geschadet«, wandte Dr. Heller ein.
»Das geht weit über eine gesunde Portion Ehrgeiz hinaus«, erklärte Professor Thiersch entschieden. »Was Scheibler getan hat, war niederträchtig, und so etwas dulde ich an meiner Klinik nicht.«
Dr. Heller spürte, daß es keinen Sinn hatte, weiter für Dr. Scheibler zu sprechen. Ganz offensichtlich würde der Professor an seinem einmal gefaßten Entschluß festhalten. Trotzdem unternahm der Oberarzt einen letzten Versuch, sich für den Kollegen einzusetzen.
»Herr Professor, wenn Sie Dr. Scheibler hinauswerfen, dann ist seine Karriere als Arzt beendet, bevor sie richtig angefangen hat«, wandte Dr. Heller ein. »Kein Krankenhaus in München und Umgebung stellt einen Arzt ein, der aus der Thiersch-Klinik geflogen ist. Und auch jedes andere Krankenhaus in Deutschland wird nach den Gründen für eine fristlose Kündigung fragen. Dr. Scheibler hat keine Chance…«
»Ich werfe ihn nicht hinaus, wenn ich morgen früh seine Kündigung auf dem Tisch habe«, berichtigte Professor Thiersch seinen Oberarzt.
»Und… wenn nicht?« wagte Dr. Heller zu fragen.
»Dann kündige ich ihm und zwar fristlos«, antwortete Professor
Thiersch, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. »Ein Verhalten, wie Scheibler es an den Tag gelegt hat, habe ich noch keinem meiner Ärzte durchgehen lassen. Und gedenke nicht, ausgerechnet bei Scheibler damit anzufangen.«
Dr. Heller atmete tief durch. »Herr Professor, bitte überlegen Sie es sich noch einmal. Dr. Scheibler ist ein ausgezeichneter Arzt.«
Professor Thiersch nickte. »Das weiß ich, Heller.« Er senkte den Kopf. »Scheibler hat mich manchmal an Dr. Daniel erinnert.« Er sah Dr. Heller wieder an. »Aber Daniel hätte niemals eine solche Niederträchtigkeit begangen.«
»Dann bestrafen Sie Dr. Scheibler doch«, riet der Oberarzt. »Lassen Sie ihn einen Monat lang Nachtdienst machen – auch am Wochenende. Das wird ihn zermürben. Aber bitte, zwingen Sie ihn nicht, die Klinik zu verlassen.«
Professor Thiersch lehnte sich auf seinem Sessel zurück und sah Dr. Heller forschend an.
»Weiß Scheibler, wie sehr Sie sich für ihn einsetzen?« fragte er.
Dr. Heller schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe ihm zwar gesagt, daß ich mit Ihnen sprechen will, aber was Genaueres muß er gar nicht wissen.«
Professor Thiersch nickte knapp, dann stand er abrupt auf. »Sie hätten sich die Mühe sparen können, Heller. Mein Entschluß steht fest. Wenn Scheibler bis morgen früh nicht gekündigt hat, dann fliegt er.«
Dr. Heller wußte, daß das Gespräch damit beendet war. Mit einem tiefen Seufzer stand auch er auf und ging zur Tür, doch dort drehte er