Eupators liebstes Gespräch war, wie aller Menschenkinder ihrs – sein Steckenpferd, seine kleine Monarchie; und Euphorb, als ein ausgelernter Hofmann, war weise genug, um nicht die erste Regel der feinen Lebensart zu übertreten – er lenkte sogleich die Unterhaltung auf das, was Eupator gern hörte, bewunderte und erhub seine Anstalten durch alle Grade der galanten Beredsamkeit, zweifelte zuweilen, stellte sich ungläubig, hielt für unmöglich, um der gehörten Sache einen stärkeren Glanz von Größe und Wichtigkeit zu geben, wenn gleich der Augenschein ihn zwang, sie für möglich zu halten. Ein solcher Kunstgriff, mit einer feinen Wendung zu loben, brachte es einstmals dahin, daß Eupator, dem Euphorb schlechterdings nicht zugeben wollte, daß der eingeführte Grundsatz der Ehre bei seinen Bauern so starke Wirkungen hervorgebracht haben könnte, ihn mit sich auf das Feld nahm, um seinen verstellten Unglauben durch ein Gespräch mit dem ersten besten Arbeiter zu überführen. Euphorb war begierig darnach.
»Martin!« rief Eupator, als sie an das erste Feld kamen, auf welchem sich Arbeiter aus seiner Monarchie befanden. – Martin wischte den Schweiß vom Gesichte und näherte sich, seinen Hut in der Hand, mit einem bäurischen Anstande.
»Martin«, fragte ihn Euphorb abgeredtermaßen, »warum arbeitest du hier so emsig?«
MART
Je, Herr, eine wunderliche Frage! – Was sollte ich Besseres tun?
EUPHORB
Du guter Narr! Gar viel!
MART
Herr Excellenz, nu, so sag Er mir doch das!
EUPHORB
Kannst du nicht spielen, trinken, tanzen?
MART
Das bringt mir keine Ehre.
EUPHORB
Warum aber nicht?
MART
Weil es keine Arbeit ist! – Herr, weiß Er nicht, daß Arbeit und Fleiß die erste Tugend ist?
EUPH
Nein, davon weiß ich kein Wort; aber ich weiß wohl, daß du dich betrügst, wenn du so glaubst.
MART
Schnakisch! – Hat denn ein Müßiggänger ein einziges Rütchen Eichenlaub an seinem Hause hängen? – He? – Steht denn eine Birke auf seinem Grabe? (dies war auch eine von den Belohnungen des Fleißes) Nicht ein Strauch! Ein kahler Sandhügel liegt ihm auf dem Leibe.
EUPH
Was hilft dir die Birke, guter Martin? – Du fühlst doch nicht, wenn sie dir Schatten macht.
MART
Mag ich! – Dafür sagen die Leute, wenn sie vorbeigehn: Ah! da liegt auch ein Fleißiger! Wer ist er denn? – und denn gehn sie und lesen, wer es ist. – Vor den kahlen Sandhügeln gehn sie vorbei und wollen nicht einmal wissen, wer da liegt.
EUPH
Du hörst ja davon nichts. Mögen doch Leute nach deinem Tode bei deinem Grabe schwatzen, was sie wollen! das genießest du nicht; wenn du dich aber alle Tage lustig machst, das genießest du doch wirklich. – Nicht wahr, Bruder Martin, so wärst du viel glücklicher?
MART
Ich bin so glücklich, als ich sein kann. – Kommen Sie, kommen Sie mit an mein Haus! Da hängt alles voller Ehre. Ich bin schon Flurwächter; was will ich denn mehr? – Ach, ich singe, ich tanze, ich trinke euch auch; aber wenn meine Arbeit vorbei ist, wenn ich mir keine Ehre verdienen kann.
EUPH
Martin, ich werde dich mit mir nehmen; unser Leben wird dich gewiß glücklicher machen.
MART
Laßt doch schauen! – Was für ein Leben ist denn das?
EUPH
Ein Leben voller Vergnügen! – Wir wandern von einer schönen Dame zu andern, von einem Hause zum andern, wir schmeicheln und werden dafür wieder geschmeichelt.
MART
Schnakisch! – Und was habt ihr denn davon?
EUPH
Daß es uns wohl tut! – Ist es nicht süß, von jeder Dame angelächelt, von jeder der Leichtfertige, der Boshafte, der Artige genannt zu werden? – Süßer, als wenn dich deine Bauern nach deinem Tode unter der Birke noch so sehr loben! – Wir fühlen unsre Glückseligkeit, du hast Arbeit und fühlst nichts dafür.
MART
Und was tut ihr denn den großen Damen, daß sie euch so schmeicheln?
EUPH
Wir schmeicheln ihnen, wir loben alles, was sie loben, wir tadeln alles, was sie tadeln, wir erheben das kleinste Bändchen an ihnen bis zum Himmel, wir verfolgen sie auf jeden Tritt, sind immer zu ihrem Befehle, denken lange voraus darauf, etwas zu tun, was ihnen gefällig sein kann, wir heitern sie auf, wenn sie über ihren Postillon, ihre Quadrillen, ihren Kopfschmuck, ihre drückenden Schuhe verdrießlich sind, wir demütigen uns vor ihnen – kurz, wir schmeicheln ihnen, damit sie uns ein Gleiches tun –
MART
Also habt ihr's miteinander abgeredt?
EUPH
Das nicht; eins folgt von selbst aus dem andern; wir machen ihnen etwas Angenehmes weis, damit sie es wieder tun.
MART
Aber – so belügt ihr ja einander!
EUPH
O daran denkt man vor Vergnügen nicht! – Unser Bestreben ist Ehre; – wenn wir sie nur erlangen, mag es doch geschehen, wie es will; man muß andre ehren, um wieder geehrt zu werden.
MART
Je, das ist ja just wie das Spiel – kützle du mich, ich will dich wieder kützeln.
EUPH
So ein Spiel ist unser ganzes Leben.
MART
Und das seid ihr niemals überdrüssig? – Verteufelt! Man wird des Kützelns endlich satt.
EUPH
O du guter Martin, das Kützeln der Ehre wird niemals zur Last; das tut immer wohl. – Du bist sonst nicht dumm, aber doch noch zu sehr, um das zu fühlen.
MART
Hm! Hm! – das ist mir eine wunderliche Ehre! – Habt ihr denn auch Eichenkränze an euern Häusern hängen?
EUPH
Nein, guter Martin, diese Ehrenzeichen begehren wir nicht! – Dafür haben wir gestohlne Bänder, geraubte Bukette –
MART
Gestohlne! geraubte! – Da lob ich mir meine Eichenreiser! Wenn ich