– Diesem würdigen Künstler habe ich den Auftrag getan, nach meiner Angabe bloß meiner Vergleichung zu Gefallen, ein eignes Instrument zu verfertigen, welches mein Gleichnis so genau nach dem Leben vorstellt, daß die Einbildungskraft, die es nicht gleich nachkopieren könnte, in ihrem Leben keinen Pinsel in die Hand genommen haben müßte. Könnte ich hierzulande einen Zeichner finden, der es getreu auf das Papier brächte, so sollte der schönste Kupferstich von einem Wille zwischen diesen zwei Blättern, wie Venus zwischen zwo Grazien, in hervorleuchtender Schönheit prangen.
Das war ein Autorkompliment an Herr Willen und an mich.
Da aber kein solcher Zeichner bei der Hand ist, so muß mein Buch eine der größten Zierden und meine Leser einen der schönsten Kupferstiche entbehren. Doch damit sie bei so ungünstigen Umständen wenigstens einen Teil des Verlustes ersetzt bekommen, so soll ihnen eine getreue, wörtliche Beschreibung dieses wichtige Kunstwerk bekannt machen. Mein Freund nennt es das allegorische Seeleninstrument; und die erste Messe, wo ein philosophisch-musikalisches Intelligenzcomptoir in Deutschland errichtet sein wird, soll das Werk selbst in Natur jedermänniglich vorgezeigt werden.
7
DAS ALLEGORISCHE SEELENINSTRUMENT
Ein Frauenzimmer von der blühendsten Farbe, mit einem engländischen Gesichte und griechischer Kleidung, deren ganze Miene durch ein im Kopf angebrachtes Uhrwerk in einer beständig abwechselnden Grimasse erhalten wird und das der Künstler Einbildungskraft nennt, sitzt in dem geziertesten Pompe und der gezwungensten Grazie einer Theaterkönigin in einem schön gearbeiteten Sessel von Mahagoniholze. Wenn man sagen sollte, ob sie schön wäre, so würde man ein großes Bedenken tragen, mit Ja zu antworten, und ebensowenig würde man sich entschließen können, es zu verneinen. Zwischen den Knien hält sich ein musikalisches Instrument, unter welchen ein jeder nach Belieben seiner Phantasie, ein Violon, ein Violoncell, eine Viola di Gamba, oder was ihm sonst Ähnliches in der Geschwindigkeit beifällt, vorstellen kann. Die Zahl der Saiten, womit es bespannt ist, verliert sich ins Unendliche, und ich zähle schon sechs Wochen lang täglich eine Viertelstunde daran, fange jeden Tag von vorn an und verirre mich jeden Tag im Zählen. Die meisten darunter sind so fein, daß ich sagen würde, sie wären von der Luft oder gar aus Lichtstrahlen zusammengesetzt, wenn ich nicht gewiß wüßte, daß mein Freund ein sterblicher Künstler ist. Ihre Töne sind durch so unmerkliche Grade unterschieden, daß der Raum zwischen zween Tönen aus der bisherigen diatonischen Tonleiter gewiß in tausend und mehrere Töne zerteilt ist. Man sieht also leicht, daß man, um so ätherische Unterschiede zu fühlen, ein Paar Ohren nach des Pythagoras Manier äußerst nötig hat und deswegen dieses Werk für eine sehr geringe Anzahl von Sterblichen gemacht ist, die obendrein seinem Urheber mit nichts als dienstwilligen Lobsprüchen belohnen können. Jeder, den die Natur mehr durch den ansehnlichen Wuchs als die feine Empfindung der Ohren von andern Menschen unterscheiden wollte, hört bei allen jenen feinen Unterschieden nur einen Ton und empfindet überhaupt keine weiter, als die das schiffbrüchigste Klavier des elendesten Dorfschulmeisters zu hören gibt.
In der Mitte erhebt sich ein Steg, der bei jeder Überspannung der Saiten umfallt, oft in der Hitze des Spielens umgeworfen wird und vermittelst einer Feder bei der leisesten Berührung wieder aufspringt. Sobald er fällt, entsinkt der Spielerin der Bogen, sie fällt an die Lehne des Sessels zurück und scheint zu schlafen, während daß in ihrem Gesichte eine unaufhörlich abwechselnde Ebbe und Flut von allen menschlichen Affekten ist. Sobald der Steg aufgerichtet ist, ergreift sie den Bogen und spielt ihr Lied und spielt es zuweilen mit einem solchen Feuer und mit so vieler Flüchtigkeit, daß auch das schärfste Kennerohr nichts als einen betäubenden Mischmasch von Tönen empfinden kann. Je pathetischer, tönender, affektvoller ihr Stück ist, desto stärker und schneller werden alle Gliedmaßen ihres Körpers in Bewegung gesetzt; doch oft spielt sie auch unter den heftigsten Grimassen ein ganz gemeines Gassenlied.
BEILÄUFIGE NACHRICHT DES KÜNSTLERS
Man verspricht, dieses Kunstwerk so klein wie des Praxiteles Wagen zu liefern, den eine Fliege mit ihren Flügeln decken konnte, kurz, in einer so kleinen Form, daß es völlig im Gehirnmarke Platz hat, und zwar zum besten derjenigen, denen aus irgendeiner Ursache ein solcher Vikarius der Seele nötig geworden ist. Der Preis ist 50 Pfund Sterlings. – Gewiß, ein geringer Preis! der für viele menschliche Seelen, die dies Kunstwerk weit übertrifft, zu – –
Doch in kurzem sollen die Liebhaber eine besondre Nachricht an das Publikum hierüber erhalten.
8
Ja, sobald der Steg aufgerichtet ist, so geht es allen Menschen wie meinem Tobias, wo ihn die Bettlerin von ohngefähr so gut getroffen und so gut aufgerichtet hatte, daß die Muskeln seines Gesichts während der ganzen Mahlzeit von ihren Reden wie eine Marionette von der Schnure regieret wurden, bald lächelten, bald lachten, bald trauerten, bald sich ängstigten; genug, seine Gesellschafterin war ihm gegenwärtig so lieb geworden, daß er sie hätte umarmen können, ohne mit einem einzigen Gedanken sich an seinen alten Haß gegen das weibliche Geschlecht zu besinnen, und daß er ihr zuversichtlich seine ganze zweite Kleidung obendrein gegeben hätte, wenn es die Anständigkeit erlaubte, außer dem Paradiese nackend zu gehen.
Itzt standen sie von ihrem Mahle auf. Zufrieden, mit selbstgefälligem Stolze sah Tobias auf der Zigeunerin Arme seine Kleider, so stolz zufrieden, als Prudentia gestern einer armen Frau einen abgenutzten Lumpen zuwarf, weil – sie vor ihr auf die Knie gefallen war. – Aber nein! so einen Selbstbetrug, mechanische Bewegungen einer Leidenschaft für Wohltaten zu halten, kann sich Prudentia spielen, doch meinem Tobias läßt er unnatürlich. Seine Zufriedenheit war im Magen, und von da aus verbreitete sich über sein ganzes Nervensystem eine solche Behaglichkeit, daß man wirklich Tobias sein mußte, um seine Eigenliebe sich es nicht für eine Folge von dem Bewußtsein einer kaum getanen guten Handlung ausgeben zu lassen. Ein kleiner Arm von Zufriedenheit ergoß sich zwar auch aus der Seele, und seine erste Quelle war eigentlich durch die häufig wiederkommenden soldatischen Vorstellungen, die die Erzählungen seiner Gefährtin in ihm hervorbrachten, wie durch die Schläge eines Zauberstabes an einen Felsen, hervorgelockt worden; auch war es nur ein kleiner Bach, der von dem größern Strome aus dem Magen bald verschlungen wurde. – Er wußte nicht, daß er Gutes getan hatte, er glaubte es nicht, er machte sich nicht den geringsten Lobspruch darüber und hätte gern, ohne es zu wissen, in dem Augenblicke ebenso viele gute Handlungen getan, als Prudentia sich in ihrem ganzen Leben getan zu haben rühmt.
O ihr sonderbaren Erdensöhne und Erdentöchter! Warum müßt ihr euch ewig selbst hintergehen? – Wenn die Uhr richtig ihre Stunden zeigt, ist es ihr Verdienst? – Aber wozu eine so finstre Moral? was das für ein saures Catogesicht war!
Ja, selbstbetrogne Sterbliche, mögt ihr euch doch hintergehen! Mögt ihr doch Tugenden für euer Werk halten, die Werke der Notwendigkeit sind! Nie schmeckt ihr an der Melone, daß ihre wohlschmeckenden Teile ursprünglich in dem Miste verborgen lagen, aus welchem sie aufwuchs. Nur vergönnt andern Sterblichen, deren Tugend im stillen blüht, ohne mit ihrem Geruche die ganze Luft zu parfümieren, neben euch tugendhaft zu sein, und glaubt nicht, daß ihr die einzigen wohlriechenden Blumen seid, die die Natur in ihren Garten pflanzte.
Glücklicher Tobias! Dein Beispiel lehrt, nicht auf Tugenden stolz sein, die man nicht getan hat!
9
Während der Mahlzeit war schon der Vertrag gemacht worden, daß die Arme Tobias' Begleiterin die ganze Heide hindurch sein und zur Belohnung, sobald er seine Montur