Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel. Johann Karl Wezel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Karl Wezel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027222193
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sobald ihr es scheinen wollt, ohne es zu sein.

      Seid munter, heiter und glaubt, daß dann der Himmel am schönsten scheint, wenn er am meisten lächelt, und am meisten reizt, wenn er sich hinter keiner Wolke verbirgt.« usw.

      Und ihr, Töchter Deutschlands! möchte ich im chinesischen Tone einer moralischen Predigt fortfahren, glaubt ihr schöner zu sein, wenn ihr euer Antlitz hinter die Wolken einer affektierten Züchtigkeit verbergt?

      Versucht es! Wenn ihr eine feine Obszenität – unterdessen will ich es dem Sprachgebrauche gemäß so nennen –, wenn ihr eine feine Obszenität nicht ertragen könnt, ohne euch dafür zu schämen – ach! so ist euer Herz in Gefahr! Eure Scham ist eine ahnungsvolle Scham über die Schwäche eurer Tugend. Sobald eure Keuschheit stark genug ist, eine reife Frucht ist, wie Prinz Tschehu-kong sich ausdrückt; wenn die Liebe bei euch menschliche Empfindung der Seele, nicht tierischer Kützel des Körpers und also keine Schande für euch ist; wenn eure Handlungen andre zu keinem gegründeten Argwohne wider eure Tugend geneigt gemacht haben; kurz, wenn ihr wahrhaftig keusch, wahrhaftig tugendhaft seid, so ist für euch keine feine Obszenität in der Welt, und in kurzem werdet ihr es dahinbringen, daß die groben aus allen gesittet sein wollenden Ständen völlig verbannt werden – wenn ja itzo deren noch vorhanden sind.

      Den schönsten Stein in dem Ringe meiner künftigen Frau wollte ich darum geben, möchte es auch Pitts Diamant sein, wenn dieser Absatz einige Leserinnen nachzudenken veranlaßt hätte, ob nicht noch eine Menge elender Grimassiererei in unsern deutschen weiblichen Sitten von der – bis zu – herrscht. Die ganze Masse der weiblichen Moralität enthält wegen dieses unechten Zusatzes nicht einen Gran Tugend mehr, und gleichwohl wird an den meisten Orten bei vielen Gelegenheiten, die jedermann sich selbst denken kann, beinahe das ängstliche Zerimoniell der Sittsamkeit beobachtet, wodurch unsre lieben Urgroßmütter ihre schwache Keuschheit wider die Unverschämtheit ihrer geharnischten Liebhaber zu verschanzen suchten. Fast sollte das männliche Geschlecht zürnen, daß es von dem weiblichen so behandelt wird, als wenn es noch nicht aus der Barbarei wäre. – Aber, ich bin sicher, kein Mensch wird darüber zürnen, solange er nicht Autor ist.

      Fräulein Kunigundens und Adelheidens Fall, der mich eigentlich in diesen moralisierenden Paroxysmus versetzt hat, war freilich etwas ernsthafter als eine Obszenität, und ich finde deswegen nicht das geringste in ihrer Aufführung zu tadeln.

      Ja, zu tadeln sind sie allerdings! sagte mir – nicht etwa meine beißende Muhme – ach! die liegt seit meinem fünfzehnten Absatze an einem verzehrenden Husten, Gallenobstruktionen und noch vier andern Übeln, die einen griechischen Namen führen, hart danieder, und alle sechse zusammen werden sie vermutlich zu einer Märtyrerin der beißenden Satire und mich zum verwaisten Autor machen. Dies sei indessen ihre Parentation. ††††††††

      »Ja, zu tadeln sind sie allerdings!« sagte mir die Frau ++++ ins Ohr. »Konnten sie nicht die leicht beifallende, klügere Partie nehmen und bei dem ersten Anblicke des Badenden mit gesetztem Schritte hinweggehen und ihn warten lassen, bis sie ihm Kleider hätten schicken können? Schade für die keuschen Grimassen! So sieht es nur aus, als wenn sie dageblieben wären, um ihn sechzehn Schritte hinter sich gehen zu lassen, und wären sie wohl dageblieben, wenn sie nicht – Neubegierde – – – sehen – –«

      Da ein Frauenzimmer sich selbst am besten kennen und am besten über ihresgleichen urteilen muß, so würde es Torheit sein, ihr Urteil nicht mit der demütigsten Unterwürfigkeit unterschreiben zu wollen.

       Inhaltsverzeichnis

      Ohne mich übrigens weiter in einen Streit darüber einzulassen, melde ich itzt, daß unsre Gesellschaft, während der Betrachtung im letzten Absatze, vom Teichdamme glücklich und wohlbehalten und, was noch mehr ist, ungesehen in dem adligen Schlosse angelangt ist und die Fräulein schon Sorge tragen, ihrem unglücklichen Begleiter Kleidung und Essen zu verschaffen, unterdessen daß der letztere in einer Stube die Wirkung ihrer Veranstaltungen erwarten muß. Ungesehen! sagte ich, ja, bis auf den gnädigen Papa der Fräulein Kunigunde, dem Herrn Hauptmann von V+++, der seiner Gewohnheit gemäß am Fenster seiner Wohnstube die genoßne Predigt verdaute und die Enten in der nächstgelegnen Pfütze mit vielen Freuden fütterte. Er war der witzigste Kopf in der ganzen Nachbarschaft, auf zwo Meilen in der Runde, und wenn ja hier und da einer einen gescheutern Einfall vorzubringen wagte, so setzte er doch sogleich einen aus seinem Kopfe mit einem so herzhaften Lachen darauf, daß der erste wie ein leichter Span von einem großen Strudel verschlungen wurde. Wischte jemand mit einem auffallenden Witze zwischen seine Deklamationen so hurtig hinein, daß er nicht Zeit hatte, ihn vor seiner Wirkung niederzudrücken, und die Gesellschaft schon anfing, ihn mit einem lächelnden Wohlgefallen zu belohnen, so lachte er mit einer so starken Ausdehnung der Lunge und so unwitzigen Erklärungen darüber, daß der andre sich schämen mußte, seinen Witz durch den ungestümen Beifall eines Mannes erniedrigt zu sehen, der so unschmackhafte Sachen sagen konnte. Jedermann in dem ganzen Bezirke, wo er mit seinem Witze tyrannisierte, lobte ihn als einen Mann von der besten Laune, und wenn er mit ausgeschüttetem Lachen, kreischender Stimme, durch die geöffneten zween Flügel der Tür hereinpolterte, so zogen in dem langweiligsten Zirkel die Muskeln eines jeden Gesichts sich auseinander, und jede Miene wurde zum Gelächter; jedermann ergötzte sich über seine Ergötzung; jedermann lachte mit der größten Erschütterung der Lenden bis zum Keuchen, und oft fragte hinterdrein der Nachbar den Nachbar: »Was sagte er?« – hörte es und konnte nicht lachen; dessen ungeachtet war der nächstfolgende Einfall, auch ohne verstanden zu werden, der belachenswürdigste, so gut, als wenn der vorhergehende nicht albern gewesen wäre. Kein Wunder war es, daß er bei einer täglichen, ja stündlichen Übung des Witzes nicht auch zuweilen erträgliche oder wohl gar bis auf einen gewissen Grad feine Gedanken, ohne Bewußtsein ihrer Güte, ausstieß; allein dies waren einzelne Stücken Konfekt, die ein überladner Magen unter einem Schwalle verdorbner Speisen auswirft. Alles, was Lob an ihm verdiente, war seine Lunge, und auch diese verlor die Hälfte ihres Verdienstes dadurch, daß sie durch Betäubung ein denkendes Gehirn acht Tage lang in einen Schwindel versetzte, der es so unfähig machte, daß zwischen ihm und dem Gehirne des Herrn Hauptmanns kein sonderlicher Unterschied war.

      Kaum sahe er die Karawane, nämlich seine beiden Fräulein und meinen Tobias, sechs oder acht Schritte hinter ihnen, durch die Gartentüre hereinkommen, als er schon in ein so lautes Gelächter ausbrach, daß alle Enten vor Schrecken den Bissen aus dem Schnabel fallen ließen und an das äußerste Ende des Sumpfes flüchteten.

      Dreimal stärker wurde dieses Gelächter, als er die Fräulein selbst, nachdem ihre wohltätigen Veranstaltungen vorüber waren, ins Zimmer treten sah, die, ganz durchdrungen von ihrer menschenfreundlichen Handlung, mit voller Begierde eilten, ihre Begebenheit in dem empfindungsvollsten Tone zu erzählen, und mit einer so großen Menge witzigen Schuttes von ihm überschüttet wurden, daß die ganze Erzählung darunter ersticken mußte. Endlich bekam sie Luft; sie ging so ziemlich ihren geraden Weg fort, ausgenommen an den Stellen, wo die höchst bedenklichen Situationen, in welche die Züchtigkeit seiner Fräulein geraten war, es unvermeidlich machten, daß er sie durch seine sich hervordrängenden Einfälle unterbrechen mußte. Er hörte die ganze tragische Geschichte meines Tobias vom Diebstahle der Zigeunerin bis auf seine Einwicklung in die flornen Saloppen so kaltblütig, mit so halben Ohren an, als neulich Sarkand bei einer wohlbesetzten Tafel mit vollen Backen anhören konnte, daß seine Schwester auf dem Wege wäre, in etlichen Wochen Hungers zu sterben.

      Die beiden Schönen beschlossen ihre Erzählung mit einer Bitte, sich des geretteten Unglücklichen anzunehmen, und der Herr Hauptmann erzählte ihnen, daß heute keine Seele in der Kirche gewesen wäre als er. Sie erneuerten ihre Bitte und machten sie für ihn dadurch noch annehmlicher, daß die Fräulein Tochter ihm berichtete, der vornehmste Teil der nötigen Vorsorge sei bereits durch sie geschehen, die Cousine Adelheid hätte ihm eine alte Kleidung für ihr Geld verschafft, und wäre also nichts mehr vor der Hand übrig, als ihm einige Tage den Aufenthalt im Hause zu verstatten, bis man ihn auf irgendeine Art weiter unterbringen könnte.

      »Ja«, unterbrach sie der