Darauf kehrte Sia zurück und ließ sich von Kumbadamba weiter die Haare ordnen. Als sie die zweite Seite geordnet und eingerieben hatte, sprang Sia abermals hastig auf und sagte: "Laß mich! Mamadi ruft mich!" Sie lief schnell zu Mamadi Sefe Dekote hin und sagte: "Hast du mich gerufen, mein großer Bruder?" Mamadi hatte nicht gerufen, das Borri wirkte auf der zweiten Seite. Mamadi sagte: "Nein, ich habe dich nicht gerufen, denn ich habe nur neun Finger und neun Zehen, und ich weiß, du liebst nur Menschen mit zehn Fingern und zehn Zehen." Darauf kehrte Sia zurück und hieß Kumbadamba letzte Hand anlegen. Sie glättete alles und nahm reichlich von der Borrikarte, so daß Sia endlich ungeduldig aufsprang und rief: "Nun laß mich endlich, Mamadi ruft mich." Eilig rannte sie zu Mamadi Sefe Dekote hin und fragte: "Hast du mich gerufen, mein großer Bruder?" Mamadi sagte: "Ja, ich habe dich gerufen. Ich wollte dir sagen: Komm diese Nacht in mein Haus." Sie sagte: "Ich werde diese Nacht zur Hochzeit kommen." Bis dahin hatte es Mamadi Sefe Dekote nicht erreicht, daß sich Sia ihm hingab.
Mamadi ließ Bett und Haus ordnen. Er hatte Blali, einen jungen Sklaven, dem er alles anvertrauen konnte und dem er die Sorge für sein gutes Pferd übergeben hatte. Er rief Blali und sagte: "Gib mir dein altes Kleid, ich will es anziehen. Reinige und wasche es also ordentlich. Dann wasch dich selbst und leg dich heute Nacht in meiner Hütte auf mein Bett. Um Mitternacht wird eine Frau, Sia, zu dir kommen. Sprich mit ihr aber kein Wort. Sia soll denken, ich sei an ihrer Seite und sie ist gewohnt, daß ich nicht spreche. Daher habe ich meinen Name Sefe Dekote. Sprich also nicht mit ihr, beschlafe sie aber. Du mußt sie beschlafen. Hast du es bis zum Morgen nicht getan, laß ich dich einfach totschlagen. Du hast mich verstanden?"
In der Nacht kam Sia. Mamadi hatte seine Schuhe vor dem Bett stehen lassen, damit Sia sicher sei, daß er und kein anderer dort auf dem Bett liege. Sie kam, erkannte die Schuhe und legte sich zu dem Pferdeknecht. Sie sagte: "Kassunka" (Gut Nacht). Blali schnalzte zur Antwort nur mit dem Gaumen, um sich nicht zu verraten. Sie sagte: "Mein großer Bruder, ich weiß, daß du nie viel sprichst, heute aber sprich mit mir. Ich bitte dich, mir heute zu antworten." Blali beschlief darauf Sia.
Am anderen Morgen trat Mamadi Sefe Dekote in den Kleidern Blalis in die Hüttentür und rief: "Blali!" Blali antwortete: "Nam!" (Herr) Mamadi sagte: "Weshalb hast du heute Morgen nicht mein Pferd besorgt und statt dessen bei dem Frauenzimmer Sia geschlafen?" Blali sagte: "Wenn ich heute Morgen meine Arbeit nicht verrichtete, so willst du das damit entschuldigen, Herr, daß ich eine Frau beschlafen konnte, von der ganz Wagadu sagte, sie sei die Schönste im Land. Ist das nicht verzeihlich?" Sia hörte das und begann auf dem Bett am ganzen Leibe zu zittern. Zitternd sprach sie: "Mein großer Bruder, du zahlst gut!" Sia blieb vor Scham den ganzen Tag über im Hause. Sie wagte sich nicht heraus. In der Nacht aber schlich sie hinüber in ihr eigenes Haus und starb dort vor Scham. Das war das Gericht Mamadi Sefe Dekotes über Sia Jatta Bari.
Samba Gana
Annaljia Tu-Bari war die Tochter eines Fürsten bei Wagana. Sie galt als überaus klug und schön. Viele Horro (Vornehme) kamen in ihre Stadt und warben um sie. Aber Annallja forderte von jedem eine Leistung, die keiner zu vollbringen wagte. Annalljas Vater hatte nur diese eine Stadt gehabt, aber viele Farmdörfer. Eines Tages war er mit dem Fürsten (der Erzähler verwendet hier das interessante Wort Amil) einer Nachbarstadt um den Besitz eines Farmdorfes in Streit geraten. Annalljas Vater war im Kampf unterlegen, er hatte den Ort eingebüßt; das ertrug sein Stolz nicht, er starb darüber. Annallja erbte die Stadt und das Land; sie forderte aber nun von jedem Horro, der ihre Hand begehrte, daß er nicht nur das verlorene Farmdorf zurückerobere, sondern dazu noch achtzig Städte und Orte rund um ihr Gebiet. Jahre vergingen. Niemand wagte den Beginn so umfangreicher kriegerischer Unternehmung. Jahre vergingen. Annallja blieb unverheiratet, wurde aber von Jahr zu Jahr schöner. Sie verlor jedoch allen Frohsinn. Sie wurde ständig schöner und trauriger. Und nach dem Beispiel der Fürstin verloren alle Horro, alle Djalli (Barden), Numu (Schmiede) und Ulussu (Hörige) ihr Lachen.
In Faraka wohnte ein Fürst Gana, der hatte einen Sohn namens Samba Gana. Als der herangewachsen war, verließ er nach Sitte des Landes mit zwei Djalli und zwei Supha (dienende Knappen) die Stadt des Vaters, um sich ein eigenes Land zu erkämpfen. Samba Gana war jung. Sein Lehrer war der Djalli Tararafe, der ihn begleitete. Samba Gana war fröhlich. Samba Gana zog lachend von dannen. Samba Gana erklärte dem Fürsten einer Stadt den Krieg. (Forderte ihn zum Zweikampf heraus.) Sie fochten. Alle Leute der Stadt sahen zu. Samba Gana siegte. Der unterlegene Fürst bat um sein Leben und bot ihm seine Stadt an. Samba Gana lachte und sagte: "Behalt deine Stadt. Deine Stadt ist mir nichts." Samba Gana zog weiter. Er bekämpfte einen Fürsten nach dem anderen. Er gab stets alles Gewonnene zurück. Er sagte stets: "Behalt deine Stadt. Deine Stadt ist mir nichts." Zuletzt hatte Samba Gana alle Fürsten in Faraka überwunden und besaß doch selbst keine Stadt und kein Land, da er immer alles zurückgab und stets lachend weiterzog.
Eines Tages lag er mit seinem Djalli am Niger. Der Djalli Tararafe sang von Annallja Tu-Bari; er sang von Annallja Tu-Baris Schönheit und Schwermut und Einsamkeit. Tararafe sang: "Nur der wird Annallja gewinnen und sie lachen machen, der achtzig Städte erobern wird." Samba Gana hörte alles. Samba Gana sprang auf und rief: "Auf, ihr Supha! Sattelt die Pferde! "Wir reiten in Annallja Tu-Baris Land!" Samba Gana brach mit seinen Djalli und Supha auf. Sie ritten Tag und Nacht. Sie ritten einen Tag nach dem anderen. Sie kamen in Annallja Tu-Baris Stadt. Samba Gana sah Annallja Tu-Bari. Er sah, daß sie schön war und nicht lachte. Samba Gana sagte: "Annallja Tu-Bari, zeig mir die achtzig Städte." Samba Gana brach auf. Er sagte zu Tararafe: "Bleib du bei Annallja Tu-Bari, singe ihr, vertreibe ihr die Zeit, mache sie lachen!" Tararafe blieb in Annallja Tu-Baris Stadt. Er sang jeden Tag von den Helden Farakasy von den Städten Farakas, von der Schlange des Issa Beer, die eigenmächtig die Flut steigen läßt, so daß die Leute in einem Jahr Überfluß an Reis haben, in anderen Jahren aber hungern. Annallja Tu-Bari hörte alles. Samba zog in der Runde umher. Er kämpfte mit einem Fürsten nach dem andern. Er unterwarf alle achtzig Fürsten. Er sagte zu jedem besiegten Fürsten: "Geh zu Annallja Tu-Bari und sage ihr, daß deine Stadt ihr gehört." Alle achtzig Fürsten und viele Horro kamen zu Annallja Tu-Bari und blieben in ihrer Stadt. Annallja Tu-Baris Stadt wuchs und wuchs. Annallja Tu-Bari beherrschte alle Fürsten und Horro des weiten Landes um ihre Stadt.
Samba Gana kehrte zu Annallja Tu-Bari zurück. Er sagte: "Annallja Tu-Bari, nun ist alles, was du besitzen wolltest, dein!" Annallja Tu-Bari sagte: "Du hast die Arbeit verrichtet. Nun nimm mich." Samba Gana sagte: "Weshalb lachst du nicht? Ich heirate dich erst, wenn du wieder lachst." Annallja Tu-Bari sagte: "Früher konnte ich vor Schmerz über die Schande meines Vaters nicht lachen. Jetzt kann ich nicht lachen, weil ich hungrig bin." Samba Gana sagte: "Wie kann ich deinen Hunger stillen?" Annallja Tu-Bari sagte: "Bezwinge die Schlange des Issa Beer, die in einem Jahre Überfluß, im anderen Not beschert." Samba Gana sagte: "Solches hat noch kein Mensch vermocht. Ich werde das Unternehmen beenden." Samba Gana zog fort.
Samba Gana zog nach Faraka und suchte die Schlange des Issa Beer. Er zog weiter und suchte. Er zog nach Koriume, fand sie nicht und zog stromauf weiter. Er kam nach Bamba, fand sie nicht und zog stromauf weiter. Dann traf Samba Gana die Schlange. Er kämpfte mit ihr. Bald siegte die Schlange, bald siegte Samba Gana. Der Djolliba (Nigerstrom) lief bald diesen, bald jenen Weg. Die Berge stürzten ein und die Erde öffnete sich in Spalten. Acht Jahre lang kämpfte Samba Gana mit der Schlange. Nach acht Jahren hatte er sie überwunden. Samba Gana hatte in dieser Zeit achthundert Lanzen zersplittert und achtzig Schwerter zerbrochen. Er hatte nur noch ein blutiges Schwert und eine blutige Lanze. Die blutige Lanze gab er Tararafe und sagte: "Geh zu Annallja Tu-Bari, gib ihr die Lanze, sage ihr, daß die Schlange überwunden ist und sieh, ob Annallja Tu-Bari nun lacht."
Tararafe kam zu Annallja Tu-Bari. Er sagte, was ihm aufgegeben war. Annallja Tu-Bari sagte: "Kehr zu Samba Gana zurück und sage ihm, er solle die überwundene Schlange hierher bringen, damit sie als mein Sklave den Strom in mein Land leite. Wenn Annallja Tu-Bari Samba Gana mit der Schlange sehen wird,