Die Geisteswissenschaften. Wilhelm Dilthey. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilhelm Dilthey
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788075837370
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aus sollte der Zusammenhang des ganzen Systems der wissenschaftlichen Wahrheiten, von der Mathematik aufwärts, festgestellt und als ihr letztes Glied die neue erlösende Wissenschaft der Gesellschaft begründet werden; Condorcet und Saint-Simon waren die Vorläufer, Comte der Begründer dieser umfassenden Wissenschaft der Gesellschaft, Stuart Mill ihr Logiker, in Herbert Spencers ausführlicher Darstellung beginnt sie die Phantasien, welche ihre ungestüme Jugend bewegt haben, abzutun.35

      Gewiß, ein armseliger Glaube wäre es, die Weise, in der es der Kunst des Geschichtschreibers (wie wir sahen) gegeben ist, das Allgemeine des Zusammenhangs menschlicher Dinge im Besonderen zu schauen, sei die einzige und ausschließliche Form, in welcher der Zusammenhang dieser unermeßlichen geschichtlich – gesellschaftlichen Welt für uns da ist. – Immer wird in dieser künstlerischen Darstellung eine große Aufgabe der Geschichtschreibung bestehen, welche durch die Generalisationswut einiger neueren englischen und französischen Forscher nicht entwertet wer den kann. Denn wir wollen Wirklichkeit gewahr werden, und der Verlauf der erkenntnistheoretischen Untersuchung wird zeigen, daß sie, wie sie ist, in ihrer durch kein Medium veränderten Tatsächlichkeit, nur in dieser Welt des Geistes für uns besteht. Und zwar liegt für unser Anschauen in allem Menschlichen ein Interesse nicht des Vorstellens allein, sondern des Gemüts, der Mitempfindung, des Enthusiasmus, in welchem Goethe mit Recht die schönste Frucht geschichtlicher Betrachtung sah. Hingebung macht das Innere des wahren kongenialen Historikers zu einem Universum, welches die ganze geschichtliche Welt abspiegelt. In diesem Universum sittlicher Kräfte hat das Einmalige und Singulare eine ganz andere Bedeutung als in der äußeren Natur. Seine Erfassung ist nicht Mittel, sondern Selbstzweck: denn das Bedürfnis, auf dem sie beruht, ist unvertilgbar und mit dem Höchsten in unserem Wesen gegeben. Daher haftet auch der Blick des Geschichtschreibers mit einer natürlichen Vorliebe an dem Außerordentlichen. Ohne es zu wollen, ja oft ohne es zu wissen, vollzieht auch er beständig eine Abstraktion. Denn das Auge desselben verliert für die Teile des Tatbestandes, welche in allen geschichtlichen Erscheinungen wiederkehren, die frische Empfänglichkeit, wie die Wirkung eines Eindruckes, der eine bestimmte Stelle der Netzhaut anhaltend trifft, sich abstumpft. Es bedurfte der philanthropischen Beweggründe des 18. Jahrhunderts, um das Alltägliche, allen Gemeinsame in einem Zeitalter, die »Sitten«, wie sich Voltaire ausdrückt, sowie die Veränderungen, welche in bezug auf dieses stattfinden, neben dem Außerordentlichen, den Handlungen der Könige und den Schicksalen der Staaten, wieder recht sichtbar zu machen. Und der Untergrund des zu allen Zeiten Gleichen in der menschlichen Natur und dem Weltleben tritt überhaupt nicht in die künstlerische Geschichtsdarstellung. Auch sie also beruht auf einer Abstraktion. Aber dieselbe ist unwillkürlich, und da sie aus den stärksten Beweggründen der Menschennatur entspringt, so werden wir ihrer gewöhnlich gar nicht inne. Indem wir ein Vergangenes miterleben, durch die Kunst geschichtlicher Vergegenwärtigung, werden wir belehrt, wie durch das Schauspiel des Lebens selber; ja unser Wesen erweitert sich, und psychische Kräfte, die mächtiger sind als unsere eigenen, steigern unser Dasein.

      Daher sind die soziologischen und geschichtsphilosophischen Theorien falsch, welche in der Darstellung des Singularen einen bloßen Rohstoff für ihre Abstraktionen erblicken. Dieser Aberglaube, welcher die Arbeiten der Geschichtschreiber einem geheimnisvollen Prozeß unterwirft, um den bei ihnen vorgefundenen Stoff des Singularen alchimistisch in das lautere Gold der Abstraktion zu verwandeln und die Geschichte zu zwingen, ihr letztes Geheimnis zu verraten, ist genau so abenteuerlich, als je der Traum eines alchimistischen Naturphilosophen war, welcher das große Wort der Natur ihr zu entlocken gedachte. Es gibt sowenig ein solches letztes und einfaches Wort der Geschichte, das ihren wahren Sinn ausspräche, als die Natur ein solches zu verraten hat. Und ganz so irrig als dieser Aberglaube ist das Verfahren, welches gewöhnlich mit ihm verbunden ist. Dieses Verfahren will die von den Geschichtschreibern schon formierten Anschauungen vereinigen. Aber der Denker, welcher die geschichtliche Welt zum Objekt hat, muß in direkter Verbindung mit dem unmittelbaren Rohmaterial der Geschichte und all ihrer Methoden mächtig sein. Er muß sich demselben Gesetz harter Arbeit an dem Rohstoff unterwerfen, unter dem der Geschichtschreiber steht. Den Stoff, der durch das Auge und die Arbeit des Geschichtschreibers schon zu einem künstlerischen Ganzen verbunden ist, sei es mit psychologischen, sei es metaphysischen Sätzen in Zusammenhang bringen: diese Operation wird immer mit Unfruchtbarkeit behaftet bleiben. Spricht man von einer Philosophie der Geschichte, so kann sie nur historische Forschung in philosophischer Absicht und mit philosophischen Hilfsmitteln sein.

      Aber dies ist nun die andere Seite der Sache. Das Band zwischen dem Singularen und Allgemeinen, das in der genialen Anschauung des Geschichtschreibers liegt, wird durch die Analysis zerrissen, welche einen einzelnen Bestandteil dieses Ganzen der theoretischen Betrachtung unterwirft; jede Theorie, welche so in den Einzelwissenschaften der Gesellschaft, die wir erörtert haben, entsteht, ist ein weiterer Schritt in der Loslösung eines allgemeinen erklärenden Zusammenhangs von dem Gewebe der Tatsachen; und diesen Vorgang hält nichts auf: der Gesamtzusammenhang, welchen die geschichtlich-gesellschaftliche Wirklichkeit ausmacht, muß Gegenstand einer theoretischen Betrachtung werden, welche auf das Erklärbare in diesem Zusammenhang gerichtet ist.

      Aber ist nun die Philosophie der Geschichte oder die Soziologie diese theoretische Betrachtung? Der Zusammenhang dieser ganzen Darlegung enthält die Prämissen, aus welchen diese Frage verneint werden muß.

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