Könnt ich in Tau zerfließen,
Auf dich wollt ich mich gießen,
O süße Lilie du!
Könnt ich mich niederbücken,
Dich wollt ich zärtlich drücken,
O sanfte Rose du!
Die ganze Idee war sinnreich, ihrer Urheberin völlig würdig, neu und erforderte gewiß eine Meisterhand, um mit Lindenbäumen glücklich ins Werk gesetzt zu werden. Unglücklicherweise mußte in Ermangelung eines größern Meisters die ganze Ausführung dem herrschaftlichen Lustgärtner, dem lahmen Andreas, anvertrauet werden, der als ein blessierter Soldat, weil er ein Untertan und doch nicht ohne Schaden besser zu versorgen war, in dem hochadeligen Lust- und Ziergarten unter andern ähnlichen Gärtnerdiensten jahraus, jahrein Petersilie und Rosmarin unterhalten mußte, wovon der gnädige Herr ein übermäßiger Liebhaber war. Der ehrliche Mann konnte zur Not Bäume, aber keine Zephir pflanzen, hatte in seinem Leben keine gesehn und auch nicht Einbildungskraft genug, um sich nach den Vignetten in ∞'s und andren Gedichten eine so begeisterte, lebhafte Vorstellung davon zu machen wie seine gnädigen Fräulein. Indessen brachte ihm sein Gedächtnis die Titelleiste zum »Gehörnten Siegfried« zurück, der in den letzten Winterquartieren für ihn ein ungemeiner Zeitvertreib gewesen war; er pflanzte frisch seine Bäume und schnitt, als sie buschicht genug waren, getrost mit der großen Gartenschere den gehörnten Siegfried daraus: einen Kopf mit zwei langen, stattlichen Ohren, und zwischen die Beine gab er ihm sein Wunderpferd, aus Rasen gebildet. Obgleich ein unparteiischer, ununterrichteter Beurteiler weder den gehörnten Heiden noch den galanten Zephir würde erkannt haben, so waren doch beide, Erfinderinnen und Arbeiter, über dies wunderseltsame Werk entzückt, und keins stund einen Augenblick an, das darinne zu finden, was es nach seiner Absicht sein sollte, einige kleine Bedenklichkeiten ausgenommen, die den erstern wegen des gänzlichen Mangels der Arme und einiger kleinen Versehen wider die Regeln der Proportion aufstiegen.
In dieser Götterlaube, dem Monumente ihres Witzes – und ihres Geschmacks, saßen sie schon, ehe noch Tobias sich von einem Badeorte etwas träumen ließ, und saßen noch da, als er in den Teich stieg. Zwar waren sie wirklich aus zufälliger Entschließung, wie schon oben gesagt worden ist, vom Hause weggefahren, und zwar in dem festen Vorsatze, den Weg in die Kirche, der eine starke halbe Stunde betrug, einmal daran zu wagen; doch kaum hatten sie den dritten Teil davon zurückgelegt, als ihnen die Hitze beschwerlich wurde und einen sehr heftigen Brodem in der Kirche besorgen ließ, der für ihre empfindlichen Maschinen tödlich gewesen wäre. Sie kehrten also um, schickten die Kutsche nach Hause, gingen in ihre Laube etc. etc. Kaum waren sie hereingetreten, und siehe da! – ein toter Schmetterling lag auf dem Boden. Dieser bewegliche Anblick setzte alle Nerven ihres Körpers in eine so heftige Bebung, daß sie ihm entfliehen mußten, wenn nicht eine darunter durch die Erschütterung zersprengt werden sollte. Sie setzten sich also vor dem Eingange nieder und seufzten da ihre witzig-empfindsamen Gedanken einander zu.
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»– so sanftrührend, wie ...«, sagte Fräulein Kunigunde, als Tobias in den Teich stieg, ohne daß ihr Witz die Gefälligkeit hatte, ihr in der Geschwindigkeit mit einer Vergleichung auszuhelfen.
»Ja, so sanftrührend, wie ...«, so faßte Fräulein Adelheid den abgerißnen Faden der Rede auf und ließ ihn gleich wieder fallen, ohne ihn im geringsten weiter zu spinnen.
»– sanftrührend ist für ein empfindliches Herz der Anblick eines toten Geliebten, wie ...«, erwiderte Fr. Kunigunde.
»Ein toter Schmetterling!« rief ihre Einbildungskraft, und gleich fuhr aus Fräulein Kunigundens Munde heraus: »– wie ein toter Schmetterling.«
»O das arme Tier!« wimmerte Fräulein Adelheid.
KUNIGUNDE
(seufzend) »Oft mag er der Bote der geheimen Liebe gewesen sein und manchen Seufzer noch warm von den Lippen des entfernten Mädchens –«
»– ihrem Liebhaber überbracht haben!« fuhr Frau Adelheid winselnd fort.
KUNIGUNDE
»Was für eine verwegne Hand muß ihm wohl sein junges Leben geraubt haben?«
ADELHEID
»Doch wohl ein Junge aus dem Dorfe.«
Ein für allemal sei es hier gesagt, daß Fräulein Adelheidens Witz und Empfindsamkeit nicht um die Hälfte so einen hohen Schwung hatte als Fräulein Kunigundens ihrer, und wenn diese sich schon in dem untersten Wolkenraume verlor, so flatterte jene noch, wie eine halbflicke Taube, auf der Erde herum, um in den Flug zu kommen. Sie fühlte also bei der vorhabenden Gelegenheit sehr wohl das Niedrige, Prosaische, Gemeine in ihrer Antwort, wie es gegen die deklamatorische Frage ihrer Cousine abstach; aber sie konnte sich nicht anders helfen, sie hatte den rechten Schwung noch nicht.
»Doch wohl ein Junge aus dem Dorfe«, sagte sie.
KUNIGUNDE
»Nein, ein Feind der Natur, ein Feind der Schöpfung! – Vielleicht seufzt itzt im stillen seine einsame Gattin! und flattert voller Ahndung um die Örter, wo sie einst ...«
Beide schwiegen; ein Tränchen schlich aus allen vier Augen hervor und blieb auf der Schwelle stehn, unentschlossen, ob es rückwärts oder vorwärts sich wenden sollte.
KUNIGUNDE
»Vielleicht wartet ein treuer Freund mit zärtlicher Sehnsucht –«
ADELHEID
»– wie ich auf dich des Abends im Bette.«
KUNIGUNDE
»Göttliche Freundschaft! Du bist der Knoten des menschlichen Lebens! Wie im Filet der Knoten, so knüpft sie die Herzen der Sterblichen zusammen, und, beste Adelheid, was würden wir ohne die Freundschaft sein? Sie macht, daß wir in zween Körpern nur eine Seele sind. Gegenseitige Hülfe –«
ADELHEID
»O beste Kunigunde, was würde neulich, ohne dich, aus mir geworden sein, als die große Spinne mir hier in der Laube über den Schoß hinfuhr? – Ich zittre!«
KUNIGUNDE
»Das fürchterliche Tier! Meine ganze Natur entsetzt sich,