Die Geisteswissenschaften. Wilhelm Dilthey. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilhelm Dilthey
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788075837370
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Die neue Generation von Völkern und ihr metaphysisches Stadium

       Viertes Kapitel: Erster Zeitraum des mittelalterlichen Denkens

       Fünftes Kapitel: Die Theologie wird mit der Naturerkenntnis und der aristotelischen Wissenschaft vom Kosmos verknüpft

       Sechstes Kapitel: Zweiter Zeitraum des mittelalterlichen Denkens

       Siebentes Kapitel: Die mittelalterliche Metaphysik der Geschichte und Gesellschaft

       Vierter Abschnitt: Die Auflösung der metaphysischen Stellung des Menschen zur Wirklichkeit

       Erstes Kapitel: Die Bedingungen des modernen wissenschaftlichen Bewusstseins

       Zweites Kapitel: Die Naturwissenschaften

       Drittes Kapitel: Die Geisteswissenschaften

       Viertes Kapitel: Schlußbetrachtung über die Unmöglichkeit der metaphysischen Stellung des Erkennens

       Fußnoten

      An den Grafen Paul Yorck von Wartenburg

       Inhaltsverzeichnis

      In einer unserer ersten Unterhaltungen entwickelte ich Ihnen den Plan dieses Buches, welches ich damals noch als Kritik der historischen Vernunft zu bezeichnen wagte. In den schönen Jahren seitdem habe ich des einzigen Glückes genossen, auf der Grundlage der Verwandtschaft der Überzeugungen in oft täglichem Gespräch gemeinsam zu philosophieren. Wie könnte ich aussondern wollen, was der Gedankenzusammenhang, welchen ich vorlege, Ihnen verdankt? Nehmen Sie, da wir nun räumlich getrennt worden sind, dies Werk als ein Zeichen unwandelbarer Gesinnung. Der schönste Lohn der langen Arbeit, in welcher es entstand, wird mir der Beifall des Freundes sein.

      Vorrede

       Inhaltsverzeichnis

      Das Buch, dessen erste Hälfte ich hier veröffentliche, verknüpft ein historisches mit einem systematischen Verfahren, um die Frage nach den philosophischen Grundlagen der Geisteswissenschaften mit dem höchsten mir erreichbaren Grad von Gewißheit zu lösen. Das historische Verfahren folgt dem Gang der Entwicklung, in welcher die Philosophie bisher nach einer solchen Begründung gerungen hat; es sucht den geschichtlichen Ort der einzelnen Theorien innerhalb dieser Entwicklung zu bestimmen und über den vom historischen Zusammenhang bedingten Wert derselben zu orientieren; ja aus der Versenkung in diesen Zusammenhang der bisherigen Entwicklung will es ein Urteil über den innersten Antrieb der gegenwärtigen wissenschaftlichen Bewegung gewinnen. So bereitet die geschichtliche Darstellung die erkenntnistheoretische Grundlegung vor, welche Gegenstand der anderen Hälfte dieses Versuchs sein wird.

      Da historische und systematische Darlegung so einander ergänzen sollen, erleichtert es wohl die Lektüre des geschichtlichen Teils, wenn ich den systematischen Grundgedanken andeute.

      Am Ausgang des Mittelalters begann die Emanzipation der Einzelwissenschaften. Doch blieben unter ihnen die der Gesellschaft und Geschichte noch lange, bis tief in das vorige Jahrhundert hinein, in der alten Dienstbarkeit der Metaphysik. Ja die anwachsende Macht der Naturerkenntnis hatte für sie ein neues Unterwürfigkeitsverhältnis zur Folge, das nicht weniger drückend war als das alte. Erst die historische Schule – dies Wort in einem umfassenderen Sinne genommen – vollbrachte die Emanzipation des geschichtlichen Bewußtseins und der geschichtlichen Wissenschaft. In derselben Zeit, da in Frankreich das im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert entwickelte System der gesellschaftlichen Ideen als Naturrecht, natürliche Religion, abstrakte Staatslehre und abstrakte politische Ökonomie in der Revolution seine praktischen Schlüsse zog, da die Armeen dieser Revolution das alte, sonderbar verbaute und vom Hauch tausendjähriger Geschichte umwitterte Gebäude des deutschen Reiches besetzten und zerstörten, hatte sich in unserem Vaterlande eine Anschauung von geschichtlichem Wachstum, als dem Vorgang in dem alle geistigen Tatsachen entstehen, ausgebildet, welche die Unwahrheit jenes ganzen Systems gesellschaftlicher Ideen erwies. Sie reichte von Winckelmann und Herder durch die romantische Schule bis auf Niebuhr, Jakob Grimm, Savigny und Böckh. Sie wurde durch den Rückschlag gegen die Revolution verstärkt. Sie verbreitete sich in England durch Burke, in Frankreich durch Guizot und Tocqeville. Sie traf in den Kämpfen der europäischen Gesellschaft, mochten sie Recht, Staat oder Religion angehen, überall mit den Ideen des achtzehnten Jahrhunderts feindlich zusammen. Eine rein empirische Betrachtungsweise lebte in dieser Schule, liebevolle Vertiefung in die Besonderheit des geschichtlichen Vorgangs, ein universaler Geist der Geschichtsbetrachtung, welcher den Wert des einzelnen Tatbestandes allein aus dem Zusammenhang der Entwicklung bestimmen will, und ein geschichtlicher Geist der Gesellschaftslehre, welcher für das Leben der Gegenwart Erklärung und Regel im Studium der Vergangenheit sucht und dem schließlich geistiges Leben an jedem Punkte geschichtliches ist. Von ihr ist ein Strom neuer Ideen durch unzählige Kanäle allen Einzelwissenschaften zugeflossen.

      Aber die historische Schule hat bis heute die inneren Schranken nicht durchbrochen, welche ihre theoretische Ausbildung wie ihren Einfluß auf das Leben hemmen mußten. Ihrem Studium und ihrer Verwertung der geschichtlichen Erscheinungen fehlte der Zusammenhang mit der Analysis der Tatsachen des Bewußtseins, sonach Begründung auf das einzige in letzter Instanz sichere Wissen, kurz eine philosophische Grundlegung. Es fehlte ein gesundes Verhältnis zu Erkenntnistheorie und Psychologie. Daher kam sie auch nicht zu einer erklärenden Methode, und doch vermögen geschichtliches Anschauen und vergleichendes Verfahren für sich weder einen selbständigen Zusammenhang der Geisteswissenschaften aufzurichten noch auf das Leben Einfluß zu gewinnen. So verblieb es, als nun Comte, St. Mill, Buckle von neuem das Rätsel der geschichtlichen Welt durch Übertragung naturwissenschaftlicher Prinzipien und Methoden zu lösen versuchten, bei dem unwirksamen Protest einer lebendigeren und tieferen Anschauung, die sich weder zu entwickeln noch zu begründen vermochte, gegen eine dürftige und niedere, die aber der Analyse Herr war. Die Opposition eines Carlyle und anderer lebensvoller Geister gegen die exakte Wissenschaft war in der Stärke des Hasses wie in der Gebundenheit der Zunge und Sprache ein Zeichen dieser Lage. Und in solcher Unsicherheit über die Grundlagen der Geisteswissenschaften zogen sich die Einzelforscher bald auf bloße Deskription zurück, bald fanden sie in subjektiver geistreicher Auffassung Genüge, bald warfen sie sich wieder einer Metaphysik in die Arme, welche dem Vertrauensvollen Sätze verspricht, die das praktische Leben umzugestalten die Kraft haben.

      Aus dein Gefühl dieses Zustandes der Geisteswissenschaften ist mir der Versuch entstanden, das Prinzip der historischen Schule und die Arbeit der durch sie gegenwärtig durchgehends bestimmten Einzelwissenschaften der Gesellschaft philosophisch zu begründen und so den Streit zwischen dieser historischen Schule und den abstrakten Theorien zu schlichten. Mich quälten bei meinen Arbeiten Fragen, die wohl Jeder nachdenkliche Historiker, Jurist oder Politiker auf dem Herzen hat. So erwuchsen in mir von selber Bedürfnis und Plan einer Grundlegung der Geisteswissenschaften. Welcher ist der Zusammenhang von Sätzen, der gleicherweise dem Urteil des Geschichtschreibers, den Schlüssen des Nationalökonomen, den Begriffen des Juristen zugrunde liegt und deren Sicherheit zu bestimmen ermöglicht? Reicht derselbe in die Metaphysik zurück? Gibt es etwa eine von metaphysischen Begriffen getragene Philosophie der Geschichte oder ein solches Naturrecht? Wenn das aber widerlegt werden kann: wo ist der feste Rückhalt für einen Zusammenhang der Sätze, der den Einzelwissenschaften