Afrikanische Mythen und Magie. Leo Frobenius. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Leo Frobenius
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783849615048
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nach Faraka zurück. Er richtete die Botschaft an Samba Gana aus. Samba Gana hörte die Worte Annallja Tu-Baris. Samba Gana sagte: "Es war zuviel." Samba Gana nahm das blutige Schwert, stieß es sich in die Brust, lachte noch einmal und starb. Tararafe nahm das blutige Schwert, bestieg sein Pferd und ritt in die Stadt Annallja Tu-Baris. Er sagte zu Annallja Tu-Bari: "Hier ist das Schwert Samba Ganas; an ihm ist das Blut der Djollibaschlange und das Samba Ganas. Samba Gana hat zum letztenmal gelacht."

      Annallja Tu-Bari rief alle Fürsten und Horro, die in ihrer Stadt versammelt waren, zusammen. Sie bestieg ihr Pferd; alle Leute bestiegen Pferde. Annallja Tu-Bari ritt mit allen ihren Leuten ostwärts. Sie ritten, bis sie nach Faraka kamen. Annallja Tu-Bari kam zur Leiche Samba Ganas. Annallja Tu-Bari sagte: "Dieser Held war größer als alle vor ihm. Baut ihm ein Grabmal, das das aller Könige und Helden überragt." Die Arbeit begann. Achtmal achthundert Menschen gruben die Schachte. Achtmal achthundert Menschen bauten das Haus (die unterirdische Leichenkammer). Achtmal achthundert Menschen bauten die Halle (den oberirdischen Opferraum). Achtmal achthundert Menschen trugen Erde herbei und häuften sie über die Halle, schlugen und brannten sie. Der Berg (die tumulusartige Pyramide) stieg höher und höher.

      Jeden Abend stieg Annallja Tu-Bari mit ihren Fürsten, Horro und Djalli auf die Spitze des Berges. Jeden Abend sangen die Djalli Lieder von dem Helden. Jeden Abend sang Tararafe das Lied von Samba Gana. Jeden Morgen erhob sich Annallja Tu-Bari und sagte: "Der Berg ist nicht hoch genug. Baut ihn, bis ich Wagana sehen kann." Achtmal achthundert Menschen trugen Erde herbei und häuften sie über den Berg, schlugen sie und brannten sie. Acht Jahre lang stieg der Berg höher und höher. Am Ende des achten Jahres ging die Sonne auf, Tararafe sah umher und rief: "Annallja Tu-Bari, heute kann ich Wagana sehen." Annallja Tu-Bari sah nach Westen. Annallja Tu-Bari sagte: "Ich sehe Wagana! Samba Ganas Grab ist so groß, wie es sein Name verdient." Annallja Tu-Bari lachte. Annallja Tu-Bari lachte und sagte: "Nun geht ihr alle, ihr Ritter und Fürsten auseinander, verbreitet euch über die ganze Erde und werdet zu Helden gleich Samba Gana." Annallja Tu-Bari lachte noch einmal und starb. Sie wurde neben Samba Gana in der Leichenkammer des Grabberges bestattet.

      Die achtmal achthundert Fürsten und Horro zogen aber von dannen, jeder in einer Richtung, kämpften und wurden große Helden.

      Der Held Gossi

      Gossi gilt als der tapferste aller Fulbe, die je gelebt haben. Er ertrug jeden Schmerz. Wenn er sich einen Dorn in den Fuß trat, so schmerzte ihn das nicht. Wurde er angerufen, so hörte er das erstemal nie darauf; denn gleich sich umzuwenden, ist ein Zeichen wenn auch leichten Erschreckens. Auf alles, was hinter ihm vorging, achtete er nicht, und man mußte, wenn man seine Aufmerksamkeit erwecken wollte, an ihm vorübergehen und ihn von vorn anrufen.

      Gossi erschrak, seitdem er erwachsen war, nur dreimal. Aber niemand als Gott und er haben wahrgenommen, daß er erschrak.

      Eines Tages nach 6 Uhr nachmittags, als es schon fast dunkel war, riß draußen am Brunnen vor der Stadt die Leine, an der die Kalebasse zum Schöpfen angebunden war, und nun wußten sie nicht, wie sie für den Abend Wasser bekommen sollten. Niemand getraute sich in der Dunkelheit in den Brunnen zu steigen, denn alle Welt wußte, daß da unten im Brunnen eine gefährliche Korongo (eine Schlangenart) hauste. Alle Leute standen um den Brunnen. Es wußte niemand, was zu tun sei.

      Gossi kam des Weges. Er sagte: "Was gibt es?" Die Leute sagten: "Wir haben kein Wasser im Dorf, die Leine ist gerissen, die Schöpfkalebasse heruntergefallen – man wird warten müssen, bis es Morgen und hell ist, denn jetzt ist es schwarze Nacht, und außerdem ist die Korongo da unten." Gossi sagte: "Ach was, bindet mir die Leine um die Hüfte und laßt mich herab. Ich will die Kalebasse heraufholen." Einige sagten: "Aber es ist ja dunkle Nacht!" Andere sagten: "Und da unten ist die Korongo!" Gossi sagte: "Ach was! Laßt mich jetzt hinunter." So ließen sie denn Gossi hinunter in das tiefe Brunnenloch.

      Unten hatte es sich die Korongo in der Kalebasse schon bequem gemacht. Gossi ergriff das Schnurende, zog und suchte sie herauszuschleudern. Es gelang aber nicht. Dreimal versuchte es Gossi und es gelang nicht. Inzwischen war aber das durstige Vieh zum Brunnen gedrängt und wartete auf den Trank. Einer der Bullen versuchte eine Kuh zu bespringen. In der Dunkelheit nahmen sie das Brunnenloch nicht wahr und so stürzten beide hinein. Sie zwängten sich oben nahe dem Eingang fest und verstopften das Loch vollkommen. Nunmehr saß Gossi ganz fest. An der Schnur war nicht zu ziehen, über sich hatte er den Bullen und die Kuh, unter sich das Wasser und die Schlange, und ringsum war es stockdunkle Nacht. Entsetzt schrien die Leute auf.

      Die Leute sagten: "Wir müssen von der Seite her schräg nach unten ein Loch machen und Gossi so das Herauskommen ermöglichen." Gossi hörte das und rief: "Macht euch nicht unnötige Arbeit; denn so würde ich nicht herauskommen. Laßt mich nur bis morgen früh hier unten. Dann bei Tageslicht könnt ihr Kuh und Bullen wegziehen. Jetzt komme ich nicht heraus." Die Leute sagten: "Wenn Gossi es nicht anders will, können wir nichts tun."

      Am anderen Morgen kamen sie wieder und zogen erst den Ochsen und die Kuh heraus und riefen dann:" Gossi." Aber Gossi hörte nie darauf, wenn er das erstemal angerufen wurde. Man rief nochmals: "Gossi, lebst du?" Gossi rief: "Ja, ich lebe. Die Schnur ist diese Nacht noch einmal gerissen, und ich bin in das Wasser gefallen." Die Leute banden ein starkes Ende daran, ließen es hinunter und riefen:" Schlinge die Schnur jetzt um den Leib und laß dich heraufziehen!" Gossi antwortete: "Nein, ich lasse mich nicht hinaufziehen – ich will hier unten sterben. Denn ich bin in das Wasser gefallen und habe es damit für die Fulbe beschmutzt. Ich habe mich vor den Fulbefrauen lächerlich gemacht."

      Da kamen alle Frauen zum Brunnen, und sie sagten zu Gossi: "Gossi, komm doch heraus. Sieh, das Dorf hat nur einen Brunnen. Wenn du unten stirbst, können wir hier kein Wasser mehr schöpfen. Dann werden alle Leute und alles Vieh vor Durst sterben. Du aber bist der Tapferste von allen. Denn du warst der einzige, der es wagte, da hinabzusteigen und bist die ganze Nacht da unten bei der schrecklichen Schlange geblieben." Darauf ließ Gossi sich herausziehen und sagte: "Meinetwegen sollen die Fulbe nicht vor Durst sterben!" Als er an die Oberfläche kam, warf er die Leiche der zwischen den Fingern totgedrückten Schlange über den Brunnenrand auf die Erde. Als die Kuh und der Bulle hinabstürzten, war Gossi das erstemal erschrocken. Aber außer ihm und Allah hatte es niemand gemerkt.

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      Es gab in dieser Gegend noch einen zweiten Gossi, der war mit dem großen Helden Gossi verwandt. Dieser zweite Gossi war außerordentlich eifersüchtig auf seine Frau und hatte sich deshalb vor den Toren der Stadt für sich und seine Frau einen Hof angelegt. Denn er wollte nicht, daß eine Fliege, die schon auf der Haut eines anderen Mannes gesessen hatte, sich auf der Hand seiner Frau niederlasse.

      Dieser Gossi ritt viel zur Jagd und zwar des Nachts. Wenn er wegritt oder kam, konnte man ein Glöcklein vernehmen, das hatte er um den Hals seines Pferdes gebunden.

      Die Leute scherzten mit dem großen Helden Gossi und sagten: "Du bist zwar ein sehr großer Held, du wagst es aber doch wohl nicht, in die Niederlassung deines eifersüchtigen Vetters zu gehen und dessen Frau aufzusuchen, wenn ihr Mann nicht daheim ist." Gossi sagte: "So? Meint ihr das?" Eines Tages nahm er sein zweiläufiges Gewehr, bestieg sein Pferd und ritt in die Niederlassung des eifersüchtigen Vetters. Der andere war nicht daheim. Da band er sein Pferd draußen an, zog alle Kleider aus und hing sie rund herum auf, so daß jeder sie sehen mußte. Dann ging er hinein zu der Frau. Er blieb bei der Frau. Er legte seinen Kopf auf ihr Knie und schlief ein. Nach einiger Zeit hörte die Frau das Glöcklein. Sie stieß Gossi an und sagte: "Hör doch!" Gossi wachte auf und fragte: "Was gibt es denn?" Sie sagte: "Hör die Glocke; sie ist am Pferd meines Mannes. Er kommt. Wenn er dich hier trifft, wird er dich töten." Gossi sagte: "Was, einer solchen Kleinigkeit wegen weckst du mich?" Er drehte sich um und schlief wieder ein.

      Gossi, der andere, kam inzwischen auf den Hof geritten. Er band sein Pferd an. Er sah, daß noch ein anderes Pferd da war. Er ging auf das Haus seiner Frau zu. Da hingen alle Kleider seines Vetters. Darauf geriet er in große Wut und lud sein zweiläufiges Gewehr. Er ging in das Haus. Er legte auf Gossi, den Helden, an und schoß. Er hatte aber in seiner Wut zuviel Pulver hineingetan, so daß der erste Lauf beim Abschießen platzte. Darauf legte er das Gewehr nochmals an und schoß. Es platzte aber auch der andere Lauf beim Abschießen, denn in der Wut hatte er wieder zuviel Pulver in den Lauf gestopft. Gossi, der Held, sagte: "Dein Gewehr ist schlecht, wie das aller Jäger,